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"Heartbreak Hotel" im Viertel Theater zwischen Tresen und Zigarettenautomat

Der Wirt der Steintor-Kneipe Heartbreak Hotel, Felix Rieder-Grundmann, steht als Hauptdarsteller einer schwarzen Komödie auf der hauseigenen Theaterbühne; inszeniert unter dem Label "Theaterpunk".
21.08.2018, 19:44 Uhr
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Von Christiane Mester

Padraic ist Terrorist und so durchgeknallt, dass die IRA ihn nicht wollte, erfahren die Kneipengäste. Im Heartbreak Hotel werden sie Zeugen sadistischer Folterspiele, bis es gleich darauf zum Schreien komisch wird. Mit der schwarzen Komödie „Der Leutnant von Inishmore“ wird die Absturzkneipe im Steintor zur Bühne – und der Wirt zum Schauspieler: Felix Rieder-Grundmann spielt Mairead, die weibliche Hauptrolle. Das ist „Theaterpunk“ des Bremer Regisseurs Jonathan Prösler.

Es ist eng, laut und stickig im Heartbreak Hotel. Das allein ist noch nichts Ungewöhnliches. Das weiß jeder, der in diesem Lokal schon mal zu früher Stunde gestrandet ist. Und doch ist alles anders: Wo sonst der Alkohol in Strömen fließt, ergießt sich an diesem Abend eine Kunstblutsauerei. Sechs Darsteller in weißer Feinripp-Unterwäsche, geben sich in vertauschten Geschlechterrollen absurden Dialogen hin, bis es Tote gibt. Schauplatz des mörderischen Spiels ist ein Landhaus auf Inishmore, einer winzigen Insel vor der Westküste Irlands.

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Padraic, die Hauptfigur, genießt das Foltern, und das Publikum ist hautnah dabei. Soeben hat er seinem Opfer zwei Zehennägel ausgerissen und stellt es nun vor die Wahl, von welcher Brustwarze es sich verabschieden will. Da klingelt sein Telefon. Padraic erfährt, das seine Katze angeblich krank ist, und plötzlich wird der harte Kerl so weich wie Frühstücksbutter. Den Tränen nahe, beschließt er sofort nach Inishmore zurückzukehren, um dort nach seinem geliebten Stubentiger zu sehen.

Die Kneipenbesucher finden sich im wahnwitzigen Alltagsleben einer Gruppe verstörter Terroristen wieder. Ihre Haustiere bedeuten ihnen mehr als Familienbande oder die Loyalität zu ihren Kampfgefährten. Ein Leben zählt gar nichts, es sei denn, es geht um eine Katze. Es herrscht Lagerkoller im Landhaus, die Nerven liegen blank. „Peng!“, brüllt Felix-Rieder Grundmann in einer Lautstärke, die einem Zechpreller auf der Flucht das Blut in den Adern augenblicklich schockfrosten könnte. In seiner Rolle als Mairead schreckt der Wirt die Gäste auf. Die junge Frau schießt auf Kühe. Sie will sich einen Namen machen, um Mitglied der Irischen Nationalen Befreiungsarmee zu werden.

"Alles, worauf wir Bock haben"

In der Gruppe selbst ist der Befreiungskampf allerdings längst zur Worthülse verkommen. Man ist mit sich selbst beschäftigt, und schon die kleinste Meinungsverschiedenheit ufert in rohe Gewalt aus. Drohen und bedroht werden – das ist das irre Spiel, das die sechs Darsteller im Heartbreak Hotel zwischen Tresen und Zigarettenautomat entfalten. Das Publikum sitzt auf Bierkisten, und in der Enge des Raumes rückt die Gefahr näher als ein aufdringlicher Gast an einem gewöhnlichen Kneipenabend. Jeder kann zur Zielscheibe werden. Das Fadenkreuz tragen die Akteure wie ein Tattoo auf dem Körper.

Inszeniert wird „Der Leutnant von Inishmore“ von Regisseur Jonathan Prösler unter dem Label „Theaterpunk“. 2014 hat er das gleichnamige Unternehmen mit seiner Kollegin Nina Zimmermann gegründet. „Darunter findet alles statt, worauf wir Bock haben“, bringt Prösler das Konzept des Labels auf den Punkt. Eine feste Schauspieltruppe gibt es nicht. In wechselnder Besetzung und an unterschiedlichen Orten führen sie moderne Stücke, aber auch Klassiker auf. Diesmal sind mit Andrea zum Felde, Ulrike Knospe, Hanna Markutzik und Susa Hannsen vier Berufsschauspieler dabei. Aber auch der Regisseur ist vom Fach.

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„Wenn es an der Schauspielschule nicht klappt, dann gibt es Heartbreak-Theater“, erzählt Jonathan Prösler von dem Plan, der schon vor zehn Jahren an der Bar geschmiedet wurde. Damals stand er selbst am Tresen und hat nächtelang Bier für die Gäste gezapft. Da war Inhaber Felix Rieder-Grundmann noch sein Chef – Ehrensache, dass der Kneipier mit von der Partie sein sollte. Das Studium in Berlin hat Prösler erfolgreich abgeschlossen, kam dann aber der Liebe wegen zurück nach Bremen. So wurde aus der Schnapsidee von einst, tatsächlich Realität.

"Härter als alle Typen im Stück zusammen"

An der Seite von Theaterpädagogin Shalün Schmidt als Padraic, gibt Schauspiel-Laie Rieder-Grundmann die Mairead ohne Rücksicht auf Verluste. Er spielt, tanzt und singt mit vollem Körpereinsatz. Sein Image als Größe im Bremer Nachtleben sieht er durch seine neue Rolle nicht gefährdet. „Ich bin eben ein moderner Mann“, sagt er grinsend und verweist auf seinen Doppelnamen. Nur eines ist Rieder-Grundmann wichtig: „Mairead ist härter als alle Typen im Stück zusammen, ich würde sie nie tuntig spielen“, erläutert er seine Interpretation der weiblichen Hauptfigur.

Seine Premiere hat Rieder-Grundmann schon hinter sich. Es ist sein dritter Auftritt als Mairead und das Stück bereits der zweite Teil einer Theatertrilogie. Teil eins, „Der Krüppel von Inishman“, läuft parallel weiter. Beide Handlungen spielen jeweils auf einer Insel und das mache das Ein-Raum-Lokal zum perfekten Spielort, erläutert Regisseur Prösler.

Weitere Informationen

Der „Theaterpunk“-Spielplan und die Termine weiterer Aufführungen sind unter www.theaterpunk.de abrufbar.

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