Die 14- bis 29-Jährigen sind am Ende ihrer Geduld. Zu diesem Eindruck ist Jugendforscher Simon Schnetzer gelangt, der in dieser Woche seine Studie "Jugend und Corona in Deutschland", eine Sonderauswertung der Studienreihe "Junge Deutsche", vorgestellt hat. Anzeichen dafür, dass die Nerven der jungen Leute nach den vielen Pandemiemonaten stark strapaziert sind, seien einerseits der große Wunsch, geimpft zu werden, andererseits die abnehmende Rücksicht auf Mitmenschen, heißt es in der Mitteilung zur Studie.
Die Jungen, das sind diejenigen, deren Ausbildung auf einmal nur noch aus Arbeitsblättern bestand, die per E-Mail kamen; die ihre ersten Semester in ihren Jugendzimmern verbracht haben; die auf der Liste der Impfpriorisierten nicht auftauchten. Wenn man ihnen zuhört, erzählen sie, dass sie anstrengende Monate hinter sich haben, dass sie schon geimpft sind oder aber noch gar keine Aussicht auf eine Impfung haben. Dass sie sich wünschen, dass man an sie denkt.
48 Prozent sagen, dass sie die Kontrolle über ihr Leben verlieren
Für viele sei schwer zu akzeptieren, dass sie in der Impfreihenfolge, dem Rettungsanker in der Coronakrise, an letzter Stelle stehen, heißt es in der Studie. Denn die meisten von ihnen - 60 Prozent - wollten sich am liebsten sofort impfen lassen. Zumindest für die nicht Volljährigen wird dieser Wunsch vorerst unerfüllt bleiben, die Ständige Impfkommission hat lediglich für vorerkrankte Zwölf- bis 17-Jährige eine Impfempfehlung ausgesprochen.
Das Land Bremen muss wegen mangelnder Impfstofflieferungen erst einmal davon absehen, wie angekündigt auch 16- und 17-Jährige ins Impfzentrum einzuladen. Laut Robert-Koch-Institut, das die Impfzahlen in drei Altersgruppen aufschlüsselt, sind derzeit in Bremen 52,7 Prozent der 18- bis 59-Jährigen einmal geimpft. In der Altersgruppe 60 plus sind es 88,6 Prozent. In Niedersachsen sind 44 Prozent der 18- bis 59-Jährigen einmal geimpft, bei den Älteren sind es 84,1 Prozent.
Im Vergleich der Befragung von Herbst 2020 mit der im Sommer 2021 habe die Bereitschaft der jungen Menschen, die AHA-Regeln einzuhalten, von 73 auf 66 Prozent nachgelassen. Die Bereitschaft, sich gegenüber anderen rücksichtsvoll zu verhalten, sei ebenfalls gesunken: von 69 auf 61 Prozent. "Der Rückgang an Disziplin ist kein Zeichen von abnehmender Solidarität, sondern ein Hilferuf", sagt Schnetzer: "Jugendliche wägen das Risiko von Regelverstößen gegen psychische Schäden ab, um endlich wieder Spaß im Leben zu haben." Etwas mehr als die Hälfte der 14- bis 29-Jährigen hätten angegeben, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert habe, 48 Prozent hätten das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren.
Die für die Studie befragten 14- bis 29-Jährigen erwarteten jetzt Entscheidungen dazu, wie sie ihre Freiheiten zurückgewinnen und ein Impfangebot bekommen könnten, sagt Schnetzer. Sie bräuchten ein deutliches Signal, dass ihre schwierige Situation politisch beachtet werde und sie in die Suche nach Lösungen einbezogen würden. Seiner Einschätzung nach könnten andernfalls Proteste und politische Unzufriedenheit die Folge sein.