Der 24-Jährige, der einen Rentner totgefahren hat, muss ins Gefängnis. Doch warum wurde er nicht schon vor dem Unfall aus dem Verkehr gezogen? Gelegenheiten dazu hatte die Polizei.
Mit der Verurteilung von Alperen T. zu einer Gefängnisstrafe sind auch seine Aktivitäten auf dem Youtube-Kanal „Alpi fährt“ beendet, wo er seine Hochgeschwindigkeitsfahrten durch die Innenstadt per Video dokumentierte. Ein Schlussstrich, gezogen vom Landgericht, doch letztlich war es der 24-Jährige selbst, der seine Youtube-Karriere beendete – mit dem tödlichen Unfall, den er am 17. Juni 2016 verursachte. Vorher hatte er die Videos ein gutes Jahr lang ungestört veröffentlichen können. Was in der Gerichtsverhandlung für Fragen sorgte. Und nicht nur dort auch für Kritik in Richtung Polizei.
Er hätte sich gewünscht, „dass die Polizei auch mal im Internet präventiv bei solchen einschlägigen Video-Bloggern reinschaut“, schreibt ein Leser des WESER-KURIER. Die Blogger seien bekannt und würden genug Material liefern, um sie eine gewisse Zeit aus dem Verkehr ziehen zu können, vermutet er. Ins selbe Horn stößt ein anderer Leser: „Nachdenken sollte insbesondere die Bremer Polizei über das bisherige passive Verhalten, was die Raserei anbelangt.“
Langes Warten bei Anzeigenerstattung möglich
Da das Urteil gegen Alperen T. noch nicht rechtskräftig ist, könne man derzeit keine Angaben zu dem Fall machen, erklärt hierzu Stephan Alken aus der Pressestelle der Polizei. „Grundsätzlich recherchiert die Polizei Bremen nicht pro aktiv nach Verkehrsverstößen beziehungsweise auf Verkehrsstraftaten bei Youtube.“ Auf Hinweise von Dritten würden aber Filmsequenzen gesichert, auf mögliche Tatbestände geprüft und auf ihren Beweiswert hin analysiert.
Was aber dauern kann, wie Dennis Diepenbrock zu berichten weiß. Er habe vergeblich versucht, einen anderen Video-Blogger bei der Bremer Polizei anzuzeigen, erzählt er. Im Internet sei er auf einen Motorradfahrer aus Hamburg gestoßen. Auch der unterhält seine Abonnenten mit Videos von seinen Fahrten, inklusive Gedanken über Gott und die Welt. Wie Alpi ist auch er nicht durchgehend verkehrswidrig unterwegs, liefert sich aber immer wieder Rennen mit andern Verkehrsteilnehmern oder bremst auch mal einen Pkw absichtlich aus – „hehe, dem gehe ich richtig auf die Nerven“.
Wer mit 130 km/h durch einen Tunnel brettere oder mit über 160 freihändig auf der Autobahn sei aus ähnlich rücksichtslosem Holz geschnitzt wie Alpi, sagt Diepenbrock. Er habe deshalb die Videos gesichert und sei damit zur Wache Altenwall/Stadtmitte gegangen, um den Hamburger Motorradfahrer anzuzeigen. Wegen des großen Andrangs auf der Wache habe man ihn gebeten, an einem anderen Tag zu erscheinen. Dazu sei er aber aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage.
Dies könne so passiert sein, sagt Stephen Alken. Bei der Anzeigenerstattung könne es zu längeren Wartezeiten kommen. Man nehme die Bürger mit ihren Anliegen ernst, betont der Polizeisprecher. „Aber in diesen Fällen wird durch die Polizisten auf die Wartezeit hingewiesen oder gegebenenfalls ein erneutes Erscheinen vereinbart.“
Lediglich eine Fahrerlaubnis für Motorräder bis 48 PS
Auch vor dem Landgericht war Thema, warum die Polizei Alpi nicht schon vor dem Unfall aus dem Verkehr gezogen hat. Dort wurde ein Zeuge gehört, den Alpi kurz vor dem Unfall zweimal überholt – ein Polizist, der mit seinem Motorrad auf dem Heimweg war. Der berichtete, wie Alpi zunächst an einer Ampel rechts auf seiner Fahrspur an ihm vorbeigerauscht war – "die Motorräder haben sich fast berührt“ –, und dann noch einmal mit geschätzt 150 km/h auf der Hochstraße. Er habe noch gesehen, wie der Motorradfahrer stehend freihändig in eine Kurve fuhr und Autos rechts überholte. Dann allerdings trennten sich die Wege der beiden und der Polizist fuhr nach Hause.
Am Morgen danach erfuhr er auf seiner Dienststelle, dass dieser Motorradfahrer wenig später einen tödlichen Unfall verursacht hatte. Dessen Kennzeichen sei der Polizei im Übrigen schon bekannt gewesen. „Es gab eine Mitteilung von einem Bürger, dass da einer wie ein Wahnsinniger durch Bremen fährt.“ An dem Morgen erstattete auch der Polizist Anzeige. Warum er nicht schon am Abend vorher tätig geworden sei, erkundigte sich der Richter. „Hätte nichts gebracht, wenn ich das nur erzähle. Wir müssen ihn auf frischer Tat ertappen.“
Es wäre nicht die einzige Möglichkeit gewesen, „Alpi“ vor dem Unfall aus dem Verkehr zu ziehen: Wie berichtet, besaß er lediglich eine Fahrerlaubnis für Motorräder bis 48 PS. Die Maschine, mit der er den Rentner totfuhr, hatte 200 PS. Die erforderliche Zusatzfahrprüfung habe er zwar machen wollen, aber das sei ihm irgendwie nach hinten gerutscht, erklärte der 24-Jährige entwaffnend ehrlich. Nicht zuletzt, weil seine falsche Fahrerlaubnis bei mehren Polizeikontrollen nicht bemerkt worden sei. Er wisse, dass das „blöd gedacht„ gewesen sei. “Aber wenn das nicht mal Motorrad-Polizisten bei ihren Kontrollen bemerken…"