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Den Ahnen seit über 20 Jahren auf der Spur Stammbaum mit Überraschungen

Ali Hassan Khalil ist 37 Jahre alt und in Bremen geboren. Die Erforschung seines Migrationshintergrunds hat der Sohn einer Deutschen und eines Libanesen sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht.
13.12.2015, 00:00 Uhr
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Von Silke Düker

Ali Hassan Khalil ist 37 Jahre alt und in Bremen geboren. Die Erforschung seines Migrationshintergrunds hat der Sohn einer Deutschen und eines Libanesen sich quasi zur Lebensaufgabe gemacht.

Mütterlicherseits, so hat er herausgefunden, stammt er in direkter Linie von Karl dem Großen ab und väterlicherseits vom Hause der Sibai, die offiziell als die Nachfahren des islamischen Propheten Mohammed gelten. Die Ahnenforschung ist seit gut 20 Jahren seine Passion.

Auf Facebook hat er einen Ordner angelegt: „Meine berühmten Verwandten“. Dort findet man die Highlights seiner Ahnensammlung mit Fotos versammelt: von Karl dem Großen (39. Urgroßvater) über Wilhelm Busch (7. Cousin 6. Grades) bis hin zu Meister Proper. Eine Werbefigur? Tatsächlich! Der Muskelprotz mit Ring im Ohr, der seit den 1960er-Jahren aus Drogerieregalen lächelt, ist Ali Khalils Opa. „Mein Großvater mütterlicherseits, Günter Notthoff, war früher ein bekannter Ringer. Als Schauspieler wirkte er später auch in mehreren Edgar-Wallace-Filmen und bei Winnetou mit. 1961 stand er für die Werbefigur Meister Proper Pate“, erklärt er und kann das anhand zahlreicher Zeitungsartikel belegen. Ist es da ein Zufall, dass der 37-jährige Ali Khalil seit fünf Jahren eine Reinigungsfirma betreibt? „Ich putze einfach gern“, sagt der Unternehmer. „Für mich ist es eine Art Fitnesstraining. Und manchmal genieße ich auch ganz wunderbare Aussichten beim Fensterputzen.“

Doch das Schönste an seinem Job sei der Kontakt mit Menschen. „Ich lerne bei der Arbeit viele interessante Leute kennen“, sagt Ali Khalil und meint damit nicht nur Ex-Werder-Spieler Marko Arnautovic, für den er auch schon die Fenster geputzt hat. Vielmehr haben es ihm vor allem die älteren Herrschaften angetan, die in ihrem Leben schon viel erlebt haben und spannende Geschichten erzählen können. „Eine meiner Kundinnen ist fast 100 Jahre alt. Ihr Großvater war der Cousin des berühmten Bremer Reeders Christian Heinrich Wätjen.“ Ali Khalil hat herausgefunden, dass sogar seine Kundin und er, Ali, über ziemlich viele Ecken miteinander verwandt sind.

Ahnenforscher durch Zufall

Geschichte und Geschichten faszinieren ihn. Zur Ahnenforschung kam er zufällig. „Die Initialzündung für mich war das Kennenlernen meiner Familie väterlicherseits, die im Libanon lebt. Als ich 16 war, reiste ich mit meinem Vater dorthin. Es waren so viele Tanten und Onkels, Cousinen und Cousins, dass ich völlig erschlagen war“, erinnert er sich. Als Gedächtnisstütze notierte er sich alle Namen in einer Art Stammbaum, um die Verwandtschaftsverhältnisse festzuhalten.

Als das sein Großonkel hier in Bremen sah, fragte er Ali, ob er denn wüsste, dass sie einen ganz prominenten Vorfahren hätten: Georg August Wilhelm Lotze, Historiker aus Hannoversch Münden. Der Teenager, der gerade eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begonnen hatte, wollte das überprüfen. „Ich fuhr nach Hann. Münden. Im Rathaus habe ich mir erklären lassen, wie ich vorzugehen habe, wenn ich etwas über Lotze herausfinden will“, erzählt er sich. Zunächst musste er Geburts-, beziehungsweise Sterbeurkunden seiner Mutter und Großmutter besorgen, quasi als Legitimation für die Familienforschung. „Dann habe ich in den Kirchenbüchern stöbern dürfen. Ein erfahrener Archivar hat mir dabei geholfen.“

Doch so schnell wie er sich das vorgestellt hatte, ging das nicht. „Die vielen Schriftstücke sind nicht mal eben an einem Nachmittag gelesen.“ Also fuhr Ali wieder zurück nach Bremen. Von dort aus musste er jedes einzelne Dokument telefonisch anfragen und sich per Post schicken lassen, damit er es zu Hause in stundenlanger Kleinarbeit genau unter die Lupe nehmen konnte. Er arbeitete sich durch Originalquellen, darunter Handschriften in Sütterlin, in Fraktur gedruckte Seiten, alte Zeitungsartikel. „Aber es war gleichzeitig auch hoch interessant, in vergangene Zeiten einzutauchen. Ein gutes halbes Jahr habe ich gebraucht, bis ich endlich bei Wilhelm Lotze war.“ Und tatsächlich, es stellte sich heraus, dass Ali Hassan Khalil ein direkter Nachfahre ist. „Der im Göttinger Raum sehr bekannte Geschichtsschreiber Wilhelm Lotze ist mein 6. Urgroßvater.“

Jetzt hatte der Bremer Feuer gefangen. „Es fasziniert mich bis heute, zu erfahren, wer meine Vorfahren sind, wie sie hießen, wen sie geheiratet haben, welche Berufe sie hatten. Ich lerne ganz viel über die verschiedenen Epochen und manchmal stoße ich sogar auf Anekdoten. Denn einiges ist tatsächlich gut dokumentiert, vor allem dann, wenn die Leute adelig waren, Ritter beispielsweise. Aber auch über Bürgermeister, Gildemeister und Unternehmer kann man in Deutschland und den USA viel finden. Im arabischen Raum sieht das anders aus, da wurde früher oftmals nicht einmal der Geburtstag dokumentiert.“

Damals, als Ali Khalil anfing, in die Ahnenforschung einzusteigen, verbrachte er sehr viel Zeit damit, in staubigen Kirchenbüchern zu lesen, Literatur in Uni-Bibliotheken zu bestellen und alte Zeitungsartikel auf Mikrofiche einzusehen. Eine wichtige Quelle waren für ihn auch die Mormonen, die über das größte Genealogie-Archiv der Welt verfügen.

Heute, 20 Jahre später, kann er dank Internet viel effizienter arbeiten als damals. Und das ist ein Segen für den zweifachen Familienvater und Unternehmer. „Ich bin viel eingespannter als früher und komme nur noch fünf bis sechs Stunden in der Woche dazu, meiner großen Leidenschaft nachzugehen.“

Dann ist er viel auf der Seite „Geni.com“ unterwegs. Das ist eine amerikanische Seite für Menschen, die Ahnenforschung betreiben. Hier ist Ali inzwischen – auf Empfehlung – als Kurator anerkannt. „Das heißt, ich gebe Hilfestellungen, wenn jemand Fragen zum Erstellen eines Stammbaums hat oder bei der Recherche irgendwo stecken geblieben ist.“ Seinen Support bietet er auf Englisch, Arabisch, Französisch und Deutsch an.

Internet erleichtert die Suche

Ein immenser Vorteil der Internetseite ist es, dass hier alle Personen seines Stammbaums, die er bislang erforscht und eingegeben hat, übersichtlich dargestellt werden. „Das wäre auf Papier gar nicht mehr möglich“, sagt Ali, denn inzwischen hat er 37.821 Personen seines Stammbaums über historische Quellen verifiziert und dort eingegeben.

Ein weiterer Vorteil ist, dass ungezählte andere Ahnenforscher weltweit dort ebenfalls ihre Ahnen eingeben, die sie sicher identifizieren konnten. So kommt es manchmal in den Stammbäumen zu Überschneidungen. Das heißt: Zwei Forscher haben eine identische Person im Stammbaum. „Da man die Arbeit der Kollegen auf Geni.com einsehen kann, ist es in solchen Fällen üblich, anzufragen, ob man seine Ergebnisse, also seine Stammbäume, ‚verschmelzen‘, möchte“, erklärt Ali Khalil. Solche „Stammbaumanfragen“ hat der Bremer schon oft erhalten und auch selbst gestellt.

„Durch diese Ergänzungen komme ich inzwischen auf über fünf Millionen Personen. Damit ist mein Stammbaum jetzt nach beinahe 20 Jahren Forschung so weit verzweigt, dass es unmöglich wäre, ihn auszudrucken. Er ist wie ein gigantisches Puzzle, und das macht den Reiz für mich aus. Es gibt für mich kein Ziel, kein Ende. Ich werde immer weitermachen, obwohl ich schon jetzt eine wundervolle Familie habe.“

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