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Treffen der Nachbarschaft Überseestadt bittet zu Tisch

In der Bremer Überseestadt entsteht Gemeinschaft: Wie das Fest "Zu Tisch" Nachbarn zusammenbringt und das Engagement fördert.
05.09.2024, 05:00 Uhr
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Von Anke Velten

Es gibt Lebenszeichen aus der Überseestadt. Eindeutige Signale, dass hier Nachbarschaft, Engagement und Zusammenhalt entstehen. Entlang des Kommodore-Johnsen-Boulevards wurde zum dritten Mal „Zu Tisch“ gebeten, und viele Hundert Gäste nahmen die Einladung an. Bei perfektem Spätsommerwetter war der 350 Meter lange Festbereich bereits am Nachmittag lebhaft bevölkert. Gefeiert und getanzt wurde dann bis nach Sonnenuntergang.

„Zu Tisch“ ist kein Nachbarschafts- und Straßenfest wie alle anderen. Idee und Konzept stammen vom Team von „Jetzt hier“, dem Projekt zur Quartiersentwicklung des in Gröpelingen ansässigen Vereins Kultur vor Ort, wo man seit 25 Jahren Erfahrung mit dem Knüpfen von menschlichen Verbindungen und Netzwerken hat. 50 Biertischgarnituren hatte Projektleiterin Svenja Weber vergeben können, die sich Vereine, Initiativen, Unternehmen, gastronomische Betriebe und Einzelpersonen reservieren ließen: 50 Angebote, sich niederzulassen und ganz entspannt ins Gespräch zu kommen.

Gleich zwei Tische benötigten die „Deichhamster“, ein Zusammenschluss mehrerer Gruppen, die leer stehende Räume eines Feinkostgeschäfts im Parterre der Hausnummer  13 gemeinsam als Ankerplatz in der Überseestadt und als Nachbarschaftstreff nutzen möchten. Mit im Boot sind bislang die Kulturenwerkstatt, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen, der Verein Kukutana, der einen Kindergarten mit interkulturellem Konzept gründen möchte, und die Initiative Kaya-Kayo, die mit solidarischem Prinzip Produkte aus Afrika vertreibt, erklärte „Deichhamster“ Gerhard Rubi. Wöchentlich am Freitagnachmittag treffe sich eine Planungsrunde im Nachbarschaftscafé von „Jetzt hier“. Gleichgesinnte, die an der Vorbereitung und später auch an der Umsetzung mitwirken möchten, seien willkommen.

Einen Ankerplatz und Gleichgesinnte in der Überseestadt wünscht sich auch der Gärtnerhof Oldenburg: Konkret Kundschaft und eine Abholstelle für die Wochenlieferungen an erntefrischem Obst und Gemüse aus der Region. Der 2,7-Hektar-Hof in Holste wird nicht nur seit mehr als 40 Jahren biologisch-dynamisch bewirtschaftet. Sämtliche Jungpflanzen seien samenfeste Sorten, die aus dem eigenen Saatgut gezogen werden, erklärte Betriebsleiter Florian Jordan. Das Ergebnis konnte sich schmecken lassen: Mundgerecht portioniert waren butterweiche Kohlrabi, knackige Melonen sowie die Eigenzüchtung „Ruthje“ – für Rike Fischer „die beste Tomate der Welt.“

Die Wallerin –  selbst seit vielen Jahren überzeugte Kundin und Öffentlichkeitsarbeiterin des Betriebs  – war zur Verstärkung mitgekommen, um eine weitere Besonderheit des Betriebs zu erklären: Die Produkte des Gärtnerhofs sind in keinem Laden erhältlich. Sie werden vielmehr nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft direkt vermarktet. Die gesamte Ernte wird unter einem Kundenkreis verteilt, der für wöchentliche Lieferungen ein Monatsabonnement abschließt. Die Maßeinheit lautet „Ernteanteile“. Die diesjährige Ernte reicht nicht nur für die aktuell elf Sammelstellen in Bremen und Bremerhaven. „Wir würden darum auch gerne ein Depot in der Überseestadt eröffnen“, so Fischer.

Die Gesundheit der Menschen in der Überseestadt treibt auch „Dr. Über“ an, dessen Gesicht vielen Gästen bekannt vorgekommen sein dürfte: Unter einem Pseudonym plant Immo Wischhusen gerade sein Projekt „Freizeitklinik“. Per Handschlag hatte er im vergangenen Jahr mit Überseeinsel-Investor Klaus Meier besiegelt, dass er das Areal zwischen Alter Werft und Weser fünf Jahre lang in einen Kulturort verwandeln darf. Den Doktortitel habe er sich verdient, weil er mit der „Kompletten Palette“ in Hemelingen seit acht Jahren Erfahrung im Üben habe, so der Künstler. „Auf der Überseeinsel soll ein Ort für das gesellschaftliche Miteinander entstehen, an dem Menschen spielerisch in Aktion kommen“, erklärte „Dr. Über“ seinen therapeutischen Ansatz.

Keinerlei Mangel an Gesprächspartnerinnen und -partnern hatte auch Zafer Seplin, was ein untrügliches Zeichen dafür war, wie sehr sein Thema auch den Nachbarn aus der Überseestadt unter den Nägeln brennt. Der Anwohner sammelte Unterschriften für eine Petition, mit der die Stadt aufgefordert wird, zügig wirkungsvolle Maßnahmen gegen die Raser und Poser in der Überseestadt zu ergreifen.

Schon oft und seit Jahren habe man das Problem vor dem Beirat geschildert, sämtliche Bitten und Vorschläge, etwa zu mehr Kontrollen oder der Installation einer mobilen Radar-Anlage, seien von den zuständigen Stellen abgeschmettert worden, berichtete eine Nachbarin. „Immer hieß es entweder: Zu teuer, zu wenig Personal, oder man verwies darauf, dass die Straße kein Unfallschwerpunkt ist“, so die Bewohnerin der Überseestadt. „Wollen die warten, bis endlich etwas Schlimmes passiert?“

Zu Nachbarschaft gehöre mehr, als nebeneinander zu wohnen, hatte Svenja Weber bei der Begrüßung am Nachmittag gesagt. Es sei „verrückt, wie viele Menschen hier in den vergangenen Jahren Nachbarn geworden sind, sich gegenseitig unterstützen, sich zum Grillen und Kochen verabreden.“ Vieles davon darf die Projektleiterin von „Jetzt hier“ als persönlichen Erfolg verbuchen, wie die Waller Beiratssprecherin Brigitte Grziwa-Pohlmann betonte: „Sie ist mit Herz und Hand dabei.“

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