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Wie Firmen neue Kollegen suchen Suche Fachkraft, biete Wertschätzung

Arbeitgeber müssen sich viel einfallen lassen, um Mitarbeiter für ihr Unternehmen oder ihre Organisation zu interessieren. Die Ideen sind vielfältig, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen.
12.03.2018, 21:52 Uhr
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Von Sylvia Wörmke

Bremen-Nord/Umland. Er zerschlug eine Scheibe, stellte diese Aktion auf Youtube und landete einen Internet-Hit. Ein Glasermeister aus Debstedt erhielt Millionen Klicks und auch Bewerbungen auf seine zwei ­Ausbildungsplätze aus ganz Deutschland. Bäcker, Erzieher, Wissenschaftler, Pflegepersonal – Fachkräfte fehlen in allen Branchen. Das weckt die Kreativität der Unternehmen. Sie müssen heute mehr anbieten als die Konkurrenz und auf sich aufmerksam machen. Die Ideen, Fachkräfte zu halten oder zu bekommen sind vielfältig.

Der Einzelhandelskonzern Rewe wirbt in seinen Filialen in Durchsagen damit, dass Auszubildende ein eigenes Tablet als Arbeitsmaterial erhalten. Das können sie nach der Prüfung behalten. Auch mit Mofas, Dienstfahrzeugen, Rädern auf Firmenkosten, die Nutzung firmeneigener Ferienhäuser, Hilfe bei der Wohnungssuche, ein Wohnheim für Auszubildende oder einer geschenkten Reise nach New York wird versucht, Auszubildende für ein Unternehmen zu interessieren. Letztere bot ein Bäcker aus dem Kreis Harburg an.

Bäckermeister Timo Behrens aus Pennigbüttel (Kreis Osterholz) bestätigt, dass Firmen Anreize schaffen müssen. Er hat im Laufe der Jahre festgestellt, „dass sich die Verhältnisse verschoben haben“. In allen Branchen, aber besonders im Handwerk. Behrens hat seine eigene Art, für die Berufe in der Backstube oder hinter den Verkaufstresen seiner Filialen im Landkreis Anreize zu schaffen. In Kooperation mit der Handwerkskammer bietet er zum Beispiel jungen Leuten an, am berufsübergreifenden EU-Auslandspraktikum teilzunehmen. Zumeist in Norwegen oder Italien.

Behrens erwartet dafür, dass sie sich in Bäckereien umschauen und ihren Horizont erweitern. Er bezahlt auch Auszubildenden im Verkauf den Führerschein, damit sie von einer seiner Filialen zur anderen gelangen können. Vor allem setzt der Bäckermeister auf die sogenannten Soft-Skills, die weichen Faktoren, von denen er glaubt, dass Unternehmen damit punkten können. Das sind für ihn unter anderem ein gutes Betriebsklima, eine gute Arbeitsatmosphäre, dass viel in die Mitarbeiter investiert wird, Schulungen zum Beispiel, und ein fairer Umgang.

Jörg Nowag, Sprecher der Agentur für Arbeit, unterstreicht das: „Die Unternehmen müssen für ein gutes Betriebsklima sorgen. Es geht darum, ob die Arbeitnehmer als Person wertgeschätzt werden. Anerkennung spielt auch eine massive Rolle.“ Und: „Es ist nicht unbedingt das Geld.“

Die Rahmendaten müssten stimmen. „Es gibt inzwischen Untersuchungen, dass die Arbeitsatmosphäre vor dem Geld steht.“ Er bezweifelt darum, dass ein Sachgut wie ein Tablet oder ein Mofa jemanden dazu bewegen, sich an eine Firma zu binden. „Eine Zeitungsanzeige reicht heute aber allein nicht mehr aus“, geht er auf den Arbeitsmarkt ein, der so ganz anders geworden ist, als noch vor Jahren, als Arbeitgeber aus einem Überangebot auswählen konnten. Es habe einen massiven Wandel gegeben. „Auch die Suche nach Auszubildenden ist kein Selbstläufer mehr.“

Heute geht es um die Bedürfnisse der Arbeitnehmer. Es geht auch um flexible Arbeitszeitmodelle, unbefristete Verträge, um die Altersvorsorge, um Anzahl der Urlaubstage, um Fortbildungsmöglichkeiten, um die Art des Unternehmens oder der Organisation. Aufgrund der Bedürfnisse der Belegschaft baut zum Beispiel die Lethe ­Exterior Doors GmbH, die sich am Standort Schwanewede nicht vergrößern kann, nun in Blumenthal ein neues Gebäude. Niederlassungsleiter Axel Kruse begründet das für den Spezialisten für Schiffs­türen damit, auf Fachkräfte angewiesen zu sein. Man sei davon ausgegangen, dass viele der Beschäftigten einen Firmenumzug weiter weg vom alten Standort aufgrund längerer Fahrtzeiten nicht mitgemacht hätten.

Die ASB Ambulante Pflege GmbH sucht gerade für den ambulanten Pflegedienst in Bremen-Nord die „Superhelden-Pflegekraft“. Geboten werden: „Wertschätzung, Weihnachts- und Urlaubsgeld, ein Loyalitätsbonus, ein Kindergartenzuschuss, zusätzliche Altersvorsorge, Massage, Yoga, Firmenfitness“. Das SOS-Kinderdorf Worpswede spürt den Fachkräftemangel seit Jahren. „Es ist sehr viel schwerer geworden, qualifiziertes Personal zu bekommen“, sagt Sonja Oelfke, Sprecherin der Einrichtung. Sie spricht von einem Arbeitnehmermarkt. Darum ist das SOS-Kinderdorf nun in Bremen-Nord mit einem Speed-Bewerber-Dating neue Wege gegangen.

Für die neue heilpädagogische Kinderwohngruppe in der Furtstraße in Grohn, die im August eröffnet wird, werden Heilpädagogen, Erzieher und Sozialarbeiter gesucht. Mit dieser anderen Form des Vorstellungsgespräches möchte die Kinderhilfsorganisation bürokratische Hürden abbauen. Nur der Lebenslauf musste mitgebracht werden und die Bewerber und Bewerberinnen erhielten die Möglichkeit, Fragen zu stellen, SOS-Kinderdorf-Mitarbeiter kennenzulernen und Informationen über die unterschiedlichen Angebote und Zusatzleistungen des Arbeitgebers zu erhalten.

Dass die Neuorientierung bei der Suche nach Fachkräften wichtig ist, belegt die SOS-Kinderdorf-Sprecherin mit Zahlen einer Studie vom Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/Technische Universität Dortmund. Der Personalbedarf in der Kinder- und Jugendbetreuung in Deutschland bis zum Jahr 2025 liegt demnach bei 603 000 ­Stellen, davon können nur 274 000 besetzt werden.

Auch in anderen Berufen hat man inzwischen festgestellt, dass die Außenwahrnehmung bei einigen Branchen (Sanitär- und Heizung, Schornsteinfeger) oft alten Vorstellungen entspricht. Dass in diesen beiden Berufszweigen heute viel technisches Know-how verlangt wird, ist oft nicht bekannt.
Das Lesumer Unternehmen Vector Foiltec, Weltmarktführer mit transparenten Kunststoff-Dächern und -Fassaden, wirbt um Fachkräfte mit dem Unternehmen. „Unser Pfand ist das Unternehmen“, sagt Carl Maywald, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung. Er weiß, dass Bremen bei Fachkräften nicht mit Hamburg oder München als Wohn- und Arbeitsort konkurrieren kann. „Bremen bekommt keine guten Noten.“ Darum pendeln auch drei Mitarbeiter täglich von Hamburg nach Lesum. Der spannende Arbeitsplatz bei Foiltec, erzählt Maywald, hat auch bei ihm selber Eindruck gemacht. Darum hat er vor Jahren die Stelle in Lesum angenommen.

Das Unternehmen arbeitet eng mit der ­Jacobs University sowie Universitäten und Instituten in Duisburg und Essen zusammen. Studenten sammeln bei Vector Foiltec praktische Erfahrungen. Maywald betreut sie auch bei Bachelor- und Masterarbeiten. Auf diese Weise kamen neue Mitarbeiter dazu. „Und wenn wir sie nicht halten können, sind sie gute Botschafter für uns.“ Maywald betont die „große Offenheit des Unternehmens anderen Kulturen gegenüber“. Viele unterschiedliche Nationen arbeiten bei Vector Foiltec. Auch Geflüchtete. Ein junger Syrer ist gerade als technischer Zeichner und Konstrukteur angestellt worden. Er will parallel dazu studieren.

Auch die Fassmer-Werft in Berne bietet jetzt ganz neu für Abiturienten einen ­dualen Bildungsgang an, also die Kombination aus praktischer Berufsausbildung und Studium.

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