Der Eingang erschien uns eher wie eine Boutique, weil in der linken Hälfte Schaufensterpuppen Mode präsentierten. Wir nahmen das Entrée also gar nicht als solches wahr, weshalb wir eine Ehrenrunde ums Haus drehten, um die Tür zu finden. Erst, als wir einmal ums Haus gelaufen waren, erkannten wir, dass die elektrische Glasschiebetür neben den Plastikmodefiguren tatsächlich der Eingang ins Hotel Strandlust ist.
Innen standen wir in einer großen Halle, in der wir uns wieder nicht zurechtfanden. Die Treppen links führten hinunter zu den Toiletten. Und geradeaus? Zur Bar? Zum Restaurant? Wir waren zum ersten Mal in diesem Haus in Vegesack und fühlten uns etwas verloren.
Letztlich gingen wir selbstbewusst geradeaus durch die offene Küche, dann bogen wir links ab und kamen an der langen Fensterfront an, die wir bei unserem unfreiwilligen Rundgang ums Haus schon einmal sahen. Wir schienen richtig zu sein. Als dann fast wie zufällig der Kellner ums Eck kam, fragten wir nach dem reservierten Tisch, an den er uns begleitete.
Endlich! Wir saßen. Unsere Blicke fielen schnell auf den bereits gedeckten Tisch, wo wir recht abgenutzte Kristallgläser mit vielen Kratzern entdeckten. Der dunkle Holztisch hatte wohl auch schon seine besten Jahre hinter sich. Die komplette Platte war übersät mit tiefen Kratzern. Den Sesseln, in denen wir Platz nahmen, fehlte schon an etlichen Stellen das Leder an den Armlehnen.
Wir nahmen also deutliche Gebrauchsspuren am Mobiliar wahr, weshalb wir uns umso mehr am freundlichen Service ergötzten. An diesem fast schon herbstlichen Sommerabend hatten wir Lust auf einen kräftigen Rotwein. Der Kellner empfahl uns gekonnt den sehr dunklen, sehr aromatischen und nicht gerade günstigen Koounga Hill Shiraz (0,25 Liter für 9,30 Euro) aus Australien.
Dazu bestellten wir eine Flasche Wasser (5,90 Euro), das extra für die Strandlust abgefüllt wird. Ein kleines Detail, das mir beim Betrachten des Etiketts auffiel. Den lukullischen Start bildete ein Bärlauchschaumsüppchen mit sautierter Garnele (9,50 Euro), das der Koch in der Tat richtig schön schaumig schlug. Aber der Bärlauch hätte mehr zur Geltung kommen können, und zu etwas mehr Würze hätte meine Begleitung auch nicht nein gesagt.
Meine Büsumer Krabbensuppe (9,50 Euro) mit einer ordentlichen Portion Krabben auf dem Grund verbuchte den Gewinn unter unseren Vorspeisen. Beide Suppen servierte der Kellner in Weckgläsern. Ein Trend, den ich an dieser Stelle in den vergangenen Wochen schon öfter, vielleicht zu oft ausgemacht habe. Denn es gibt so wunderschönes Porzellan, auf dem sich fast pittoresk anrichten lässt.
Die Weckgläser standen auf einem weißen Teller mit Papierspitzenuntersetzer – und das wirkte tantig und deplatziert. Der Blick aus dem Fenster ist in der Strandlust ein Alleinstellungsmerkmal. Wir schauten direkt aufs Wasser und in die weite Ferne. Im regelmäßigen Takt sahen wir die Fähren hin- und herschippern. Dazwischen ein Plausch und schon rollte der Kellner mit dem Servierwagen an, auf dem unsere Hauptgerichte standen.
Cloches schützten die Teller und hielten das Essen warm. Meine Begleitung erhielt eine dicke Scheibe Fleisch vom schwäbisch-hällischen Landschwein (22,50 Euro), das ein besonders vollmundiges Aroma besaß. Leider lag das Fleisch etwas lieblos auf einem Haufen von buntem Wurzelgemüse und neben einem gelungenen, cremigen Kartoffelgratin.
Dazu reichte die Küche eine kräftige, dunkle Jus. Ein Erbsen-Minz-Püree, bei dem die Minze nahezu unerkannt im Hintergrund blieb, bildete den Spiegel auf meinem Teller. Darauf lag das niedliche Lamm-Karree, das im Kern noch mehr rosa hätte sein dürfen, aber dennoch butterweich vom Knochen glitt und mit der Kräuterkruste sehr gut schmeckte.
Die Crème brulée von der Tonkabohne (9,50 Euro) meiner Begleitung ging in Ordnung. Das dazu servierte Erdnuss-Karamell-Eis faszinierte uns jedoch bedeutend mehr. Es schmeckte wie gefrorenes Snickers. Bitte mehr davon! Eine Kugel für zwei zum Naschen – eindeutig zu wenig. Meine Zitrustarte (9,50 Euro) besaß eine kräftig säuerliche Note, was ich herrlich fand. Leider war mir der Boden viel zu durchweicht. Bei einer Tarte mag ich es knackiger, keksiger.
Fazit: Die Strandlust liefert eine gute Küche, die aber von Gang zu Gang und von Gericht zu Gericht schwanken kann. Ihr würden mehr Überraschungen gut tun. Das Ambiente leidet durch das in die Jahre gekommene Mobiliar.
Weitere Informationen
Strandlust, Rohrstraße 11, 28757 Bremen-Vegesack, Telefon: 0421/660 92 64, Öffnungszeiten: täglich von 12 bis 14.30 Uhr und von 18 bis 21.30 Uhr, teilweise barrierefrei, Internet: www.strandlust.de.