In der Überseestadt entsteht bis zum Jahresende eine kleine Zeltstadt für rund 400 Flüchtlinge. Gegenüber den bisherigen Zeltstandorten stellen die leichten Hallenkonstruktionen auf dem Gelände im Kaffeequartier einen deutlichen Fortschritt dar.
Die provisorischen Unterkünfte stehen auf wärmeisolierten Fundamenten und bieten einen sehr viel besseren Schutz vor Wind und Wetter. Plötzliche Evakuierungen der Bewohner bei Sturm – wie sie im November in mehreren Großzelten im Stadtgebiet notwendig waren – sind in der Überseestadt praktisch ausgeschlossen. Die acht Wohnzelte bieten jeweils 48 Menschen Platz und sind in separate Bereiche aufgeteilt, die Familien ein Mindestmaß an Privatsphäre sichern. Neben Wohnzelten umfasst die Anlage ein Versorgungs- und ein Betreuungszelt sowie Sanitärcontainer. Mit dem Einzug der ersten Bewohner wird für Januar gerechnet.
Bei der Vorstellung des Projektes am Mittwoch betonten Vertreter der städtischen Liegenschaftsverwaltung Immobilien Bremen (IB) den Modellcharakter der neuen Leichtbauhallen. Sicherheit, Wärmedämmung, Aufteilung in Kabinen – „mit herkömmlichen Zelten sind diese Unterkünfte nicht zu vergleichen“, so IB-Sprecher Peter Schulz. Trotz ihrer Stabilität seien die winterfesten Zelte zudem leicht demontierbar.
Eine rasche Demontage wird aber wohl vorerst kein Thema sein. Das zeigen die jüngsten Zugangszahlen der Flüchtlingsstatistik. Jeder einzelne Unterbringungsplatz wird dringend gebraucht. Im November registrierte die Sozialbehörde fast 2000 Neuankömmlinge. Als die Verwaltung am Dienstag in der Fachdeputation den aktuellen Stand mitteilte, lautete die Zahl der 2015 aufgenommenen erwachsenen Flüchtlinge plus Familienmitgliedern noch 9663. Einen Tag später hatte sie sich der 10 000er-Marke schon weiter genähert, nämlich auf 9730. Das ist deutlich mehr als die Summe aller Zuzüge, die von 2009 bis 2014 in Bremen registriert wurden, nämlich 5028. Bei den unbegleiteten jugendlichen Ausländern – im Amtsjargon als UmA abgekürzt – ist die Zahl wegen eines zwischenzeitlichen Systemswechsels bei der Zuweisung an die Kommunen schwer anzugeben. Für das laufende Jahr liegt sie jedoch in jedem Fall über 2000.
Bremen gilt schon seit längerem unter jugendlichen Migranten als beliebtes Ziel. Die Stadt hat in dieser Altersgruppe ihre Aufnahmequote weit übererfüllt, nämlich zu 420 Prozent. Dieser sogenannte „Belastungsvortrag“ wird Bremen vom Bund für 2016 gutgeschrieben. Das heißt: Es werden zwar voraussichtlich auch im kommenden Jahr wieder zahlreiche jugendliche Flüchtlinge in der Stadt ankommen, doch die Sozialbehörde kann sie anderen Bundesländern zur endgültigen Aufnahme zuweisen – von Härtefällen abgesehen. Bei der Unterbringung dieser Personengruppe rechnet die Sozialbehörde daher mit einer deutlichen Entspannung.
Bei der Prognose für die Entwicklung des Flüchtlingszustroms im kommenden Jahr tut sich die Sozialbehörde verständlicherweise schwer. Sie hat in Modellberechnungen mehrere Szenarien durchgespielt – je nachdem, ob die Zugangszahlen sich wieder auf dem Niveau vor den Ereignissen des Monats September einpendeln oder so bleiben wie zuletzt. Für das Land Bremen scheine „eine etwas konservativere Annahme von 12000 Zuzügen vertretbar zu sein“, heißt es in einem Papier der Verwaltung. Die Zahl ist auf Erwachsene und Familien bezogen. Auf die Stadt würden dabei rund 9600 Personen entfallen.
Unterdessen hat die Sozialbehörde entschieden, ab Mitte kommender Woche erneut auf die Messehallen als Flüchtlingsquartier zurückzugreifen. Das erklärte Staatsrat Jan Fries. Im Frühjahr hatte die Verwaltung erstmals diese öffentliche Immobilie in Anspruch genommen. Die Messehallen rücken nun wieder verstärkt ins Blickfeld, weil die Sozialbehörde die Zeltkapazitäten in der kalten Jahreszeit auf ein unvermeidbares Minimum absenken möchte. 250 Menschen sollen nach dem gegenwärtigen Stand zeitweilig in Teilen des Veranstaltungszentrums einquartiert werden. „Wir wollen es den Flüchtlingen und auch den Rettungsdiensten ersparen, bei Unwetter die Zelte wieder evakuieren zu müssen“, so der Staatsrat. Gegenwärtig existieren im Stadtgebiet rund 1700 Plätze in Zelten, unter anderem in Oberneuland, Blumenthal und an der Universität. Mit den Zelten neuen Typs wird die Zahl auf rund 2100 steigen.
Flüchtlinge ziehen in Bremer Kirche
40 Flüchtlinge werden am Donnerstag dieser Woche zudem in das katholische Kirchengebäude St. Benedikt an der Butjadinger Straße in Woltmershausen einziehen. Es gehört zur Kirchengemeinde St. Franziskus. Es sei die erste Kirchengemeinde in Bremen, die ihr Gotteshaus für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellt, teilt die Sozialsenatorin Anja Stahmann mit. St. Benedikt soll für ein Jahr zur Notunterkunft werden.

Die katholische Kirchengemeinde St. Franziskus hat ihr Gebäude an der Butjadinger Straße in Woltmershausen für die Unterbringung von 40 Flüchtlingen hergerichtet.
"Wir haben Wert darauf gelegt, dass die Flüchtlinge vorab informiert werden, dass sie in eine Kirche ziehen. Keiner soll gegen seinen Willen verlegt werden", sagte die Sprecherin des katholischen Gemeindeverbands, Martina Höhns, am Mittwoch. Die Caritas wird die Unterkunft betreiben. Sie hat in den vergangenen Wochen die Kirchenbänke rausräumen lassen, den Altar abgedeckt und Toiletten- und Duschcontainer aufgestellt. Die Gemeinde wird stattdessen einen Raum im Gemeindehaus für ihre Gottesdienste nutzen. (mit Material von dpa)