Surfwelle, Musik und Sitzgelegenheiten in der Martinistraße, Konzerte, Theater und eine Bar über den Dächern auf dem Domshof, Pop-up-Läden in zentraler Lage – die Stadt hat viel Geld in die Hand genommen, um die City zu beleben und interessanter zu machen, ausdrücklich auch für junge Menschen. Der WESER-KURIER hat bei den Machern und vor allem bei der Zielgruppe nachgefragt, wie das bisher geklappt hat.
Die Clique vom Schlachthof
Vom Schlachthof bis in die Obernstraße sind es nur ein paar hundert Meter. Für Marcus Noack liegen Welten zwischen diesen beiden Orten. „In der City war ich seit zwei Jahren nicht mehr“, sagt der 18-Jährige, „was soll ich da?“ Marcus verbringt seine Nachmittage lieber mit seinen Freunden am Schlachthof neben der Bürgerweide. Hier chillen sie am Lugger, dem Restaurant mit Kneipe und Biergarten am Schlachthof. An diesem Tag lümmeln sie sich auf Paletten, die zu Sitzgelegenheiten arrangiert sind und zur Außengastronomie des Lugger gehören, „total nett, dass wir hier sein dürfen“, findet Sophie Sudbrock, 14 Jahre. Mal sind sie zu fünft hier, mal zu zehnt, manchmal sind auch 15 Leute da.
Zum Bummeln und Verweilen in die City zu gehen, kommt ihnen nicht in den Sinn. „Wo soll man dort denn sitzen?“, fragt Sophie. Überhaupt sei es meist unangenehm, in größerer Gruppe in der Stadt unterwegs zu sein. „Viele Leute gucken dann komisch, einige meckern auch“, sagt Marcus. Da sind sie lieber am Schlachthof unter sich.
Sophie erzählt, dass sie hin und wieder ganz gern shoppen geht. „Ich mag Zara, Bershka oder Primark“, sagt sie. Das Problem: Zara hat die Bremer Innenstadt vor Monaten verlassen. Einen Primark gibt es nur in der Waterfront, Bershka ist in Bremen gar nicht ansässig. „Es gibt nicht besonders viele spannende Läden in der Innenstadt“, sagt Sophie.
Dass die Politik versucht, die Innenstadt zu beleben, ist an den Jugendlichen am Schlachthofgelände komplett vorbei gegangen. Open Space, Transformartini, Pop-up-Läden – Sophie, Marcus und die anderen zucken mit den Schultern. „Eigentlich kriegen wir über Instagram eine Menge mit“, sagt Sophie, „aber davon haben wir noch nie etwas gehört.“ Was es am Dom denn so an Programm gegeben habe, wollen sie wissen. Jazz und Club-Sounds, Klassik und Kunst, Ausstellungen und Theater, auch für Kinder. „Okay“, sagen sie, „aber das ist jetzt nicht so unser Ding.“
Die Engagierten vom Landesjugendring
Das erste Statement zur Bremer Innenstadt gibt Julia eher unabsichtlich ab. Der Fotograf des WESER-KURIER will wissen, ob sie einen Lieblingsplatz in der City habe, an dem man das Foto für den Zeitungsbericht machen könnte. Julia denkt nach, die Pause wird länger, schließlich sagt sie: „Einen Lieblingsplatz habe ich hier nicht, es gibt dafür ja auch nicht so viele Möglichkeiten.“
Rathaus, Marktplatz, Dom, das ist ihr zu touristisch. Die Martinistraße, die seit Monaten umgestaltet wird und seitdem zusätzliche Möglichkeiten bietet, kommt auch nicht in Frage, weil Julia dort fast nie ist. Die Wahl fällt schließlich auf die Schlachte. Ist zwar auch ein touristischer Ort, aber wenigstens einer, an dem man sich ungezwungen aufhalten kann.
Julia ist 15, sie engagiert sich im Landesjugendring. Zum Treffen mit dem WESER-KURIER hat sie Bildungsreferentin Ramona Ruf mitgebracht. Julia macht beim Landesjugendring mit anderen zusammen Videos für Youtube. „Tuten un beginnen“ heißt das Format, das sich Themen widmet, die Bremer Jugendliche bewegen. Sie haben zum Beispiel was zum Wahlalter gedreht oder Politiker in der Bürgerschaft interviewt. Die Attraktivität der Innenstadt war noch kein Thema bisher, „aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, könnte das auch ganz spannend sein“.
Eine Meinung zur City hat sie und einige Wünsche auch. Zum Beispiel kostenlosen und besser ausgebauten Nahverkehr. Wer in Bremen-Nord oder am Stadtrand lebe, habe es nicht leicht, in die Innenstadt zu kommen. „Dabei könnte das Zentrum ein Ort sein, der die Jugend aus ganz Bremen zusammenbringt“, sagt Ruf. Gut fänden beide auch Plätze zum Sitzen, um einfach quatschen zu können, ohne den Zwang, etwas konsumieren zu müssen, dafür aber mit kostenlosem Internet. Ein zentraler Treff, möglichst niedrigschwellig mit Kicker, Arbeitsplätzen für Laptops oder Getränken zum Selbstkostenpreis wäre auch eine feine Sache.
Wichtig ist ihnen, sagen sie, dass die Jugend eingebunden wird, wenn es um ihre Belange geht. Beim Aktionsprogramm Innenstadt sei das mit dem Landesjugendring nicht passiert, sagt Ruf. Anfragen aus der Politik habe es nicht gegeben.
Die Macher aus der Kulturszene
Ihren Kindern, erzählt Susanne von Essen, habe sie erst einmal erklären müssen, was es mit der Martinistraße auf sich habe. „Für die war das total abstrakt“, sagt die Geschäftsführerin von Sternkultur. Martinistraße. Ja und? Inzwischen weiß der Nachwuchs Bescheid. Von Essen hat erklärt, dass sie und ihr Team von Sternkultur den Auftrag haben, die Martinistraße, dieses trennende Band zwischen Weser und City, in einen „Erlebnisraum“ zu verwandeln; den Straßenraum neu zu besetzen, wie von Essen es ausdrückt.
Seit Ende Juli und noch bis Mitte April wird der Straßenzug neu gedacht. „Und die Jugend ist dabei total wichtig“, sagt von Essen. Holztürme sind als Aussichtsplattform installiert, es gibt Sitzmöglichkeiten zum Verweilen, also eigentlich alles das, was sich die Jugendlichen wünschen. An Tagen mit Programm, etwa wenn Danger Dan auf dem Parkhausdeck ein Konzert gibt, wenn Filme gezeigt werden oder Theater gespielt wird, ist durchaus etwas los. An den anderen Tagen nicht. Die allgemeine Wahrnehmung: Den Straßenraum haben sich die Jugendlichen noch nicht erobert.
Die Macher von Sternkultur sehen das differenzierter. Von Essen erzählt davon, wie gleich zu Beginn von Transformartini Mitglieder des Jugendbeirates Huchting nach einer Begehung Gedanken zur Entwicklung der Martinistraße zu Papier gebracht hätten, Ideen für Licht und Farben, Fahrradverkehr und Grünflächen. Sie erzählt vom Kunstkurs des Ökumenischen Gymnasiums, der im Unterricht etwas für die Meile entwickeln wolle. Multigenerationsplätze nennen sie das bei Sternkultur, Aufenthaltsorte für alle.
Eine abschließende Beurteilung der Wiederbelebungsmaßnahmen für die City wird es erst später geben. Das Wirtschaftsressort erklärt, dass eine Befragung vorbereitet werde, in der die Bremerinnen und Bremer ihre Eindrücke schildern können. Und dabei, so heißt es, würden junge Menschen als Zielgruppe „definitiv eine wichtige Rolle spielen“.