Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Gedenkveranstaltung zum 78. Jahrestag der Pogromnacht / Warnung vor Populisten in der heutigen Zeit Von Aumund in die Todeslager

Aumund. Dieser Tag habe mit einem Schock begonnen, sagen Gerd Meyer und Rolf Rübsam am Abend dieses 9. November vor der Gedenkstätte auf dem Jacob-Wolff-Platz.
11.11.2016, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Klaus Grunewald

Aumund. Dieser Tag habe mit einem Schock begonnen, sagen Gerd Meyer und Rolf Rübsam am Abend dieses 9. November vor der Gedenkstätte auf dem Jacob-Wolff-Platz. Der Leiter der Internationalen Friedens­schule Bremen und der Lesumer Historiker erinnern ebenso wie der Sprecher des Vegesacker Beirats, Jürgen Hartwig, an die Pogrom­nacht der Nazis vor nunmehr 78 Jahren, der 76 Bürger aus dem heutigen Bremen-Nord zum Opfer fielen. Mit dem Schock in der Morgenstunde aber meinen sie die Wahl von Donald Trump zum US-amerikanischen Präsidenten.

Das heutige Gedenken an die Mitbürger jüdischen Glaubens, die Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft wurden, werde aktuell von schrillen Tönen begleitet, warnte Meyer am Dienstagabend und fügte unter Hinweis auf die Wahl von Trump an: „Populisten und gefährliche Vereinfacher sind wieder auf dem Vormarsch.“ Und Rolf Rübsam erinnerte an eine Mahnung des Schriftstellers Siegfried Lenz (1926-2014): „Vergangenheit hört nicht auf, sie überprüft uns in der Gegenwart.“ Die Vergangenheit vor ­exakt 78 Jahren im damals preußischen Aumund liest sich so: SA-Schergen stecken die Synagoge der jüdischen Gemeinde Aumund-Blumenthal-Vegesack in Brand. Insgesamt 76 Menschen, unter ihnen auch Ostfriesen, die im Norden von Bremen eine Heimat gefunden haben, werden gefangen genommen und deportiert. Vier Jahre nach der Reichspogromnacht kommen sie in den Konzentrationslagern von Minsk und Theresienstadt qualvoll zu Tode. Unter ihnen Jacob Wolff, der letzte Vorsteher der Jüdischen Gemeinde für Vegesack und Umgebung, nach dem der Platz an der Neuen Straße/Ecke An der Aumunder Kirche benannt worden ist.

Wolff starb am 11. Dezember 1942, wenige Wochen nach seiner Einlieferung in das KZ Theresienstadt. Die von der Bildhauerin Clarissa Dietrich neu gestaltete Gedenkstätte erinnert an die Gräueltaten des Hitler-Faschismus, dem in der Nacht zum 10. November 1938 auch der Platjenwerber Leopold Sinasohn sowie das Ehepaar Martha und Dr. Adolf Goldberg aus Burgdamm zum Opfer fielen. Sie wurden von SA-Leuten aus den Betten geholt und ermordet.

„Was hier vor 78 Jahren geschah, ist unfassbar“, sagt der Vegesacker Beiratssprecher Jürgen Hartwig (SPD) während der Gedenkveranstaltung vor dem Mahnmal, zu der sich rund 30 Bürger eingefunden haben. Rund 150 Schaulustige, so Hartwig, hätten die Zerstörung der Synagoge durch die Sturmabteilung (SA) verfolgt. Stumm, weil angeblich niemand zu protestieren wagte. Hartwig: „Sie trauten sich nicht, weil sie zur Autoritätsgläubigkeit erzogen und durch die nationalsozialistische Propaganda auch im Denken gleichgeschaltet waren“. Daraus seien Feindbilder, fehlende Zivilcourage, Hetze und Missachtung der Menschenwürde entstanden. Heute, so Hartwig, finde Volksverhetzung auf Facebook statt. Deshalb seien staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen zu begrüßen.

Rolf Rübsam, der zuvor die Namen der 76 verschleppten und ermordeten jüdischen Bürger aus dem Norden der Hansestadt verlesen hat, schildert wenig später im Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Alt-Aumund das bewegende Schicksal der Bremer Schwestern Dora und Henriette Bromberger. Die talentierte Malerin und die Konzertpianistin gehörten zu den 570 jüdischen Frauen, Männern und Kindern aus Bremen und dem Regierungsbezirk Stade, die vor 75 Jahren (am 18. November 1941) in Züge verfrachtet und nach Minsk transportiert und dort mit Peitschenhieben empfangen wurden. Anschließend mussten sie in Todeslagern Hunger, Kälte, Läuse und Wanzen und immer wieder Schikanen ertragen.

Am 31. Juli 1942 meldete Wilhelm Kubo, Generalkommissar für Weißruthenien (Weiß­russland), der Naziregierung in Berlin, dass 10 000 Juden liquidiert worden seien. Rolf Rübsam: „Die Lebensspur der Schwestern Bromberger führt nicht über dieses entsetzliche Geschehen hinaus.“

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)