Eine grüne Mitte, ein weitgehend rotes Stadtgebiet drumherum, das Ganze schwarz eingefasst an der ländlichen Peripherie – die Bundestagswahl hat Bremens politische Landkarte neu gezeichnet. Die SPD ist wieder erstarkt, ihr Zweitstimmenanteil beträgt jetzt auf Landesebene 31,5 Prozent. Die Grünen haben sich oberhalb der 20-Prozent-Marke etabliert, sie konnten ihr Ergebnis gegenüber 2017 nahezu verdoppeln. Die CDU ist mit 17,3 Prozent drittstärkste politische Kraft. Linke und AfD sind nicht mehr zweistellig, sie kommen nun auf 7,7 beziehungsweise 6,9 Prozent, die FDP liegt nahezu unverändert bei 9,3 Prozent.
Die Wahlbeteiligung hat sich gegenüber der Wahl vor vier Jahren ein wenig verbessert, und zwar um einen Prozentpunkt auf 71,8 Prozent – wobei es innerhalb des Bremer Stadtgebiets eine erhebliche Schwankungsbreite gab. Während etwa in der Östlichen Vorstadt 84,7 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ihre Stimme abgaben, lag der entsprechende Wert in Gröpelingen bei 55,9 Prozent. Insgesamt waren rund 460.000 Personen in Bremen und Bremerhaven wahlberechtigt, etwa 330.000 machten von diesem Recht auch Gebrauch. Nach Angaben von Landeswahlleiter Andreas Cors war der Anteil der Briefwähler diesmal signifikant höher als noch beim letzten Urnengang. Etwa 150.000 Personen gaben ihr Votum schon vor dem Wahlsonntag ab. In einigen Stadtteilen stieg der Briefwahlanteil im Vergleich zu 2017 geradezu sprunghaft an, etwa in der Neustadt – dort von 28,4 auf 51 Prozent.
Wer die Ergebnisse für die einzelnen Stadtteile anschaut, stößt auf interessante Details, die von den Parteien mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2023 sicher noch sorgsam analysiert werden. So stürzte etwa die CDU im bürgerlichen Schwachhausen regelrecht ab. Sie verlor in ihrer einstigen Hochburg fast elf Prozent und landete bei 19,3 Prozent – fast vier Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten. Stärkste Partei in Schwachhausen sind jetzt die Grünen mit gut 31 Prozent, auch die Liberalen punkteten in diesem Stadtteil überdurchschnittlich. Absolute Hochburg der Grünen ist nun die Östliche Vorstand. Dort legten sie um über 16 Prozent zu auf über 38 Prozent. Die Gewinne der Grünen gingen im Viertel offenbar stark zulasten der Linken. Hatten diese 2017 noch 25,8 Prozent errungen, so waren es am Sonntag 16,7 Prozent. Die SPD erreichte ihr stärkstes Resultat in Gröpelingen. Dort trennt sie noch ein halbes Prozent von der 40er-Marke.
Die Landesverbände von SPD, CDU, Grünen und FDP werden in den nächsten Deutschen Bundestag Mandatsträger entsenden, Linke und AfD scheiterten dagegen. Die amtierende Linken-Abgeordnete Doris Achelwilm und Olaf Kappelt, der für die AfD dem gegenwärtigen Abgeordneten Frank Magnitz nachfolgen wollte, kamen als jeweilige Listenführer nicht ins Ziel, weil der Zweitstimmenanteil ihrer Parteien zu gering war.
Wie einzelne Wählergruppen votiert haben, etwa Erstwähler, Männer und Frauen, Senioren, darüber konnte Cors am Montag im Rathaus noch keine Angaben machen. "Wir erwarten entsprechende Aussagen aus repräsentativen Erhebungen für den November", kündigte der Chef des Statistischen Landesamtes an.
Falsche Stimmzettel in Seehausen
Im Ortsteil Seehausen kam es am Sonntag zu einer Panne. In dem dortigen Wahllokal, das eigentlich zum Wahlkreis Bremen II/Bremerhaven gehört, lagen Stimmzettel für den Wahlkreis Bremen I aus. Auf ihnen waren deshalb die falschen Direktkandidaten aufgeführt, also beispielsweise Sarah Ryglewski statt Uwe Schmidt für die SPD und Thomas Röwekamp statt Wiebke Winter für die CDU. Der Fehler fiel erst am Sonntagnachmittag auf und wurde dann dem Landeswahlleiter gemeldet. Die Behörde erklärte nach vorläufiger Prüfung die Erststimmen auf 401 der insgesamt abgegebenen 409 Stimmzettel für ungültig. Acht Stimmzettel lagen offenbar in korrekter Form vor, sie wurden gewertet.
Hat der Vorfall praktische Konsequenzen für das Wahlergebnis in Bremen II? Cors glaubt das nicht. "Solche Dinge passieren", sagte er. Das Wahlgesetz treffe dafür Vorkehrungen: Die Erststimme auf dem fehlerhaften Stimmzettel werde annulliert und nur die Zweitstimme gewertet. Ohnehin sei das Wahlergebnis bei den Direktkandidaten im Wahlkreis Bremen II so eindeutig, dass die Seehauser Zahlen daran nichts ändern würden. Sollte es einen formellen Einspruch von Betroffenen geben, werde dieser Aspekt eine Rolle spielen. Weitere gravierende Vorfälle gab es laut Cors am Wahltag nicht – sieht man von zwei Konflikten mit Wählern in Bremerhaven ab, die sich weigerten, im Wahllokal eine Maske zu tragen. Cors: "Es wurde dann die Polizei gerufen, danach hat sich das schnell beruhigt."