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Struktur des Bremer Angebots Pflegeheime sind immer mehr Privatsache

Private Anbieter stellen bundesweit und auch in Bremen mehr Pflegeplätze bereit als gemeinnützige Organisationen. Die Spanne in der Hansestadt reicht vom Einzel-Inhaber bis zum europäischen Pflegekonzern.
15.08.2021, 18:00 Uhr
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Pflegeheime sind immer mehr Privatsache
Von Timo Thalmann

Die Mehrzahl der vollstationären Dauer-Pflegeplätze in der Stadt Bremen wird von privaten Unternehmen angeboten: Eine Auswertung des WESER-KURIER ergab einen Anteil von 53,34 Prozent. Das sind 2959 von insgesamt 5547 Pflegeplätzen. Bei dieser Analyse wurden Angaben über 76 Einrichtungen berücksichtigt, die sich ausschließlich auf die Altenpflege konzentrieren. So erklärt sich unter anderem die Abweichung gegenüber den in der amtlichen Statistik für Ende 2019 angegebenen Zahl von 5751 Pflegeplätzen. Diese Zahl beinhaltet auch Angebote für spezielle Gruppen von Jüngeren, die beispielsweise aufgrund einer Behinderung oder chronischen Erkrankung pflegebedürftig sind. Zusätzlich listet die amtliche Statistik weitere fast 1000 Pflegeplätze für Tages- und Kurzzeitpflege auf.

Das private Übergewicht fällt in Bremen etwas kleiner aus als im Bundesdurchschnitt. Insgesamt werden etwa 60 Prozent der Pflegeplätze von privater Seite betrieben. Rund 38 Prozent stellen die gemeinnützigen Träger wie Awo, Caritas oder der Paritätische bereit. Nur ein kleiner Teil von etwa zwei Prozent ist in kommunaler Trägerschaft. 

Trotz dieses privaten Überhangs ist die gemeinnützige Bremer Heimstiftung auch bei der vollstationären Pflege der größte Anbieter in der Hansestadt. Ihr Marktanteil beträgt 11,65 Prozent oder 646 Pflegeplätze, die sich auf zwölf Einrichtungen verteilen. Die in Bremen beheimatete Convivo-Gruppe ist mit 525 Pflegeplätzen in zehn Häusern der größte private Anbieter der Stadt. Insgesamt betreibt das Unternehmen 55 stationäre Pflegeeinrichtungen mit insgesamt rund 4400 Pflegeplätzen vor allem im nordwestdeutschen Raum. Es gilt damit noch als mittelständischer Anbieter in der Pflegebranche.

Demgegenüber verwalten große Pflegekonzerne wie die in Bremen mit drei Adressen vertretene französische Koriangruppe allein in Deutschland mehr als 27.000 vollstationäre Pflegeplätze. Weitere über 50.000 Betten sind es in Frankreich, Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien. Gewachsen ist das Unternehmen vor allem durch Zukäufe und Übernahmen. Auf diese Weise kam Korian auch zu seinen Bremer Einrichtungen, die ihr 2014 durch den Kauf der kleineren Curanum-Gruppe zufielen.

Ein ähnlich großes Kaliber ist der ebenfalls französische Orpea-Konzern, zu dem die sechs Bremer Häuser der Residenz-Gruppe gehören, die das Unternehmen vor einigen Jahren von der Specht-Gruppe übernommen hat. Orpea weist für ganz Europa knapp 90.000 Betten in über 800 Pflegeeinrichtungen aus. Auch in Deutschland zählt das Unternehmen mit knapp 12.000 Pflegeplätzen zu den größten Anbietern. 

Zählt man noch die 184 Pflegeplätze der beiden Einrichtungen der Dorea-Familie in Bremen-Nord hinzu, sind knapp 1000 der Bremer Pflegeplätze in der Hand französisch geführter, international aufgestellter Pflegekonzerne. Die Dorea-Häuser wurden 2018 von der französischen Groupe Maisons de Famille (GMdF) übernommen, die in vier Ländern insgesamt über 17.000 Pflegeplätze anbietet. Auf dem anderen Ende der Skala stehen in Bremen lediglich zwei kleine private, noch persönlich vom Inhaber geführte Einrichtungen.

Für die mittleren und großen Pflegeunternehmen ist die stationäre Dauerpflege immer nur Teil des Angebots. Ein wachsender Trend ist das zumeist als Servicewohnen vermarktete, seniorengerechte Apartment zur Miete. Die Bewohnerinnen und Bewohner können hier unterschiedliche Leistungen gegen Gebühr dazu buchen, von der Putz- und Haushaltshilfe über die Essensversorgung bis zur ambulanten Vollpflege. Zumeist sind diese Angebote  mit einer vollstationären Pflege unter einem Dach, sodass von außen häufig kaum ein Unterschied erkennbar ist.

In dieser Hinsicht unterscheiden sich private und gemeinnützige Träger wenig. Die Bremer Heimstiftung etwa hat in der Vergangenheit vollstationäre Pflegeplätze abgebaut und bietet den so gewonnen Wohnraum nun für Servicewohnen an. Das ist inzwischen sogar Schwerpunkt der Heimstiftung. Die Zahl der so als ambulant geltenden Pflegeplätze, unter anderem zum Beispiel in Pflege-Wohngemeinschaften, übersteigt mit 672 die Zahl der stationären Pflegeplätze. Dazu kommen 1049 Wohnungen und Apartments, zumeist für Einzelpersonen, teilweise aber auch für Paare, in denen eine Reihe von Serviceangeboten dazu gebucht werden kann. Soweit dabei keine Leistungen im Sinne des Pflegegesetzes eine Rolle spielen, sind diese Wohnformen vollständig aus Eigenmitteln der jeweiligen Bewohner zu finanzieren und unterliegen auch nicht der Wohn- und Betreuungsaufsicht oder der Kontrolle durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse.

Zur Sache

Wenig transparente Wohnkosten

Für die vollstationäre Pflege rufen die Anbieter in Bremen Zuzahlungen der Bewohner von 1440 Euro bis über 3000 Euro auf. Dabei sind private Einrichtungen nicht automatisch teurer als gemeinnützige. Die niedrigsten Zuzahlungen finden sich in Bremen bei privaten Anbietern, den höchsten Eigenanteil ruft die Heimstiftung für die Pflege im Stadtteilhaus Remberti auf. Zu Kritik führen häufig die monatlich zu entrichtenden Investitionskosten, die in diesen Zuzahlungen enthalten sind. Sie sind am ehesten mit der Kaltmiete für die Unterbringung vergleichbar und liegen im Bremer Durchschnitt aktuell bei 526 Euro pro Monat. Allerdings können die Bewohner kaum nachvollziehen, wie sich diese Summe ergibt. Denn kaum ein privater Betreiber gewährt seinen Kunden Einblick in die Buchhaltung, sodass sich kaum kontrollieren lässt, ob die mit den Bewohnern abgerechneten Investitionskosten den tatsächlichen "betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen" entsprechen, wie es das Sozialgesetzbuch verlangt. Denn Gewinne dürfen durch die Investitionskosten nicht erzielt werden.

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