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Kein Platz im Hörsaal Uni mietet Hotelsaal für Vorlesung

Bremen. Platzmangel an der Uni Bremen: Für 3000 Euro pro Tag musste die Uni Bremen jetzt einen Saal im Atlantic-Hotel Universum mieten. Die Vorlesung mit 450 Studenten soll dort voraussichtlich fünfmal stattfinden.
11.04.2013, 05:00 Uhr
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Von Corinna Tonner

Bremen. Platzmangel an der Uni Bremen: Für 3000 Euro pro Tag musste die Uni Bremen jetzt einen Saal im Atlantic-Hotel Universum mieten. Die Vorlesung mit 450 Studenten soll dort voraussichtlich fünfmal stattfinden.

Das hat es an der Bremer Uni noch nie gegeben: Zum ersten Mal wurde ein Raum für eine Vorlesung gemietet. Soziologie-Professor Uwe Engel hielt seine Methoden-Vorlesung mit 450 Teilnehmern im Saal 1 des Atlantic-Hotels. Ursprünglich sollten noch zwei weitere Vorlesungen ausgelagert werden. Doch für die anderen beiden Termine wurden kurzfristig Räume innerhalb der Uni gefunden. "Wir hatten eine Doppelbelegung bei drei Großveranstaltungen", erklärt Uni-Sprecher Eberhard Scholz. "So ein Problem hatten wir bisher noch nie."

Dass sich die Lage zuspitzt, ist allerdings kein Zufall. Denn die Auslastung der rund 100 Räume für Lehrveranstaltungen beträgt 90 Prozent – und zwar von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends, von montags bis freitags. Martin Mehrtens, kommissarischer Kanzler und Verwaltungschef der Uni, betont: "Das ist eigentlich schon die Realisierung des Unmöglichen." Andere Universitäten wie etwa Osnabrück haben eine Raumauslastung von 50 bis 60 Prozent. Dadurch entsteht eine entsprechende Pufferzone, die es einfacher macht, die Lehrpläne so zu gestalten, dass die Studenten alle Lehrveranstaltungen besuchen können, ohne dass es zeitliche Überschneidungen gibt.

Karsten Lehmkuhl vom Veranstaltungsbüro der Uni ist verantwortlich für die Raumplanung. Mit zwei Kollegen in Vollzeit, drei Teilzeitkräften und einem Azubi verwaltet er die Räume für 5900 Lehrveranstaltungen. Die Anmietung des externen Hörsaals im Hotel hat er ganz offiziell für alle Anbieter ausgeschrieben. "Das ist vorgeschrieben, sobald die Kosten 500 Euro überschreiten", erläutert Lehmkuhl. Und dann habe er sich für das günstigste Angebot entschieden. Ein zentral angesiedelter Mitbieter wollte 4000 Euro pro Tag haben. Im Munte-Hotel war der Raum zu klein für 450 Personen. Bei dem städtischen Unternehmen Immobilien Bremen gab es einen entsprechend großen Raum nur in der Überseestadt. Die Fahrt dahin sei bei der engen zeitlichen Aufeinanderfolge der Seminare und Vorlesungen für viele Studenten zu lang, so Lehmkuhl. Außerdem: "Es fehlten Technik und Bestuhlung. Das hätten wir mieten müssen." Am teuersten war schließlich ein Zelt für 450 Personen, das man auf dem Campus hätte aufschlagen können: "Für acht Wochen sollte das Zelt 28000 Euro kosten. Mehrwertsteuer und Technik wäre noch dazu gekommen." Dass für eine Vorlesung erstmals externe Räume angemietet werden musste, betrachtet er als "Ausdruck der allgemeinen Misere".

Schuld an der Raumnot ist hauptsächlich die immer stärkere Ausdifferenzierung der Studiengänge im Zuge des Bologna-Prozesses, also der Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulstandards, argumentiert Kanzler Martin Mehrtens. Denn die Zahl der Studierenden ist seit Ende der 90er-Jahre nicht nennenswert gestiegen, von rund 18000 damals auf 20000 heute. Durch die kürzere Studienzeit – beim Bachelor sind drei Jahre vorgegeben – hat sich die Anzahl der Absolventen pro Jahr allerdings verdoppelt, von 1200 im Jahr 2004 auf 3300 im Jahr 2012.

Ein gutes Beispiel für die immer stärkere Ausdifferenzierung und damit die starke Zunahme der Seminare ist laut Uni-Sprecher Eberhard Scholz das Fach Germanistik: "Früher gab es nur das Fach Germanistik. Heute gibt es den Bachelor, den Master of Arts Germanistik, den Master Deutsche Literatur des Mittelalters und die Spezialisierung Mediavistik im europäischen Kontext." Insgesamt sind so seit dem Jahr 2000 aus rund 60 Studiengängen 100 geworden. Ein Schwerpunkt des Sanierungsbedarfs an der Uni sieht Kanzler Mehrtens vor allem in der Schaffung kleinerer Räume oder flexibel teilbarer Räume. Den finanziellen Rahmen für den Sanierungsbedarf veranschlagt die Uni laut Sprecher Scholz auf 200 Millionen Euro. Der Bremer Senat hat allerdings erst den "Einstieg in die Auflösung des Sanierungsstaus" mit dem Doppelhaushalt 2014/15 vorgesehen: Drei Millionen Euro soll die Uni im nächsten Jahr erhalten, sechs Millionen im Jahr darauf.

Dass der Hörsaal im Hotel für 3000 Euro pro Vorlesung nach teurem Luxus klingt, will David Ittekkot aus dem Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA) nicht abstreiten: "Ein schlichteres Umfeld wäre vielleicht angemessener gewesen." Die Verantwortung sieht er jedoch nicht bei den Organisatoren an der Uni: "Für die mangelnde Grundfinanzierung ist der Senat verantwortlich."

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