Bremens Finanzlage entspannt sich. Das kleinste Bundesland kann in diesem Jahr und auch mittelfristig mit deutlich höheren Steuereinnahmen rechnen. Das ergibt sich aus der Mai-Steuerschätzung, deren Ergebnisse für die gesamtstaatliche Ebene bereits am Donnerstag in Berlin vorgestellt worden waren. Noch am gleichen Tag begannen die Fachleute in der Bremer Finanzbehörde, die konkreten Auswirkungen für den Zwei-Städte-Staat zu berechnen. Diese Zahlen liegen nun vor. Demnach wird Bremen im laufenden Jahr voraussichtlich 204 Millionen Euro mehr einnehmen, als man im November 2021 kalkuliert hatte. Hier die wichtigsten Fakten zu den Auswirkungen der Steuerschätzung auf Bremen.
Wie entwickeln sich die Zahlen auf mittlere Sicht?
Das Land Bremen wird in den Jahren bis 2026 jeweils gut 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung haben, als bisher prognostiziert. Bei einem Haushaltsvolumen von derzeit rund 5 Milliarden Euro sind das etwa vier Prozent, also eine durchaus beachtliche Größenordnung. Auch die beiden Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven nehmen tendenziell mehr ein. In Bremen sind es im laufenden Jahr rund 88 Millionen Euro, dieser Betrag steigert sich bis 2026 voraussichtlich auf circa 114 Millionen Euro. Für Bremerhaven fällt das Plus geringer aus. Von 17,2 Millionen in 2022 bewegt es sich Richtung 20 Millionen Euro.
Weshalb steigen die Steuereinnahmen?
Nach Darstellung des Finanzsenators sprudelt derzeit vor allem die Lohn- und Einkommenssteuer kräftiger als erwartet. Gleiches trifft auf die Gewerbesteuer zu, deren Einnahmen den Kommunen zufließen. Daher auch das deutliche Plus in der Stadtgemeinde Bremen.
Wie verlässlich sind die Vorhersagen?
Gerade in diesem Jahr muss man sagen: nicht sonderlich. Es gibt aktuell sehr viele Einflussfaktoren auf der internationalen Ebene, die binnen weniger Monate für eine Eintrübung der Konjunktur und in der Folge zu geringeren Steuereinnahmen führen könnten. Die Mai-Steuerschätzung 2022 sei deshalb mehr denn je eine Momentaufnahme, sagte Dietmar Strehl am Freitag bei einem Pressegespräch. Beispielsweise könne "kein Mensch sagen, wie es in der Ukraine weitergeht". Auch seien weltweite Lieferketten nach wie vor gestört. Wie sich das Pandemiegeschehen fortsetzt, sei ebenfalls unklar. Strehl: "All das kann dazu führen, dass die guten Prognosen nicht eintreffen."
Lösen die Mehreinnahmen die aktuellen Haushaltsprobleme?
Nein, definitiv nicht. Die entlastende Wirkung der Steuermehreinnahmen stellt sich nämlich erst mit Verzögerung ein. Die rechtliche Grundlage für den Etat 2022 ist die Mai-Steuerschätzung des Vorjahres. Zusätzliche Mittel, wie sie sich jetzt abzeichnen, dürfen noch nicht in das Zahlenwerk übernommen und ausgegeben werden. Sie werden erst 2023 haushaltswirksam. Deshalb bleibt es auch bei der Aufgabe, eine 100-Millionen-Euro-Lücke im laufenden Haushalt durch Sparmaßnahmen zu schließen. Wie berichtet, hatte der Finanzsenator im Haushalt 2022 eine Minderausgabe von 100 Millionen Euro eingeplant. Sie muss durch Streichen, Strecken und Verschieben von Vorhaben noch irgendwie aufgelöst werden. Bisher sehen die Planungen vor, dass vor allem der Wissenschaftssektor Opfer bringen muss. An Uni und Hochschulen stehen Projekte auf der Kippe.
Entstehen durch das Steuerplus überhaupt neue Spielräume?
Dietmar Strehl ist da äußerst zurückhaltend. Für 2023 zeichnen sich nach seiner Darstellung bereits Mehrkosten ab. So wird Bremen voraussichtlich deutlich mehr Geld für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufbringen müssen. Die Gewerkschaften werden angesichts der galoppierenden Inflation jedenfalls mit entsprechenden Forderungen aufwarten. Hierfür habe er sogar – begrenztes – Verständnis, sagte der Finanzsenator. Zusätzliche Belastungen stellen sich für den Bremer Haushalt außerdem recht kurzfristig durch die Entlastungspakete I und II ein, die auf Bundesebene gerade beschlossen werden. Sie beinhalten unter anderem eine Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages. Einen "Lichtblick" erkennt der Finanzsenator nur insofern, als eine ursprünglich vorgesehene Minderausgabe im Haushalt 2023 in Höhe von 70 Millionen Euro nun wohl durch die Steuermehreinnahmen abgedeckt werden kann und deshalb keine zusätzlichen Sparzwänge entstehen.