Kein „flächendeckender Asylbetrug“, wohl aber Manipulation in mehr als 100 Fällen – das ist das Ergebnis des internen Abschlussberichts der Prüfkommission zu den Vorgängen in der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), der am Montag im Innenausschuss des Bundestages beraten wurde. Damit wird ein Bild bestätigt, das sich bereits nach und nach zusammengesetzt hat: Der Bremer Bamf-Skandal als mutmaßliches Kriminalstück, das aber keinesfalls die Tragweite hat wie ursprünglich angenommen.
Vor allem, so der Bericht, handele es sich um ein „fehlgeleitetes Amtsverständnis der Akteure“. Gemeint sind Ulrike B., die frühere Leiterin der Außenstelle und „zwei bis drei“ Entscheider in der Behörde in Vegesack. Gegen B. ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, gegen das Asylgesetz verstoßen zu haben und wegen Bestechlichkeit. Beschuldigte sind außerdem drei Rechtsanwälte, darunter einer aus Bremen, ein Dolmetscher und ein Vermittler.
Seit Mai gibt es bei der Polizei die Sonderkommission „Antrag“, sie arbeitet heute mit 35 Beamten und wird noch auf 50 Mitarbeiter aufgestockt. Ulrike B. und die anderen Beschuldigten bestreiten sämtliche Vorwürfe. Die frühere Amtsleiterin soll mit den Anwälten gemeinsame Sache gemacht haben, um auch solche Asylbewerber durch das Verfahren zu schleusen, die keinen Anspruch hatten, als Flüchtlinge anerkannt zu werden. Bestechen ließ sich die Beamtin nach Ansicht der Staatsanwaltschaft unter anderem dadurch, dass die Anwälte Hotelkosten für sie übernahmen.
Es gab tatsächlich Asyl-Entscheidungen in der Bremer Bamf-Außenstelle, die laut Prüfbericht bewusst manipuliert wurden. Doch die Zahl ist mit 145 Fällen unter fast 13.000 überprüften Akten so gering, dass die Kontrolleure darin kein Komplettversagen der Verantwortlichen an der Weser sehen. Die Prüfer hatten seit Mai mehr als 18.000 Asylanträge, die seit dem Jahr 2006 in Bremen positiv beschieden wurden, unter die Lupe genommen.
Keine Anzeichen von Manipulationen
Die neue Leitung der Bamf-Zentrale mit Sitz in Nürnberg sprach sich in der Ausschusssitzung dennoch gegen eine Entwarnung aus: „Es hat in Bremen erhebliche Missstände gegeben“, sagte der neue Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer nach Teilnehmerangaben vor dem Gremium. Allerdings gilt das eben ausschließlich für Bremen. Denn die von Seehofer beauftragte Kontrolle zehn weiterer Bamf-Außenstellen, deren Anerkennungsquoten ebenfalls deutlich über oder unter dem Bundesschnitt lagen, ergab keine Anzeichen von Manipulationen.
Die Abweichungen seien vielmehr durch Fehler von teilweise schlecht ausgebildeten Mitarbeiter zurückzuführen, zudem habe es etliche Schlampereien in allen zehn untersuchten Außenstellen gegeben. Sie sind fast über ganz Deutschland verstreut, allerdings mit einer Ballung in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Insgesamt ist in dem internen Bericht von 1845 Fehlern unter 7600 stichprobenartig geprüften Bescheiden die Rede. Das hatte der „Spiegel“ vorab berichtet.
Das Bundesinnenministerium betonte am Montag, dass erste Konsequenzen aus dem Bremer Skandal, die Ressortchef Horst Seehofer bereits in der ersten Innenausschusssitzung zum Thema vorgestellt hatte, bundesweit bereits umgesetzt seien. Dazu zähle das „Mehr-Augen-Prinzip und der Abgleich zwischen den Außenstellen, die entweder ein deutliches Plus oder ein deutliches Minus an positiven oder negativen Bescheiden haben“, erklärte eine Sprecherin. Außerdem wird nach dem Zufallsprinzip jede zehnte Asylentscheidung des Bamf durch die zentrale Qualitätssicherung der Behörde zusätzlich überprüft.
Seehofer habe nach Bekanntwerden der Affäre eine umgehende Prüfung des Bundesrechnungshofes erbeten, der Außenstelle in Bremen untersagt, bis zum vollständigen Abschluss der Überprüfungen weitere Asylentscheidungen zu treffen, und „umfangreiche Maßnahmen zur Stärkung der Qualitätssicherung im Bamf angestoßen“, teilte das Ministerium mit. Aus Sicht von Seehofer sind seitdem Erfolge erzielt worden, wie er vor anderthalb Wochen bei einer Debatte im Bundestag sagte. Die Situation im Bamf sei sehr geordnet, und die Bremer Außenstelle könne bald wieder ihre Arbeit aufnehmen. „Auch darüber bin ich froh“, sagte der Minister.