Günstige Tickets im öffentlichen Nahverkehr sorgen nicht automatisch für einen Anstieg der Fahrgäste. Das ist eine der Botschaften, die Verkehrsexperten Bremer Politikern am Donnerstagnachmittag nahe brachten. In einer Anhörung der Verkehrsdeputation im Börsenhof diskutierten die Fachleute mit den Deputierten über zahlreiche Ansätze für die Ausrichtung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV).
Ein 365-Euro-Ticket nach Wiener Vorbild? Einen kompletten Nulltarif, vielleicht auch nur für die Innenstadt? Oder doch den Tarif ganz allgemein absenken? Ideen, was mit der Preis- und Ticketstruktur des ÖPNV in Bremen gemacht werden könnte, gibt es einige. Als Referenten hatte das Verkehrsressort Friedemann Brockmeyer vom Beratungsunternehmen Civity Management Consultants sowie Carsten Sommer, Verkehrsexperte von der Universität Kassel, eingeladen.
Brockmeyer ging auf das in Bremen bereits häufiger diskutierte 365-Euro-Tickets aus Wien ein. Er hatte mit dem Unternehmen Civity den Prozess in der Hauptstadt Österreichs begleitet. „Durch die Preisabsenkung der Jahreskarte auf 365 Euro wurde das gesamte Preisgefüge in Wien drastisch verändert“, sagte Brockmeyer. So sei die Jahreskarte zwar günstiger geworden, aber die Einzelfahrscheine und Mehrfahrtenkarten um erst elf, in 2018 dann um 20 Prozent erhöht worden. Die Verkäufe der Jahreskarten seien in Wien dann explodiert.
Nur leichte Auswirkungen auf den Modal Split
Der Anstieg der Fahrgäste sei aber vor dem Hintergrund des starken Wachstums von Bevölkerung, Studenten und Tourismus sowie einer deutlichen Intensivierung der Parkraumbewirtschaftung (höhere Parkgebühren) eher auf einem „moderaten Niveau“ gewesen. Auch auf den Modal Split, also die Durchmischung und Verteilung verschiedener Verkehrsmittel, habe es nur leichte Auswirkung gegeben. Wien habe im Jahr 2016 übrigens 110 Millionen Euro durch Parkgebühren eingenommen. In Bremen liegen die Einnahmen – bei kleinerer Fläche und ohne Parkhäuser – bei etwa drei Millionen Euro, ergänzte Ralph Saxe (Grüne).
Auch Carsten Sommer ging auf die Wirkungen des „Wiener Modells“ ein. „Es führt im Wesentlichen zu einer Wanderung von Gelegenheitskunden in die Jahreskarte und weniger zum Gewinn von Neukunden“, hat er analysiert. In seinem zweiten Impulsvortrag sprach er über einen Nulltarif im ÖPNV. Zu den Chancen gehöre es, dass dies Hemmnisse für die Nutzung bei Nicht- oder Gelegenheitskunden abbaue, es fehle dafür aber an der Finanzierung durch die Ticketeinnahmen.
„Ist es ein Tarif-Dschungel oder biete ich für möglichst viele Zielgruppen angepasste Tickets an?“, fragte Rainer Counen, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen (VBN), in seinem Vortrag, in dem er die Struktur des Verkehrsverbundes und der Tarife erklärte. Allein in Bremen kommt der VBN auf circa 107 Millionen Fahrten im Jahr und das Ticketsortiment ist umfangreich. Counen zeigte in Grafiken, wie die Zahl der Fahrgäste und der Fahrgeldeinnahmen immer weiter gestiegen sind.
Daten und Zahlen, die auch klären sollen, was bei Preissenkungen geht und was nicht. „Wir müssen immer schauen, wer die Kosten für Tarifanpassungen trägt“, ergänzte Christof Herr, Geschäftsführer des Zweckverbands Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (ZVBN). Bei allen diskutierten Tarifsenkungen, ganz gleich ob Schülerticket, Stadtticket oder Jahresticket, müsse man sich immer die Effekte anschauen, sagte Jens Deutschendorf, Staatsrat in der Verkehrsbehörde. Ziel sei es, die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen, einen guten Modal Split zu erreichen und die Qualität des Nahverkehrs zu steigern.
Mehr Busse und Bahnen in der Adventszeit
Im Land Bremen sind an den kommenden Adventswochenenden mehr Straßenbahnen und Busse im Einsatz als sonst.
Wie der Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen (VBN) ankündigt, fährt die Regio-S-Bahn RS1 an allen Advents-Sonnabenden (1., 8., 15. und 22. Dezember) von Bremen nach Vegesack und zurück zwischen 10 Uhr und 20 Uhr in einem 15-Minuten-Takt.
Um die Verbindungen zur Bremer Innenstadt zu verbessern setzt die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) an den Wochenenden in der Adventszeit zudem auf mehreren Linien zusätzliche Fahrzeuge ein. So können die Fahrgäste an den Sonnabenden bis etwa 22 Uhr auf der Linie 1 zwischen Huchting und Bahnhof Mahndorf und auf der Linie 4 zwischen Arsten und Borgfeld im Zehn-Minuten-Takt fahren. Der gleiche Takt gilt auf den Linien 24, 25 sowie 26/27.
An den Sonntagnachmittagen von 13 bis 19 Uhr verkehren die Linie 1 (zwischen Am Brill, Hauptbahnhof und Tenever-Zentrum), die Linie 4 (zwischen Arsten und Borgfeld) und die Linie 24 ebenfalls im Zehn-Minuten-Takt.
In Bremerhaven fährt an allen Advents-Sonnabenden die Linie 502 (Leherheide West–Grünhöfe) zwischen 16 Uhr und 20 Uhr alle zehn Minuten. Eingesetzt werden dazu zusätzlich geräumige Gelenkbusse, erläutert der VBN. Am zweiten Adventssonntag, 9. Dezember, werde außerdem zum achten Mal der „Märchenbus“ von Bremerhaven Bus vor der Großen Kirche auf dem Bremerhavener Weihnachtsmarkt stehen.
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