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Explosion in Ritterhude Unruhe nach dem Unglück

Die Explosion in einer Verbrennungsanlage in Ritterhude weckt Erinnerungen. In Bremen starben bei einem Brand in der Rolandmühle vor mehr als 35 Jahren 14 Menschen. Wie wahrscheinlich ist eine solche Katastrophe heute?
12.09.2014, 00:00 Uhr
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Unruhe nach dem Unglück
Von Alexander Tietz

Die Explosion in einer Verbrennungsanlage in Ritterhude weckt Erinnerungen. In Bremen starben bei einem Brand in der Rolandmühle vor mehr als 35 Jahren 14 Menschen. Wie wahrscheinlich ist eine solche Katastrophe heute? Die Behörden können solche Szenarien nicht ausschließen. Und sie wollen sich das Miteinander von Industrie- und Wohnanlagen genauer ansehen.

Als die Verbrennungsanlage des Unternehmens Organo-Fluid vor drei Tagen in Ritterhude in die Luft ging, haben viele Menschen in Bremen die Explosion mitbekommen. Die Detonation war vielerorts zu hören, an einigen Stellen konnte man sogar den Lichtkegel des Feuers in Ritterhude sehen. Inzwischen stellt sich die Frage, ob ein solches Szenario auch in Bremen möglich wäre, denn auch in der Stadt gibt es Industrieanlagen in der Nähe von Wohnhäusern.

"Ein Szenario wie in Ritterhude ist in Bremen denkbar"

„Selbstverständlich wäre ein Schadensszenario wie in Ritterhude auch in Bremen denkbar“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Innenbehörde. In Bereichen, in denen mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen werde, bestehe „trotz tief greifender Sicherheitsvorkehrungen“ das Risiko, dass es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen komme.

Die Explosion ereignete sich in einem Mischgebiet, in einem Bereich, wo laut der bundesweit geltenden Baunutzungsverordnung Wohnungen und Häuser sowie Gewerbebetriebe gleichberechtigt errichtet werden können. Solche Gebiete gibt es in Bremen ebenfalls. Die zuständige Baubehörde wolle aus den jüngsten Ereignissen in Ritterhude zunächst keine voreiligen Schlüsse ziehen, sagt deren Sprecher Jens Tittmann.

"Aufklärung der Unglückssache hat höchste Priorität"

Man stehe mit Vertretern in Ritterhude intensiv in Verbindung, die Aufklärung der Unglücksursache habe oberste Priorität. „Bevor nicht geklärt ist, was die Explosion auslöste, wäre jede Überlegung zu einer Maßnahme übereilt.“ Dennoch, so Tittmann, nehme man die Explosion im Bremer Umland zum Anlass, sich Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete in Bremen genau anzuschauen.

Die Nähe von Industriebetrieben und Wohnsiedlungen stand in Bremen in den vergangenen Jahren oftmals im Fokus. Nicht immer, weil von den Betrieben mögliche Gefahren ausgingen, sondern vielmehr, weil Anwohner unter Lärm oder verschmutzter Luft litten. Die Bremer Stahlwerke Arcelor-Mittal beispielsweise stehen nur etwa 1000 Meter entfernt von Häusern, Schulen und Sportplätzen. Der Betrieb der Anlage ist lärmintensiv, hin und wieder kommt es zum Ausstoß von Abgaswolken, die die Anwohner belasten. Es kam zum Dialog – das Stahlwerk veränderte daraufhin organisatorische Abläufe und rüstete technisch nach, um so die Emissionen zu reduzieren.

Konflikte zwischen Anwohnern und Industrie

Ein solcher Konflikt drohte auch im Zuge der Entwicklung der Überseestadt, in der beispielsweise das Unternehmen Kellog seit Langem eine Produktionsstätte unterhält. Um Streitigkeiten mit späteren Anwohnern zu vermeiden, haben sich Bauressort, Wohnungsbauer und Unternehmen vor Jahren schon auf einen Modus für das Miteinander verständigt. Wer in dieser Gegend eine Wohnung kauft oder mietet, erklärt sich mit einer Klausel in Grundbuch oder Mietvertrag einverstanden, die auf Beeinträchtigungen der Wohnqualität durch Industriebetriebe hinweist.

Noch sind nicht alle Auseinandersetzungen in der Stadt beigelegt. In Hemelingen etwa soll ein Müll-Lager der Firma "Pro Entsorga" entstehen. In dem Industriegebiet an der Hermann-Funk-Straße protestieren die Anwohner seit Langem gegen die Eröffnung des Zwischenlagers. Sie befürchten, dass die Wohnqualität in der etwa 200 Meter entfernten Siedlung leiden könnte. Am Montag wird der Beirat Hemelingen das Thema erneut besprechen. Die Politik hatte bereits eine Veränderungssperre zwischen der Funkschneise und der Elisabeth-Selber-Straße verhängt, um den Bau des Zwischenlagers zu verhindern.

Aus der Nähe von Wohnen und Industrie in Mischgebieten folgt nicht zwangsläufig, dass die Anwohner einer permanenten Gefahr ausgesetzt sind. Dennoch hat die Feuerwehr für den Ernstfall Notfallpläne in der Schublade. So gibt es eine Alarm- und Ausrückeordnung, die auf alle erdenklichen Szenarien ausgelegt ist. „Das reicht vom brennenden Mülleimer bis hin zum Flugzeugabsturz“, sagt Thomas Deckert, Schichtleiter in der Feuerwehr-Leitstelle. Bei einer Katastrophe stünden mehrere Hundert Einsatzkräfte innerhalb einer kurzen Zeit bereit. Deshalb, so der Schichtleiter zuversichtlich , „sind wir bestens gerüstet“.

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