Die Bremer Polizei ermittelt in immer mehr Fällen, bei denen der Verdacht besteht, dass Personen gefälschte Impfausweise benutzen. Die Zahl der Hinweise nimmt zu, und auch „die Strafanzeigen werden mehr“, sagt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Elf Strafanzeigen seien es vor einem Monat gewesen, 54 sind es aktuell.
Der bislang prominenteste Fall betrifft Werder-Trainer Markus Anfang, der im Zuge der Ermittlungen gegen ihn am vergangenen Wochenende seinen Posten beim Fußball-Zweitligisten aufgegeben hat. Anfang soll einen gefälschten Impfausweis benutzt haben.
Dem Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen liegen zwar keine konkreten Zahlen vor. Die Behörde kann aber die Entwicklung einschätzen und spricht von einem erst kontinuierlichen und zuletzt sprunghaften Anstieg der festgestellten Fälle. Insgesamt bewege sich die Zahl bis Ende Oktober im unteren dreistelligen Bereich, heißt es.
In jedem einzelnen Fall könnten dabei mehrere gefälschte Impfpässe eine Rolle spielen. So weist das LKA in Bayern 600 Fällen mit insgesamt 3000 gefälschten Ausweisen aus. Laut einer Umfrage des ARD-Politikmagazins „Report Mainz“ von Anfang November laufen in Hamburg 113 Verfahren, in Berlin 153 und in Nordrhein-Westfalen Verfahren im mittleren dreistelligen Bereich.
Polizei vermutet Verschärfungen für Ungeimpfte als Grund
Als einen Grund für die starke Zunahme der Hinweise und Ermittlungsverfahren führt die Polizei die Verschärfungen der Corona-Einschränkungen für Ungeimpfte an. Bei immer mehr Veranstaltungen, am Arbeitsplatz und in Restaurants, Kneipen oder Kultureinrichtungen gelten 3G- oder 2G-Regeln. „Einige versuchen, sich mit einem gefälschten Impfpass Zutritt zu verschaffen“, sagt Matthiesen.
Es sei eine Täterklientel vorhanden, die auf unterschiedlichste Art und Weise versuche, entsprechende Nachweise anzubieten. Das geschieht laut LKA Niedersachsen häufig im Internet – unter anderem über Messenger-Dienste wie Telegram. Das LKA spricht von Preisen zwischen 99 bis 250 Euro pro Ausweis, andere Quellen rechnen mit bis zu 500 Euro.
Im Fall des ehemaligen Werder-Trainers Markus Anfang kam der Hinweis auf Unregelmäßigkeiten von einem aufmerksamen Mitarbeiter aus dem Gesundheitsamt, als es um die Nachverfolgung von Kontakten ging – in diesem Fall zum infizierten Bremer Fußballprofi Marco Friedl. In der Regel sind es aber vor allem Apotheken, die auf Fälschungen aufmerksam werden, oder Sicherheitsdienste bei Einlasskontrollen wie zuletzt in Bremen beim Freimarkt.
Volkmar Schmees ist ein Apotheker, der kürzlich einen Fall gemeldet hat. Schmees gehört in Twistringen die Hirsch-Apotheke. Er hatte von einem Kollegen aus der Region den Hinweis bekommen, dass eine verdächtige Person im Landkreis Diepholz unterwegs sei und versuche, mit einem mutmaßlich gefälschten Impfheft ein digitales Impfzertifikat, einen QR-Code, zu bekommen.
Gesundheitsamt richtet Hotline für Apotheken ein
Tatsächlich tauchte die Person wenig später in der Hirsch-Apotheke auf. Schmees und seine Mitarbeiter nahmen den Impfpass genauer unter die Lupe und stellten Auffälligkeiten beim Klebeetikett fest. Nach einer Recherche beim Impfzentrum in Bremen – dort sollte die Impfung angeblich stattgefunden haben – zeigte sich, dass besagter Impfstoff an jenem Tag nicht gespritzt worden war.
Das Bremer Gesundheitsamt hat vor einiger Zeit eine Hotline für Apotheken eingerichtet. Sie können dort Informationen zu Impfungen im Impfzentrum, zum Stoff oder zu Chargennummern abfragen. Schmees zog den Pass daraufhin ein und ging zur Polizei, die Ermittlungen aufnahm.
Der Apotheker spricht von einer „ziemlich guten Fälschung“, die nur erkennbar sei, wenn man Insiderwissen besitze. „Für den Laien sind Original und Fälschung meist nicht zu unterscheiden“, so Schmees. Das Exemplar, das ihm vorlag, verfügte über Datum, Ort der Impfung, Impfstoff, Chargennummer, Unterschrift und Stempel. Dass Impfausweise keinen Fälschungsschutz und keine Sicherheitsmerkmale besitzen, dürfte auch ein Grund dafür sein, dass das LKA Niedersachsen von einer hohen Dunkelziffer ausgeht.
Klar geregelt ist das Strafmaß bei Verstößen. Das Herstellen, Vertreiben und Nutzen gefälschter Impfpässe kann zur Zahlung von Bußgeldern führen, aber auch zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Bei einem bandenmäßigen Betrieb droht eine Strafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.
Wichtig zu wissen ist laut Polizeisprecher Matthiesen: „Nicht nur die Täter begehen eine Straftat, sondern auch die Käufer.“ Wer einen gefälschten Impfpass benutzt, begehe Urkundenfälschung. So sieht es das kürzlich beschlossene Infektionsschutzgesetz vor.