Aufgereiht wie die Perlen einer Kette liegen die Boote am Ufer der Lesum. Große und kleine Segler, Motorboote und ab und an sogar eine Jacht. Es ist noch keine 15 Minuten her, dass wir den Bahnhof Burg verlassen haben und diesen Anblick genießen können. Das ist tatsächlich Bremen hier, Bremen-Nord, um ganz genau zu sein. Obwohl manche auch behaupten, dies hier sei die Riviera. Einigen wir uns auf Bremer Riviera, einst Rückzugsort der Reichen und noch heute ein Fleckchen, das mondän und herrschaftlich wirken kann.
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, warum sich reiche Kaufleute aus der Stadt Bremen im 19. Jahrhundert hier oben in Burglesum und St. Magnus Villen bauen und Parks anlegen ließen. Hier konnten die Herrschaften lustwandeln. Hier haben sie bei Konzerten der Musik gelauscht und an schönen Frühlings- und Sommertagen gepicknickt. Künstler haben sich von der Ruhe und Schönheit der Szenerie inspirieren lassen.
Die große Stadt Bremen ist weit weg – und doch so nahe. Diese Wanderung vom Bahnhof Burg vorbei an Knoops Park entlang der Lesum und später der Weser gewinnt ihren Reiz auch dadurch, dass man stets im Grünen ist, aber immer wieder daran erinnert wird, dass die große Stadt nicht fern liegt. Wie am Bremer Hauptbahnhof treffen sich auch am Bahnhof Burg die Verlorenen und Vergessenen der Gesellschaft, Drogenabhängige und Wohnungslose. Es sind von hier aus nur drei Minuten Fußweg zum Deichweg, und die grüne Natur hat den Wanderer buchstäblich verschluckt. Später auf der Strecke grenzt das Naturschutzgebiet Werderland zwischen der Moorlosen Kirche und dem Dunger See direkt an das Gelände des Stahlwerkes. Viel gegensätzlicher könnte es kaum sein, viel ursprünglicher aber auch nicht. Und man muss ja nicht ständig zum Stahlwerk hinüberschauen.
In Knoops Park

Admiral Brommy gibt dem Weg unterhalb von Knoops Park seinen Namen.
Wir sind frühmorgens unterwegs, und das scheint eine gute Idee zu sein, wenn man es ruhig liebt, denn das Leben in Knoops Park erwacht um diese Zeit erst so langsam. Hier ein Jogger, dort Hund und Herrchen beim Gassigehen, am Ufer der Lesum die ersten Angler, die ihre Ruten ausgeworfen haben. Später am Tag wird hier richtig etwas los sein, ideal sind die Bedingungen für Spaziergänger und Flaneure, Radfahrer und Skater und Familien mit Kindern.
Wir folgen dem Admiral-Brommy-Weg entlang der Lesum. Wer möchte und viel Zeit hat, kann hier aber auch einen Schlenker machen und Knoops Park erkunden, den einst der wohlhabende Kaufmann Baron Ludwig Knoop anlegen ließ, ein Schatz bis heute. Es gibt viel zu sehen, ein Programm, das für mehrere Stunden reicht: über 200 Jahre alte Eichen, exotische Pflanzen, Maulbeer- und Mammutbäume und natürlich die herrschaftlichen Häuser, Villa Schotteck oder Haus Lesmona, Haus Kränholm oder Haus Tillery.
Der Rundweg durch den Park ist barrierefrei. Er führt unter anderem zum Blindengarten, 1989 als Erster seiner Art in Deutschland gebaut, Pflanzen können hier in Hochbeeten ertastet und beschnuppert werden. Für Familien mit Kindern ein Muss: der Spielplatz bei Stromwinkel direkt an der Lesum.
Leidgeprüftes Gotteshaus

Das heutige Gebäude ist das dritte Gotteshaus an dieser Stelle.
Sie stand oft unter Wasser, hat Deichbrüche und Sturmfluten erlebt. Sie ist im Laufe der Jahrhunderte in Kriegen zerstört und von Soldaten ausgeraubt und geplündert worden. Aber sie nicht gewichen. Heute schützen hohe Spundwände zur Flussseite hin die Moorlose Kirche vor Hochwasser. Und so ganz richtig ist es nicht, wenn man sagt, sie sei nie gewichen. Denn tatsächlich ist das heutige Gebäude, im neugotischen Stil erbaut, das dritte Gotteshaus an dieser Stelle. Vor dem 12. Jahrhundert stand hier eine Kapelle, 1466 wird erstmals die zweite Kirche erwähnt, auf deren Grundmauern 1846/47 die dritte Kirche entstanden ist. Im Turm schlägt bis heute die Glocke von 1642. Ende 1847 zog die erste Orgel ein, und auch sie tut bis heute ihren Dienst. Bleibt noch die Frage nach dem Namen der Kirche: Die Herkunft ist nie ganz geklärt worden, es gibt verschiedene Theorien. Die vielleicht wahrscheinlichste Erklärung lautet, dass sie als „moderlose“ oder mutterlose Kirche verstanden wurde, da die Kirchgemeinde (die Mutterkirche) in Altenesch ihren Sitz hatte. Der kleine Friedhof mit einer Gedenkstätte und alten Familiengräbern ist im Unterschied zur Kirche täglich geöffnet.

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Natur neben Industrie
Ein Naturschutzgebiet neben einer Industrieanlage – geht das? Und ob. Seit 2010 existiert im Naturschutzgebiet Werderland ein Wanderweg zwischen der Moorlosen Kirche und dem Dunger See. Gräben durchziehen Wiesen und Weiden, Schilfflächen und Kleingewässer bieten Tieren und Pflanzen vielfältige natürliche Lebensräume. Man blickt vom Holzsteg auf Reetflächen, Libellen schwirren am Krebsscherengraben durch die Luft. Bei Regen bietet die Ilsenburger Hütte, vor sechs Jahren als Zeichen der Partnerschaft zwischen Burglesum und Ilsenburg im Harz erbaut, Unterschlupf. Seit über 40 Jahren ist der Dunger See Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Eine Hütte am Südufer lädt zum Beobachten der Vögel ein. Das Wandern auf den ausgewiesenen Wegen ist ausdrücklich erwünscht, Baden und Angeln dagegen sind verboten.
Tidebiotop Werderland
Lachmöwe, Reiher- und Pfeifente sind im Tidebiotop Werderland zu Hause, einem künstlichen Seitenarm der Weser. Vielleicht lässt sich sogar der Seeadler blicken, der seit ein paar Jahren auf der anderen Weserseite brütet. Die Weser wirkt an dieser Stelle wie ein Kanal, fast schnurgerade ist sie hier. Durch den Ausbau des Flusses vor Jahren ist natürlicher Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten selten geworden. Das Tidebiotop schafft Abhilfe. Am nun buchtenreichen und strömungsarmen Ufer leben, ruhen und laichen die Fische, etwa Kaulbarsch oder Moderlieschen. Vögel rasten, brüten und fressen auf und am Wasser und den Röhrichtflächen. Bis zur Moorlosen Kirche, der nächsten Station auf unserem Weg, ist es von hier aus nun nicht mehr weit.