Im Jahr 1950 sind weltweit etwa 1,5 Millionen Tonnen Plastik hergestellt worden. 1989 waren es bereits rund 100 Millionen Tonnen, und inzwischen bewegt sich die produzierte Gesamtmenge im Bereich von ungefähr 400 Millionen Tonnen pro Jahr. Manche Fachleute schätzen, dass am Ende etwa ein Drittel des Plastikmülls in Böden oder Binnengewässer gelangt. Auch die Meere bleiben nicht verschont. Nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts landen heute ungefähr 19 bis 23 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr in den Gewässern der Erde. Wie der Müll in die Arktis gelangt und was dies für das Nordpolargebiet bedeutet, zeigt eine Übersichtsstudie zum wissenschaftlichen Kenntnisstand, die jetzt im Fachjournal „Nature Reviews Earth & Environment“ veröffentlicht worden ist. Hauptautorin ist mit Melanie Bergmann eine Mitarbeiterin des Alfred-Wegener-Instituts.
Die Plastikteile, die im Arktischen Ozean, an den Stränden des Nordpolargebiets sowie in Eis- und Schneemassen zu finden sind, stammen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Quellen. So befördern Meeresströmungen Plastik aus dem Atlantik und der Nordsee in das Gebiet. Über die Beringstraße gelangt Plastik aus dem Nordpazifik dorthin, und auch Flüsse spülen das künstlich hergestellte Material in die Arktis. Auch Eis trägt zum Transport bei. Ein Beispiel: Vor Sibirien treibendes Mikroplastik - also Teile, die kleiner sind als fünf Millimeter – wird vom Eis eingeschlossen, wenn im Herbst das Meerwasser vor der Küste gefriert. Treibendes Eis bewegt sich in die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, wo es im Sommer schmilzt und das Plastik wieder freigibt. Andere Quellen der Umweltverschmutzung sind im Nordpolargebiet selbst zu finden. Der Müll von Schiffen gehört genauso dazu wie Abfälle und Abwässer aus arktischen Siedlungen.
Forscherin befürchtet langfristige Folgen
„Die Arktis wird noch immer als weitgehend unberührte Wildnis wahrgenommen. Mit unserer Übersichtsstudie zeigen wir, dass dieses Bild nicht mehr der Realität entspricht“, erklärt Melanie Bergmann. Zur Frage, was der Müll zum Beispiel für die Meereslebewesen des Nordpolargebiets bedeute, gebe es erst eine vergleichsweise geringe Anzahl von Studien. Anzunehmen sei jedoch, dass zu den Folgen gefressener Plastikteile dort wie anderswo auch ein verringertes Wachstum und ein geringerer Fortpflanzungserfolg gehörten. Tiere wie Robben oder Meeresvögel könnten sich in größeren Plastikteilen verheddern und verenden.
Dass sie dem Plastik auch mit Blick auf das Klima Bedeutung beimisst, unterstreicht die Wissenschaftlerin mit diesem Hinweis: Winzige Plastikteile in der Luft dienten als sogenannte Kondensationskerne, beeinflussten auf diese Weise das Wettergeschehen und damit langfristig auch das Klima. Kondensationskerne sind wichtig, weil sie Wassermolekülen die Möglichkeit bieten, sich zusammenzuballen und Tröpfchen zu bilden. Wolken können nur deshalb entstehen, weil sich in der Luft Wasserdampf befindet. Kühlt sich die Luft ab, bedeutet das, dass sie weniger davon aufnehmen kann. An einem bestimmten Punkt ist sie übersättigt, und der Wasserdampf kondensiert: Aus ihm wird flüssiges Wasser, das sich an schwebenden Teilchen beziehungsweise Kondensationskernen – darunter zum Beispiel auch Staub und Pollen – sammeln und nach und nach immer größere Tropfen bilden kann.