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Corona Junge Bremer über das Impfen und ihre Hoffnungen

Die einen sind geimpft, andere stehen noch nicht einmal auf einer Warteliste: So sieht es aus mit dem Impfstatus der Unter-30-Jährigen in Bremen. Fünf junge Leute berichten von ihrer Situation.
18.06.2021, 06:00 Uhr
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Junge Bremer über das Impfen und ihre Hoffnungen
Von Katia Backhaus

Finja Pawlus, 22, und Swantje Beenenga, 24, Ergotherapeutinnen in Ausbildung

Bei Finja Pawlus war es ein aufmerksamer Arzt, der ihr zu einer Impfung verhalf. In einer Raucherpause während ihres Praktikums hatte die angehende Ergotherapeutin mit ihm gesprochen, erzählt, dass sie noch kein Impfangebot bekommen hat. Er hörte zu, und erinnerte sich an die 22-Jährige, als Impfdosen bereitstanden. Auch Finja Pawlus Mitbewohnerin Swantje Beenenga, die neben ihr auf einer Decke sitzt, hatte Glück. Sie hatte sich beim Hausarzt auf eine Warteliste setzen lassen, der dann anrief: Kannst du in 20 Minuten da sein? Sie konnte. Und so sind die beiden jungen Frauen, die in den letzten Zügen ihrer Ergotherapie-Ausbildung stecken, geimpft.

Im Rückblick betrachtet: gut gelaufen. Oder nicht? In zwei Wochen stehen die ersten Prüfungen an. "Ich fühle mich nicht ganz vorbereitet", sagt Finja Pawlus. Eigentlich sollte prüfungsvorbereitender Unterricht auf dem Plan stehen, aber statt Wiederholung lernen die beiden an diesen ersten Sommertagen noch neuen Stoff. "Man hat natürlich weniger gemacht", sagt Beenenga. Die Gründe? Fehlende Motivation, Einsamkeit, schlechtes Internet. Online-Unterricht habe es lange nicht gegeben, stattdessen Übungsblätter und Texte zum Lesen und Zusammenfassen. "Abgabe nicht nötig" habe dabeigestanden.

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"Das Praktikum mussten wir aber machen. Viele haben gedacht: Wir müssen uns jetzt der Gefahr stellen", erinnert sich die 24-Jährige. Sechs Monate Verzögerung wären die Alternative gewesen. Keine der beiden jungen Frauen konnte das Praktikum machen, das sie machen wollte, Praxen sagten wegen Corona ab, sie machten Kompromisse. Eigentlich sei es üblich zu versuchen, bei der letzten Praktikumsstelle einen guten Eindruck zu hinterlassen und dann dort nach dem Abschluss einzusteigen, sagen sie. Das hat nun nicht geklappt.

Froh sind beide, dass sie trotz fehlender Nebenjobs finanziell gut durch die Krise gekommen sind. Denn die Ausbildung zur Ergotherapeutin kostet Geld. "Ich hatte Glück, dass ich Eltern habe, die mir etwas zahlen können", erzählt Finja Beenenga. Und auch ihre Freundin  sagt: "Ohne meine Eltern hätte ich es nicht geschafft."

Theresa Lemanski, 22, Erzieherin in Ausbildung

Als Erzieherin in Ausbildung sei sie schon im März geimpft worden, erzählt Theresa Lemanski, und sie sei froh darüber. Auch Freunde von ihr hätten bereits eine Impfung erhalten, obwohl sie nicht in eine der Prioritätengruppen fielen. Doch ihre Tante, eine Risikopatientin, wurde noch nicht geimpft. Unfair sei das, sagt sie – aber andererseits natürlich auch schön für ihre Freunde, das will sie nicht bestreiten. Es sei schwierig, da eine eindeutige Meinung zu haben. Die 22-Jährige bekam erst Astra-Zeneca, dann kamen die Berichte zu den Nebenwirkungen, die zweite Dosis kam deshalb von Biontech. Sie fühle sich jetzt sicherer, habe keine Angst mehr, die Krankheit von der Arbeit mit nach Hause zu bringen. Rücksicht, sagt Theresa Lemanski, sei auf die Erzieherinnen nicht wirklich genommen worden. 

Einsamkeit sei für sie nicht so ein großes Thema gewesen, bei der Arbeit habe sie ja ständig Menschen um sich herum gehabt, erzählt die junge Frau. Ob sie Frustration verspüre angesichts der Situation junger Menschen? "Ich hätte wirklich Lust, mal wieder in einen Club zu gehen, Spaß zu haben", antwortet sie. "Ich habe das Gefühl, dort, wo Jugendliche Spaß haben können, wird zuletzt geöffnet."

Merih Aksoy, 21, Studentin

"Ich will die Gewissheit, dass ich jetzt ein richtiges Studium anfangen kann", sagt Merih Aksoy, die auf dem Rasen an den Weserterrassen sitzt. Im Winter begann ihr erstes Semester, sie hat es nach wenigen Präsenzstunden zuhause verbracht. Bei vielen sei das auf die Psyche geschlagen, erzählt die 21-Jährige, die froh ist, in ihrer Heimatstadt geblieben zu sein, Kontakte zu haben. Sie bemühte sich trotzdem, die Kommilitoninnen digital kennenzulernen, freundete sich mit einer jungen Frau an, die für das Studium aus Berlin hergezogen war. "Sie hat gesagt, sie hätte auch einfach in Berlin bleiben können."

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Einen Impftermin hat Merih Aksoy nicht, und sie hat sich bislang auch noch auf keiner Warteliste eingetragen. Etwas skeptisch habe sie die Diskussion um den Astra-Zeneca-Impfstoff und die möglichen Nebenwirkungen gemacht, erzählt sie. Derzeit sehe sie das Thema Impfen aber ganz entspannt. Was die 21-Jährige sich gewünscht hätte: Dass man, wenn schon nicht mit einem Impfangebot, in anderer Hinsicht mehr auf die Studierenden zugekommen wäre. Mit dem Versprechen etwa, dass es nun endlich richtig losgehen kann mit dem Studium.

Ole Sell, 23, gelernter Elektriker

Für Ole Sell sind Dinge wie Tanzen und Feiern nicht so wichtig. "Es war eigentlich ganz okay, ich bin gerne zu Hause", sagt er mit Blick auf die vergangenen Monate, blickt zu seiner Freundin, die nickt. Natürlich, sie hätten überlegt, wann sie in den Supermarkt gehen, um möglichst wenig Menschen zu begegnen, das sei jetzt entspannter. Und sie freuen sich, wieder essen zu gehen, an diesem Tag zum ersten Mal seit Langem. Der gelernte Elektriker hat im Moment frei, er hat seinen Job gekündigt und wird im Herbst sein Abitur nachmachen. Eine gute Zeit, um zu entspannen, findet er, eingeschränkt fühle er sich wirklich nicht.

Inzwischen habe er sogar einen Impftermin, dank der Warteliste für Über-18-Jährige, die in Bremen seit knapp zwei Wochen freigeschaltet ist. Seine Freundin habe die Liste durch Zufall entdeckt, als sie ihren eigenen Impftermin beim Impfzentrum gebucht habe. Damit habe er gar nicht gerechnet, sagt der 23-Jährige. "Klar, die Älteren müssen bevorzugt werden. Ich dachte immer, dass ich noch später drankomme, so im Herbst."

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