Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Großes Treffen vor 80 Jahren Tropische Hitze bei der Reichskolonialtagung

Vor 80 Jahren war Bremen Gastgeber der Reichskolonialtagung und wollte es künftig immer sein. Dabei hatte Deutschland seine Kolonien zu der Zeit längst verloren.
25.05.2018, 19:44 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Tropische Hitze bei der Reichskolonialtagung
Von Frank Hethey

Die tropische Hitze passte zum Anlass: Die Temperaturen kletterten auf bis zu 30 Grad, als die Bremer Nachrichten am 27. Mai 1938 „die deutschen Kolonialkämpfer“ willkommen hießen. Aus ganz Deutschland strömten sie vor 80 Jahren herbei, die Mitglieder des Reichskolonialbundes (RKB). In 15 Sonderzügen waren sie angereist, um an der Reichskolonialtagung teilzunehmen – der ersten Mitgliederversammlung nach der Gleichschaltung zwei Jahre zuvor.

Recht zahlreich seien auch die Angehörigen „unserer früheren Schutztruppe“ vertreten, frohlockten die Bremer Nachrichten. In ihren braunen Khaki-Uniformen vermittelten sie dem Straßenbild „eine besondere Note“. Selbstbewusst meldeten sich die Gastgeber zu Wort: „Wir sind Nachkommen des ersten Geschlechts der deutschen Kolonialpioniere“, tönte zur Begrüßung NS-Senator Otto Bernhard. „Der Geist, der sie hinausführte über die Meere, in die Tropen und in andere Breiten, ist unser Geist.“

Seine Kolonien hatte Deutschland damals schon längst verloren. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg musste das Reich 1919 im Versailler Vertrag auf seine „Schutzgebiete“ in Afrika und Asien verzichten. Vom rein ökonomischen Gesichtspunkt betrachtet, war der Verlust eigentlich ein Gewinn. Denn wirklich profitabel waren die Kolonien nie gewesen.

Im Gegenteil: Die blutigen Kämpfe in Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika, heute Namibia und Tansania, hatten immense Kosten verursacht und dadurch die Kolonialeuphorie empfindlich gedämpft. Als Deutschland nach Niederschlagung der Aufstände versuchte, eine gemäßigtere Kolonialpolitik in Gang zu bringen, war es schon zu spät, nur noch wenige Jahre blieben bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Ironischerweise begeisterten sich viele Deutsche für „ihre“ Kolonien erst, als sie nicht mehr Teil des Reichs waren. Vor allem Bremen entdeckte bereits einige Jahre vor der NS-Machtübernahme seine Sendung als Vorreiter im Bestreben um die Rückgabe der Kolonien. Gern verwies man auf die Bremer Protagonisten bei der „Landnahme“ in Afrika, in erster Linie auf den Kaufmann Adolf Lüderitz. Als der gefeierte „Held von Deutsch-Ostfrika“, General Paul von Lettow-Vorbeck, 1924 eine neue Bleibe suchte, fand er willige Helfer in Bremer Kaufmannskreisen.

Bremen als kolonialer Vorreiter

Mit dem charismatischen General als Aushängeschild nahm der Kolonialrevisionismus an der Weser einen beachtlichen Aufschwung. Nicht zufällig wurde das „Reichskolonialehrenmal“ 1931 ausgerechnet in Bremen errichtet, schon allein die Namensgebung untermauerte den Bremer Alleinvertretungsanspruch als „Stadt der Kolonien“ – das Ehrenmal sollte ein nationales Denkmal sein, eine Pilgerstätte für Kolonialenthusiasten aus dem ganzen Reich.

An diese Vorgeschichte konnten die neuen NS-Machthaber nach 1933 nahtlos anknüpfen. Systematisch setzten die lokalen Parteigrößen alles daran, Bremens Ruf als „Kolonialstadt“ zu festigen und auszubauen. Dass das heutige Übersee-Museum ab 1935 als „Deutsches Kolonial- und Übersee-Museum“ firmierte, ist bezeichnend dafür. Ebenso wie der Drang, sich gegen die Hamburger Konkurrenz als Hauptstadt der kolonialen Bewegung zu etablieren. Da passte die Gastgeberrolle beim dreitägigen Kolonialtreffen 1938 optimal ins Konzept.

Und dabei sollte es nicht bleiben: Die Jahreshaupttagungen des RKB dürften künftig nur noch in Bremen stattfinden, forderte der Regierende Bürgermeister Heinrich Böhmcker im Juni 1938. Als „Geburtsstätte des kolonialen Gedankens“ habe Bremen ohnehin den „ersten Anspruch“ auf den Titel „Stadt der Kolonien“ – ähnlich wie Nürnberg als „Stadt der Reichsparteitage“ oder München als „Hauptstadt der Bewegung“.

Lesen Sie auch

Offiziell verliehen wurde der Titel freilich nicht mehr, der nächste Krieg kam dazwischen. Ob es NS-Deutschland jemals ernst meinte mit der geforderten Wiederherstellung des Kolonialimperiums, darf indessen mit Fug und Recht bezweifelt werden. Trotz anderslautender Bekundungen gab Hitler in Wahrheit nicht viel auf das deutsche Intermezzo als Kolonialmacht, sein koloniales Interesse galt der Eroberung von „Lebensraum“ im Osten.

Zur Sache:

Der Historiker Heinz-Gerd Hofschen hält am Dienstag, 29. Mai, ab 19 Uhr im Kulturhaus Walle, Schleswiger Straße 4, einen Vortrag zum Thema „Bremen und der Kolonialismus“. Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 4 Euro.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)