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Bremer Tiertafel stark gefragt Wenn der Hund zum Luxus wird: Hohe Kosten belasten Tierhalter

Steigende Lebenshaltungskosten treffen auch Haustiere hart. Die Bremer Tiertafel versorgt rund 400 Tiere, deren Besitzer die Kosten nicht mehr tragen können. Besonders die Tierarztkosten bereiten Sorgen.
18.03.2025, 05:00 Uhr
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Wenn der Hund zum Luxus wird: Hohe Kosten belasten Tierhalter
Von Justus Randt

Alles wird teurer: Wohnen, Energie, Lebens- und Futtermittel. Für Michael Kopp, den Vorsitzenden der Bremer Tiertafel, ist es „fast schon eine logische Folge, dass es dadurch den Tieren schlechter geht“. Rund 400 Hunde, Katzen und andere Tiere werden von der Tiertafel mithilfe von Spenden durchgefüttert, weil ihre Besitzerinnen und Besitzer dazu nicht mehr allein in der Lage sind. Das betrifft umso mehr die Tierarztkosten, die mit der 2022 erneuerten Gebührenordnung im Durchschnitt um 30 Prozent gestiegen seien, wie Heidi Kübler, Präsidentin der Landestierärztekammer Baden-Württemberg, schätzt. Zuvor war die Regelung letztmals 1999 nennenswert angepasst worden.
„Beim Aufnahmegespräch stelle ich oft fest, dass die Tiere noch nie beim Arzt waren“, sagt Michael Kopp. Viele angehende Tiertafelkunden fragten sofort nach, ob es Hilfe bei der medizinischen Betreuung ihrer Lieblinge gebe. „Viele wollen gerade deshalb Kunden werden.“ Er kann das gut verstehen: „Ich habe selbst Hunde, und ich gebe gefühlt das Doppelte beim Tierarzt aus als früher.“
Mit Futterspenden werde die Tiertafel zurzeit gut bedacht. „So können wir versuchen, Geld aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen umzuschichten für notwendige Tierarztversorgung.“ Zuschüsse fürs Krallenschneiden gebe es nicht, „Notfälle lassen wir aber nicht alleine, es gibt immer mehr Nachfrage.“

Tierhalter sind verpflichtet, Tiere medizinisch zu versorgen

Veterinärmedizinerin Tanja Ahlmann-Eltze aus der Tierarztpraxis im Steintor versucht für Kostentransparenz zu sorgen. „Wir sind zu acht und haben viel zu tun“, bestätigt sie den Trend zu mehr Haustieren und den Tierarztmangel. Bei der Diagnose taste sie sich Schritt für Schritt vor, um festzustellen, ob beispielsweise Röntgen, Ultraschall und Blutabnahmen erforderlich seien. Tanja Ahlmann-Eltze und ihre Kollegen empfehlen, eine Tierkrankenversicherung abzuschließen. Laboruntersuchungen gingen extra, ebenfalls Operationen, für die es wiederum eigene Versicherungen gebe.
Auch die Gesundheitsbehörde rät, sich darüber zu informieren. Besitzer und Besitzerinnen von Tieren sind tierschutzrechtlich dazu verpflichtet, ihre Schützlinge vor Leid zu bewahren und ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Und sie sollten „vor der Anschaffung eines Tieres mögliche Kosten von Beginn an mit einplanen“. Werde ein Hund krank, lägen die Behandlungskosten „schnell mal im vierstelligen Bereich“. Darauf seien gerade Sozialleistungsbezieher wie die Tiertafelkunden „oft nicht vorbereitet“, wie Michael Kopp sagt. „Die meisten haben keine Krankenversicherung für ihre Tiere, weil das recht teuer ist.“

Und selbst wenn doch, kann es Probleme geben, meint er mit Blick auf einen aktuellen Fall: „Eine Rentnerin hat uns um Hilfe gebeten, obwohl sie für ihren Hund Kranken- und OP-Versicherungen hat. Aber der Tierarzt will mit ihr abrechnen, und sie müsste die Operation vorfinanzieren, was sie nicht kann.“ Eine Umfrage der Tiertafel in Praxen habe ergeben, dass diese Vorgehensweise verbreitet sei, sagt Kopp. Sein Rat sei es, die Versicherung für teure Operationen zu behalten und für die allgemeine Behandlung beim Tierarzt Geld zurückzulegen, das sich dank Futterspenden der Tafel sparen lasse.

Vernachlässigte Tiere hat es immer schon gegeben, aber heute sind sie in vergleichsweise schlechterem Zustand.
Gaby Schwab, Sprecherin des Tierschutzvereins Bremen

Beschäftigte des amtlichen Tierschutzes, der bei der Gesundheitssenatorin angesiedelt ist, stellen „seit Jahren“ bei Kontrollen und nach Hinweisen fest, „dass die tierärztliche Behandlung kranker Tiere unterblieben ist, obwohl diese erforderlich gewesen wäre“. Oftmals gäben Tierhaltern an, dass sie „nicht in der Lage sind, die mitunter hohen Tierarztkosten zu tragen“.
Beim Tierschutzverein Bremen, der auch das Tierheim betreibt, das wiederum mit der Tiertafel kooperiert, ist das Phänomen bekannt: „Vernachlässigte Tiere hat es immer schon gegeben, aber heute sind sie in vergleichsweise schlechterem Zustand, wenn sie gefunden oder abgegeben werden“, sagt Sprecherin Gaby Schwab. „Die Leute gehen später zum Tierarzt oder gar nicht.“ Ihr ist klar, dass es da kaum Spielraum gibt: „Tierärzte müssen sich an die Gebührenordnung halten. Es sind ja alle Kosten gestiegen. Wir appellieren aber an die Praxen, notfalls Ratenzahlung zu ermöglichen.“

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Auch Tierärztinnen und Tierärzte und ihr Fachpersonal leiden zunehmend unter der Entwicklung. Im November des vergangenen Jahres hatten die beim Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen Beschäftigten ihren Jahresbericht in Form eines Hilferufs veröffentlicht: Im Außendienst erlebten sie Tiere in Not und Menschen in sozialen Krisen. Das alles sei sehr belastend.

Psychischer Druck auf Tiermediziner steigt

Der gemeinnützige Verein Vethilfe geht im Sommer mit einer Telefonhotline an den Start – geschult von der kirchlichen Telefonseelsorge. Tierärztin Maike de Rose aus Kleinmachnow in Brandenburg, eine der Mitgründerinnen, ist überzeugt davon, „dass 99,9 Prozent der Halter ihre Tiere lieben und das Beste für sie wollen – so wie wir unseren Beruf lieben“. Der Druck aber nehme stark zu.

Hintergrund der Telefonhotline sind die Ergebnisse einer Online-Umfrage von 2016 unter Tiermedizinern, die dieser Berufsgruppe unter anderem ein deutlich höheres Depressionsrisiko als der Allgemeinbevölkerung bestätigte. Seither, sagt Maike de Rose, sei nichts besser geworden: Menschen müssten lernen, dass es nicht damit getan ist, sich einen Hamster für fünf Euro zu kaufen.

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