Die jüngsten Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz könnten Bremen dazu zwingen, seine Impfstrategie zu ändern. Der Plan, über ein ausgebautes Impfzentrum bis zu 17.000 Impfungen pro Tag anzubieten, würde sich mit der Empfehlung der Minister vom Mittwoch nicht verwirklichen lassen. Danach sollen die Impfzentren im April pro Woche mit einer vorgegebenen Menge von bundesweit insgesamt 2,25 Millionen Impfdosen beliefert werden. Aufgeschlüsselt nach Bevölkerung ergibt das ein Kontingent von wöchentlich 18.450 Impfdosen für die Impfzentren im Land Bremen. Damit sind in der Messehalle nicht mehr als rund 2000 Impfungen pro Tag möglich. Darüber hinaus verfügbare Impfstoffmengen sollen künftig direkt vom Bund über die Apotheken an die niedergelassenen Ärzte gehen.
Unklar ist, wie verbindlich der Beschluss der Gesundheitsminister ist. Dem Vernehmen nach sind neben Bremen weitere Bundesländer von der Vorgabe nicht überzeugt. Der Bund bestimmt allein darüber, wie er die Impfstoffmengen verteilt. Ob Bremen von einer im Beschluss ausdrücklich möglichen Ausnahme für den Monat April Gebrauch macht, ist nicht abschließend geklärt. Derzeit diskutiert man das mit der Kassenärztlichen Vereinigung. In dem Fall ständen im April weitere Impfdosen vollständig den Zentren zur Verfügung. Impfungen durch die Hausärzte wären zunächst nicht möglich.
Das Bremer Gesundheitsressort hat bislang die zentrale Organisation und Abwicklung der Impftermine als beste Lösung betrachtet, um die Prioritäten der Impfverordnung mit einer möglichst hohen Impfquote in Einklang zu bringen. „Wenn es nach unseren Vorstellungen ginge, würden wir auch in den kommenden Wochen weiterhin zentral in den Impfzentren verimpfen“, kommentiert Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) den Beschluss. Die sehr gute Organisation rund um die Terminvergabe, viele mobile Teams und der Teamgeist führten zu einer guten Impfgeschwindigkeit. Bremen zählt mit seiner Impfquote bislang in Relation zu Bevölkerung zu den Spitzenreitern unter den Bundesländern.
Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) begrüßt ausdrücklich, das Haus- und Betriebsärzte neben den Impfzentren zum Zuge kommen. „Das ist eine wichtige Weichenstellung, damit unsere Impfkampagne weiter an Fahrt gewinnt“, heißt es in einer Mitteilung ihres Ministeriums. Praxisärzte fordern eine schnellere Einbeziehung, um auf breiter Front deutlich mehr zu impfen. „Wir sind nicht nur bereit, wir scharren seit Wochen ungeduldig mit den Hufen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, im „Deutschlandfunk“. Nach einer Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen Impfungen in Praxen „frühestmöglich“, aber spätestens in der Woche vom 19. April starten.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, warnt vor möglichen Verzögerungen bis in den Mai: „Wir befürchten, dass mit diesem Beschluss das wohnortnahe, flächendeckende und schnelle Impfen in den Praxen im April nicht mehr stattfinden wird. Wenn wir aber eines nicht haben, dann ist es Zeit.“ Ein rasches Durchimpfen der Bevölkerung sei selbst mit aufgestockten Impfzentren nicht zu erreichen. „Das geht nur mit den Praxen: Fünf Millionen Impfungen in der Woche sind dort absolut machbar.“ Die KBV kritisiert, dass zuerst die Impfzentren Impfstoffe bekommen und dann die Praxen mit den übrig gebliebenen Resten folgen sollten. Die Länder hätten das Verfahren unnötig verkompliziert.
Über den Impfbeginn der Praxen wollen Bund und Länder entscheiden. Dies soll laut Bundesregierung auf der Basis der Fachminister-Empfehlung „zeitnah“ vor dem nächsten Corona-Gipfel am 22. März geschehen. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der „Bild“, in den nächsten Wochen würden mehr Impfdosen zur Verfügung stehen. „Im Sommer geht es um bis zu zehn Millionen Impfungen in der Woche – in den Impfzentren, in Arztpraxen und Betrieben.“ Auch die Zahnärzte boten an, bei Impfungen zu unterstützen.
Seit Donnerstag ist ein weiterer Corona-Impfstoff zugelassen: Der US-Konzern Johnson & Johnson darf sein von der belgischen Tochter Janssen Pharmaceutica entwickeltes Produkt in der EU ausliefern. Die EU-Kommission hat bisher rund 200 Millionen Dosen fest bestellt, davon gehen etwa 35 Millionen Dosen an Deutschland. Weil nur eine einzelne Spritze nötig ist, sind diese so viel wert wie 70 Millionen Dosen anderer Impfstoffe. Denkbar wird künftig auch eine Belieferung mit Sputnik V aus Russland. Ein Zulassungsverfahren bei der Arzneibehörde EMA in Amsterdam läuft. Aufgrund der erwiesenen Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts gehen Experten davon aus, dass einer Zulassung nichts im Wege steht. Russland stellt eine Lieferung für Mai oder Juni in Aussicht.