Nach mehr als einem Jahr teilweise schwieriger Verhandlungen haben sich der Martinsclub Bremen und die Gewerkschaften Ver.di und GEW auf den ersten Tarifvertrag für die rund 580 Martinsclub-Mitarbeiter geeinigt. Der Übergang in die tarifliche Bezahlung kostet den Martinsclub allein in diesem Jahr zusätzlich rund 900 000 Euro.
Die tariflosen Zeiten für die rund 580 Mitarbeiter des Bremer Martinsclubs sind vorbei. Der Haustarifvertrag, den gestern Vormittag Martinsclub-Vorstand Thomas Bretschneider sowie Ver.di-Gewerkschaftssekretär Uwe Schmid und Christian Gloede von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) präsentierten, öffnet ein neues Kapitel für die Beschäftigten des Sozialträgers. Mit der Regelung, die sich an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst anlehnt, stehen den Angestellten Jahressonderzahlungen ebenso zu wie gestaffelte Gehaltsanpassungen nach Betriebszugehörigkeit und Krankengeld- beziehungsweise Altervorsorgezuschüsse. Der Vertrag gilt bis 2017. Die Tarifabschlüsse für den öffentlichen Dienst werden übernommen.
Anfang vergangenen Jahres hatten die Verhandlungen begonnen, nachdem kurz zuvor der tariflose Zustand des Martinsclubs – immerhin einer der größeren Arbeitgeber in Bremen – Gegenstand einer kritischen Auseinandersetzung in der Bremischen Bürgerschaft gewesen war.
Die Verhandlungen gestalteten sich nach übereinstimmender Darstellung der Vertreter von Gewerkschaften und Martinsclub schwierig, denn der eingetragene Verein, der seine sozialen Aufgaben im Auftrag des Landes Bremen erledigt, verfügt praktisch über kein eigenes Geld. 98 Prozent des Jahresetats in Höhe von zwölf Millionen Euro seien durchlaufende Mittel der Landesbehörden für Soziales und Bildung, sagte Bretschneider.
Davon würden 80 Prozent ausschließlich für Personal ausgegeben. Da sei nicht viel Spielraum, sagte der Vorstand: „Trotzdem kämpfe ich um Gehälter für die Beschäftigten, von denen die leben können.“
Die Verhandlungen zwischen den Tarifparteien mussten in kontinuierlicher Abstimmung mit den geldgebenden Behörden geführt werden – angesichts von rund 900 000 Euro zusätzlicher Personalkosten, die laut Bretschneider mit dem Einstieg in den Tarifvertrag allein in diesem Jahr anfallen. Dabei mussten „auch Kröten geschluckt werden“, sagte GEW-Vorstandssprecher Gloede. Eine davon schlägt sich bei der Schulassistenz nieder, die das größte Arbeitsfeld des Martinsclubs darstellt: Ein neu eingestellter Schulassistent wird für die Betreuung eines Kindes beim Schulbesuch künftig bis zu 600 Euro weniger verdienen als sein Kollege, der das schon über mehrere Jahre macht.
Grund ist der Sparzwang der Behörde, die bei der Finanzierung des Vereins durchschlägt. Prinzipiell akzeptiert Vorstand Bretschneider jedoch, „dass wir uns nach der Decke strecken müssen“.
Allerdings nannte der Vorstand zwei Grundsätze, mit denen er auch künftig nicht brechen wolle: Er werde nicht ungelernte Kräfte anstelle qualifizierter Mitarbeiter im Bereich der Schulassistenz arbeiten lassen, damit es für den Kostenträger billiger werde, sagte Bretschneider. Und der Martinsclub werde Aufträge zurückgeben, die aus vorhandenen Mitteln nicht zu finanzieren seien. Seine Begründung: „Wir erzielen auf keinem unserer Arbeitsfelder Überschüsse, mit denen wir andere Bereiche querfinanzieren können. Deshalb müssen wir von Beginn an genau kalkulieren.“
Seit 1973 Unterstützung von Behinderten im Alltag
n Der Martinsclub Bremen unterstützt seit 1973 behinderte Menschen im Alltag. Angestellte und ehrenamtliche Helfer arbeiten dabei in fünf Fachbereichen. Der weitaus größte Bereich ist die „Assistenz in Schulen“, mit der behinderten und förderbedürftigen Kindern der Schulbesuch ermöglicht wird.
Weitere Fachbereiche sind „Bildung und Freizeit“ (Kurse und offene Angebote für Menschen mit und ohne Behinderungen), „Wohnen“ (Wohntraining und ambulante Betreuung), „Ambulante Hilfen“ (Hilfe in der Familie und pädagogische Beratung) sowie „Pflege“ (Betreuung von mehrfach und schwer behinderten Menschen).