Heute könnte es eigentlich ein guter Tag für Bernd Siems sein: An diesem Vormittag muss er keine Fäkalien und Scherben wegmachen, die irgendjemand über den Zaun auf den Kunstrasenplatz geworfen hat. Der Fußballchef der Sportgemeinschaft Aumund-Vegesack schaut trotzdem ernst. Auch dieser Tag ist eben doch kein guter. Diesmal haben Unbekannte die Flutlichtanlage manipuliert. So sagt es die Firma, die sie reparierte. Siems hat Anzeige erstattet. Wie so oft. Sportamt und Polizei bedauern den Vandalismus beim Stadion. Für die Behörde ist er beispiellos in Bremen. Nur wirklich helfen, meint Siems, kann sie nicht.
Der Chef der Fußballer steht auf dem Kunstrasenplatz und zeigt in alle Himmelsrichtungen. Dieses Flutlicht war aus, das daneben, das gegenüber und das in der hinteren linken Ecke. Eigentlich ging nur eins – und das nur schwach. Erst hatte Siems geglaubt, dass mehrere Strahler kaputt seien. Doch die Techniker, die kamen, sagten etwas anderes: dass Stromleitungen im Inneren eines Flutlichtmastes nicht mehr dort waren, wo sie sein sollten. Dass jemand ihn geöffnet hat, um einen Kurzschluss zu verursachen. Und dass derjenige genau wusste, was er macht, weil die Manipulation gefährlich ist. „Die Stromstärke“, sagt Siems, „ist bei einer Flutlichtanlage enorm.“
Nach seiner Rechnung kostet die Reparatur den Verein 700 Euro. Ein Sicherungsmodul musste ausgetauscht werden. Auch den Steiger, den die Techniker dabei hatten, hat die Sportgemeinschaft bezahlt. Fußballverband und Sportamt kamen für den Arbeitslohn der Techniker auf. Siems winkt ab. Im Vergleich zu dem, was der Vandalismus beim Stadion bisher gekostet hat, sind die 700 Euro wenig. Der Fußballchef hat es mal grob im Kopf überschlagen. Er kommt inzwischen auf 250 Vorfälle, die alle der Behörde und der Polizei gemeldet wurden – und auf mehrere Tausend Euro, die der Verein zum Schutz der Sportler ausgegeben hat.
In der Hoffnung, Fäkalien- und Scherbenwerfer abhalten zu können, wurde der Zaun um den Kunstrasenplatz auf sechs Meter erhöht. Auch Sicherheitskräfte, bezahlt von der Sportgemeinschaft, gibt es seit Längerem. Jetzt überlegt Siems, Videokameras installieren zu lassen. Die Genehmigung des Sportamtes für die Überwachung hat er nach eigenem Bekunden schon. Das Problem sind die Kosten – und die Ungewissheit, ob die Technik tatsächlich etwas bringt. Siems meint, dass der Verein zwischen 4000 und 5000 Euro für sie ausgeben müsste. Und dass das viel Geld ist, damit Vegesacker Fußballer können, was für Mannschaften in anderen Teilen der Stadt selbstverständlich ist: in Ruhe trainieren.
Dass gerade jetzt die Flutlichter ausgefallen sind, kommt für ihn nicht von ungefähr: „Die Vorbereitung auf die Saison hat begonnen.“ Der Kunstrasenplatz werde wieder vermehrt genutzt. 2009 kam das Spielfeld – und begann laut Siems der Konflikt mit den Nachbarn. Er spricht von Beschwerden von Anwohnern, von Klagen vor Gericht. Und davon, dass Vertreter der Behörde, des Ortsamts, des Beirats und der Polizei vor Ort waren, um sich zeigen beziehungsweise berichten zu lassen, was die Sportler immer wieder auf dem Gelände vorfinden und wegräumen müssen. Und was sie inzwischen routinemäßig mit der Smartphonekamera dokumentieren.
Fotos als Beweise
Es gibt mittlerweile so viele Fotos von zerbrochenem Glas und Fäkalien auf dem Spielfeld, von beschmierten Schaukästen und Kassenhäuschen, dass Siems gar nicht mehr sagen kann, wie viele. Bernd Schneider weiß, dass das Problem groß ist. Der Sprecher von Sportsenatorin Anja Stahmann (Grüne) sagt, dass es keinen anderen Verein in Bremen gibt, der so wie die Sportgemeinschaft Aumund-Vegesack mit Vandalismus zu kämpfen hat. „Wir sind uns dessen bewusst.“ Nur könne die Behörde nicht mehr tun, als Schutzmaßnahmen finanziell zu fördern. Um die Sicherheit der Sportler zu gewährleisten und die Fäkalien- und Scherbenwerfer zu überführen, seien die Innenbehörde und die Polizei zuständig.
Siems hat das schon oft gehört. Genauso die Antwort von Beamten, warum es ihrer Ansicht nach so schwierig ist, den oder die Täter zu erwischen. Vor Monaten, als Unbekannte nicht nur Fäkalien auf den Sportplatz, sondern auch gegen ein Bürogebäude geworfen hatten, führte die Polizei zwei Gründe an: Die Unbekannten könnten sowohl leise als auch schnell handeln. Deshalb habe es auch noch keine Hinweise aus der Bevölkerung gegeben. Was die Polizei bisher unternommen hat und künftig unternehmen will, damit der Vandalismus beim Vegesacker Stadion aufhört, ist unklar. Eine Stellungnahme dazu gab es von ihr am Mittwoch nicht.
Stattdessen war der Chef der Fußballer ein weiteres Mal auf der Wache. Nicht noch mal wegen der manipulierten Flutlichtanlage, sondern in eigener Sache. Unbekannte haben eine Weinflasche auf sein Auto geschleudert. Auch von diesem Vorfall gibt es Fotos. Sie zeigen ein gesplittertes Seitenfenster, Dellen im Rahmen, Beulen im Blech und die Scherben samt Etikett. Den Wagen hatte Siems auf dem Vereinsgelände geparkt.