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Zivilprozess Streit um Graffiti: Farbklecks führt zu Prozess am Amtsgericht Bremen

Alles begann mit einem Tropfen vergossener schwarzer Farbe. Zwei Jahre später ist er Gegenstand eines Zivilprozesses vor dem Amtsgericht Bremen.
21.06.2024, 05:00 Uhr
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Streit um Graffiti: Farbklecks führt zu Prozess am Amtsgericht Bremen
Von Ralf Michel

"Wollen Sie sich nicht doch gütlich einigen?", unternimmt die Richterin mit fragendem Blick in Richtung Kläger und Beklagtem einen letzten Anlauf, die Sache schnell vom Tisch zu bekommen. Der Kläger könnte sich das durchaus vorstellen. "Warum nicht, wenn wir uns einigen ..." Nicht so der Beklagte. Nein, er sei sich absolut keiner Schuld bewusst, sagt er. Die Vorwürfe gegen ihn seien vollkommen absurd, deshalb käme eine gütliche Einigung für ihn nicht infrage.

Es geht in diesem Zivilprozess um die angebliche Bedrohung von Jugendlichen, die laut Kläger zu Umsatzeinbußen in seinem Geschäft geführt haben. Und um ein beschädigtes Fahrradschloss. Das ist die Ebene, auf der sich seit Donnerstag ein Verfahren vor dem Amtsgericht abspielt. Doch darüber schwebt ein grundsätzlicher Streit, bei dem es um Graffiti an zahlreichen Hauswänden und Flächen in Bremen geht.

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Der Kläger betreibt ein Geschäft, das Sprayer mit den notwendigen Utensilien ausstattet und betrachtet Graffiti als subkulturelles Hobby mit künstlerischem Anspruch. Der Beklagte dagegen zieht im "Bündnis gegen Farbvandalismus" gegen Graffiti zu Felde und macht kein Hehl daraus, dass er die meisten davon für Farbschmierereien hält. Nun könnte man meinen, Bremen sei groß genug für beide Positionen. Doch unglücklicherweise lebten die Kontrahenten bis vor Kurzem unter einem Dach. Unten im Haus der Laden des Klägers, darüber die Eigentumswohnung des Beklagten.

Spezialreiniger im Einsatz

Vor Gericht führte die beiden Parteien ein Vorfall, der sich im Juni 2022 ereignet hat. Da bemerkte der Beklagte wie ein Junge auf den Treppenstufen des Hauses aus einem soeben im Laden erworbenen Behälter schwarze Farbe in einen Marker-Stift umfüllte und dabei auf die Sandsteintreppe kleckerte. Er habe den Jungen aufgefordert, den Schaden zu beseitigen, ansonsten würde er die Polizei rufen, schildert der Beklagte den Vorfall. Tatsächlich habe dann erst der Junge mit Wasser versucht, den Fleck zu beseitigen, und später dessen herbeitelefonierter Vater mit Spezialreiniger. Dies alles aber in völlig entspannter, ja freundlicher Atmosphäre.

Ganz anders schildert dies der Besitzer des Ladens. Er spricht von Bedrohung und Belästigung von minderjährigen Kunden seines Ladens. Die hätten sich nach dem Vorfall nicht mehr in sein Geschäft getraut, wie er erst viel später bei einem zufälligen Treffen mit den Jugendlichen erfahren habe. Die beiden betroffenen Jungs im Alter zwischen 13 und 15 Jahren hätten nun aber regelmäßig Produkte in seinem Geschäft gekauft, pro Person für etwa 46 Euro im Monat. Da sie sich aus Angst, von dem Beklagten erneut "so angemacht" zu werden, zehn Monate lang nicht mehr getraut hätten, in seinem Laden einzukaufen, hätte er Umsatzeinbußen in Höhe von 920 Euro erlitten, rechnet er vor. Und fordert diese Summe vom Beklagten zurück, dem er zudem vorwirft, sich mehrfach vorsätzlich geschäftsschädigend verhalten zu haben.

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Hinzu kommen Kosten für ein beschädigtes Fahrradschloss. Im Mai 2022 soll der Beklagte das abgeschlossene Fahrrad des Ladenbesitzers unsanft beiseitegestellt und dabei das Rahmenschloss des Rades beschädigt haben. Hierfür zeigte der Besitzer des Rads seinen Nachbarn an und forderte im Oktober 2023 Schadenersatz: 67,48 Euro.

Die Staatsanwaltschaft stellte dieses Verfahren mit Verweis auf den Privatklageweg ein, und auch der Auftakt des Zivilprozesses am Donnerstag vor dem Amtsgericht erweckt nicht den Anschein, als dass der Kläger in dieser Sache erfolgreich sein könnte. Sie verstehe nicht, warum so spät ein Kostenvoranschlag eingeholt wurde, sagt die Richterin. "Warum haben Sie eineinhalb Jahre damit gewartet?" In der Zwischenzeit könne ja so einiges mit dem Schloss passiert sein.

Keine Chance auf gütliche Einigung

Wie in derlei Verfahren üblich, versuchte die Richterin, die Angelegenheit gütlich zu beenden, nach Möglichkeit vollkommen ohne weiteres Mitwirken des Gerichts. Zumal, wie sie betont, der Ladenbesitzer inzwischen umgezogen ist. Dieser betreibt sein Geschäft inzwischen an anderer Stelle weiter, womit nun immerhin gut 200 Meter zwischen den zerstrittenen Parteien liegen.

Doch nichts wird's mit der gütlichen Einigung: Die Behauptungen und Vorwürfe gegen ihn seien unwahr und völlig haltlos, sagt der Beklagte. Er weise die Forderungen – inklusive Anwaltskosten des Klägers und Zinsen inzwischen mehr als 1100 Euro – als ungerechtfertigt zurück.

Somit wird es zu einer zweiten Verhandlung kommen, bei der die Jugendlichen vernommen werden könnten. Ein weiterer von Hunderten Prozessen, die das Amtsgericht Bremen laut Pressesprecher Stefan König Jahr für Jahr wegen Nachbarschaftsstreitereien beschäftigen.

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