Voller Tatkraft und Energie und mit vielen Helfern aus ihrem Netzwerk hat Esther Joas auf einer 11 000 Quadratmeter großen Brachfläche an der Konsul-Smidt-Straße gegenüber den Schuppen eins und drei in diesem Sommer die Überseewiese hergerichtet. Nachdem dort für die frisch gepflanzten Bambuspflanzen engagierte Pflegepaten gefunden sind und 30 neue Hochbeete die Nachbarschaft zum Gärtnern einladen, verabschiedet sich die Waller Pastorin nach etwas mehr als einem Jahr wieder aus der Überseekirche: Sie ist künftig in der Sankt-Remberti-Gemeinde in Schwachhausen tätig.
Gerne wäre sie in Walle geblieben, erklärte Joas kürzlich den Mitgliedern des Fachausschusses Überseestadt, Wirtschaft und Arbeit im Waller Beirat. Eine Pastorenstelle in der Wilhadi-Gemeinde mit dem auf den alten Sprengel und die Überseekirche aufgesplitteten Stundenkontingent sei auf lange Sicht aber zu kräftezehrend für sie. Das hat womöglich auch der Pastor und Sozialwissenschaftler Benedikt Rogge so gesehen, der die Überseekirche als ökumenisches Projekt 2018 angeschoben hatte. Er ist voriges Jahr an die Sankt-Ansgarii-Gemeinde in Schwachhausen gewechselt.
Bis zur Neubesetzung der Pastorenstelle ist es somit nun an Koordinatorin Danielle Balmer, gemeinsam mit den Pastoren der Waller Kirchengemeinden die Angebote der Überseekirche weiterzuführen, die momentan immer dienstags und donnerstags von 9 bis 11 Uhr und mittwochs von 16 bis 18 Uhr als Treff geöffnet ist. Die Aktivitäten auf der Überseewiese als temporärem Quartiersplatz werden fortgesetzt, sagt Sozialwissenschaftlerin Arline Rave, die seit April für die Quartierentwicklung zuständig ist. Bis Ende 2021 läuft der Zwischennutzungsvertrag über die Gewoba – die Brachfläche soll später bebaut werden. Ideen für Aktivitäten bis dahin gibt es so einige. Demnächst kommt Rave zufolge eine Imbissbude und das Supermarkt-Unternehmen Myenso möchte einen Container aufstellen.
Mit Studierenden der Hochschule für Künste sei ein Kunst-Pavillon geplant und auch ein öffentlicher Bücherschrank wäre durchaus denkbar. Mit einer Graffitiwand, einer Tischtennisplatte oder einem Bolzplatz wolle die Überseekirche auch Kindern und Jugendlichen Angebote machen und sei dazu im Gespräch mit Anja Blumenberg, Leiterin des Bereichs „Junge Menschen in Walle“ im Sozialzentrum West. Dafür seien noch einige formale Schritte nötig; unter anderem müsse das Areal als „naturnahe Spielfläche“ abgenommen werden. Verbesserungsbedarf sieht Rave zum Beispiel in Sachen Entsorgung – bisher gibt es an der Überseewiese keine Mülleimer und auch ein Hundekotbeutelspender wäre aus ihrer Sicht sinnvoll. „Wir bekommen viel positives Feedback von den Anwohnern. Sie haben außerdem den Wunsch an uns herangetragen, wenigstens einen Teil der Fläche zu erhalten“, berichtete Rave nun den Waller Ortspolitikern.
Diese bemühen sich schon seit Längerem darum, in der Überseestadt verlässliche soziale Strukturen auf den Weg zu bringen. Wichtig sei, dass sich alle Akteure dort gut vernetzten und nicht etwa parallele Strukturen entstünden, zeigte sich nun Brigitte Grziwa-Pohlmann, Sprecherin der SPD-Fraktion und des Sozialausschusses, etwas irritiert angesichts des von der Überseekirche verwendeten Begriffs der Quartiersentwicklerin. Schließlich solle doch demnächst auch über das Programm „Lebendige Quartiere“ des Sozialressorts ein Quartiersentwickler in der Überseestadt eingesetzt werden, um Kontakte zwischen Anwohnern und Initiativen und Einrichtungen wie der Überseekirche oder dem Blauhaus herzustellen: „Wir haben richtig dafür gekämpft, dass sich in der Überseestadt auch eine soziale Basis entwickelt.“
Das Projekt Lebendige Quartiere sei auf Dauer ausgerichtet, unterstreicht dazu Sozialressort-Sprecher Bernd Schneider: „Die Kirche kann und soll das nicht ersetzen. Aber alles, was vor Ort vorhanden ist, ist willkommen. Wir sind da ganz kooperativ unterwegs. Wenn es schon Strukturen gibt, gehen wir nicht in Konkurrenz dazu, sondern binden diese mit ein.“ Gerade hat der Senat das Landesprogramm auf den Weg gebracht, das Stadtteilen und Wohnvierteln mit besonderen sozialen Herausforderungen zugute kommen soll. Schneider zufolge wird sich die Sozialdeputation im frühen Herbst mit der Quartiersentwicklung im Rahmen von Lebendige Quartiere befassen. Anschließend könne es an die operative Umsetzung gehen.
Weitere Informationen
Die Überseekirche an der Konsul-Smidt-Straße 33 ist ein ökumenisches Projekt. Dahinter steht die Wilhadi-Gemeinde in Kooperation mit dem Katholischen Gemeindeverband, dem Verein für Innere Mission und den Waller Kirchengemeinden.