Der Bremer Senat hat vor 60 Jahren viel Mut beweisen, als er für das geplante Haus der Bürgerschaft den Entwurf des Architekten Wassili Luckhardt auswählte. Widerstand war programmiert, und er kam mit Wucht. Breite Teile der Bevölkerung stellten sich gegen den modernen Baustil, es entstand eine regelrechte Volksbewegung, die am Ende aber ins Leere lief. Die Regierung blieb standhaft. Sie hatte sich im Umfeld von Rathaus, Roland, Dom und Schütting bewusst für einen gestalterischen Kontrapunkt entschieden und widerstand der Versuchung, in Historismus zu schwelgen.
Und heute? Hätten die Verantwortlichen wieder diesen Mut? Wohl kaum, wenn man sich anschaut, was in der Stadt gebaut wird und was eben nicht. Der Skelettbau aus Stahlbeton mit vorgehängter Glasfassade, in dem das Parlament tagt, käme am Marktplatz wahrscheinlich nicht mehr zustande. Langeweile allenthalben, Konvention. Sie trauen sich nicht.
Jüngstes Beispiel sind die Libeskind-Türme auf dem ehemaligen Sparkassengelände am Bremer Brill. Sehr gewagt, verwegen fast und am Ende vielleicht auch nicht realistisch. Aber das war doch wenigstens mal ein Wurf, etwas ganz anderes, ein Plan, der produktive Reibung verursachte. Er landete schnell dort, wo über die Jahrzehnte noch anderes verschwand – in der Schublade. Einige dieser gescheiterten Projekte stellen wir hier vor.
Das Musicon
Hamburgs jüngstes Wahrzeichen heißt Elbphilharmonie – und besticht seit 2017 durch überragende Akustik und kühne Architektur. Diese Attribute sollten auch die "Bremer Philharmonie" auf der Bürgerweide auszeichnen, so 1989 die Idee eines Vereins. Ein Architektenwettbewerb wird ausgeschrieben, den Daniel Libeskind gewinnt. Sein Plan: ein gläsernes Stelzen-Haus mit stürzenden Linien. Der asymmetrisch angelegte Konzertsaal soll 2500 Zuhörern fassen. Das "Musicon", geschätzte Baukosten: 70 bis 90 Millionen DM, wird nie gebaut. Der damalige Bürgermeister Henning Scherf (SPD) spricht von einer "fröhlichen Idee von ein paar alten Leuten". Die Idee spukt noch eine Weile in der Stadt herum und taucht zuletzt 2004 in der (gescheiterten) Bewerbung als Kulturhauptstadt auf.
Teherani-Haus

Für die Weserpromenade in Vegesack hatte der Architekt Hadi Teherani diesen Entwurf vorgelegt.
Hadi Teherani hat in Bremen kein Glück. Der Hamburger Star-Architekt plante am Altenwall in der Innenstadt ein Haus aus Stahl und Glas und musste erleben, wie der Baukörper zwar gleich blieb, das Material unter der Ägide eines Bremer Architekturbüros aber ausgetauscht wurde – kein Stahl mehr, sondern Sandstein. Teherani war düpiert worden.
Jahre später passierte ihm das noch einmal, als in Vegesack am Rande des Stadtgartens und direkt an der Weser ein 13 Stockwerke hohes Wohnhaus gebaut werden sollte. Die Behörden und besonders Senatsbaudirektorin Iris Reuther lobten den Entwurf über den Klee, kämpften auch dafür, doch alles war vergebens, als sich ein paar Hundert Bürgerinnen und Bürger erhoben. Eine Frechheit, wetterten sie, und bemäkelten die Form, das Material, wieder war es ein Bau aus Glas, vor allem aber die Höhe. Das fügt sich nicht ein, so die Kritik, ein Fremdkörper, scheußlich.
Bei so viel Zorn wollte der Beirat nicht beiseite stehen und stimmte gegen die Pläne. Die Behörden zogen nach, obwohl sie zusammen mit Te-herani und dem Auftraggeber für das Gebäude gute Argumente auf ihrer Seite hatten. Der damalige Bausenator sagte es klipp und klar: „Gegen den Willen der Menschen in Vegesack und gegen den Beirat wird es kein Hochhaus geben.“ Das war der Tusch am Ende einer Debatte, die viel mit Emotion und Beharrungskräften zu tun hatte, und wenig mit Architektur, Stadtentwicklung und Ästhetik.
Die Weserspitze

Entwurf der Weserspitze.
Es hieß „10 in 10“, zehn Projekte an der Weser sollten in zehn Jahren umgesetzt werden. 2005 wurde das Programm vom damaligen Bausenator Jens Eckhoff (CDU) und Senatsbaudirektor Uwe Bodemann präsentiert. Ein Projekt: ein Neubau auf der Landspitze im Fluss gegenüber der Weserburg. Das Projekt fand in Kurt Zech einen Investor, im Schweizer Marcel Meili einen Architekten, die Zustimmung der politischen Gremien. Für das Werk „Three Triangles“ von Sol LeWitt auf der Bürgermeister-Smidt-Brücke wurde ein neuer Platz gesucht.
2007 stellten der Bausenator – inzwischen Ronald-Mike Neumeyer (CDU) – und Zech die Pläne für die sogenannte Weserspitze vor. Ein viergeschossiges Gebäude mit Büros und Gastronomie sollte entstehen, das „Maßstäbe für moderne, außergewöhnliche und anspruchsvolle Architektur“ setzt. „Sieht aus wie ein Käsetoast“, hieß es im Beirat Neustadt. Investitionsvolumen: rund 20 Millionen Euro. Zech plante später fünf Geschosse. Dass aus dem Bau nichts wurde, hing offenbar mit den Eigentumsverhältnissen zusammen. Strittig war, ob die Landzunge der Stadt Bremen gehört oder – wie die Weser – dem Bund. 2017 fand die Weserspitze in einem Papier des CDU-Kreisverbands Bremen-Stadt zur Stadtentwicklung noch einmal Erwähnung. Eckhoff ist Vorsitzender.
Das Symbolon

Ernst Fuchs’ Idee für den Sedanplatz sorgte für Streit.
Was macht man mit einem leblosen Platz? Die Lösung, die 1999 in Vegesack diskutiert worden ist, sorgte zunächst für sprachloses Staunen, dann für Empörung und endlich für die Ablehnung. Der Wiener Künstler Ernst Fuchs (1930 - 2015) war – über den Kontakt eines örtlichen Händlers – gebeten worden, einen Vorschlag für die Bebauung des Sedanplatzes zu entwickeln. Er präsentierte das "Symbolon", eine bunte Kuppel aus Holz, mit drei Etagen im Inneren. Fuchs wollte dort Werke des Surrealismus aus seiner Sammlung zeigen. Der Entwurf führte vom ersten Moment an zu erbitterten Auseinandersetzungen. Im März 2000 entschied sich der Beirat gegen das Vorhaben. Realisiert wurde schließlich an dieser Stelle eine Markthalle, die von einer Handelskette genutzt wird.
Der Promotion-Park
Schon der Name sollte Inbegriff von Innovation und Modernität sein: Ein neuer Stadtteil sollte in der Nähe des Hauptbahnhofs entstehen, genannt Promotion-Park oder auch Promotion-City. Die Rede war von einem Gelände, das zum Sondervermögen der damaligen Deutschen Bundesbahn gehörte. Zunächst überspannten die städtebaulichen Überlegungen eine Fläche von 8,8, später von15 Hektar, ergänzt durch vage Überlegungen zu einer „Hochhaus-City“ an seiner westlichen Spitze.
„Wo heute noch der Güterbahnhof steht, soll bis zum Jahr 2005 ein ,Promotion-Park‘ aus dem Boden gestampft werden“, hieß 1992 in dieser Zeitung. Gebäude für „angewandte Dienstleistungen moderner Informations- und Kommunikationswissenschaften“ sollten dem neuen Stadtteil den Charakter geben. Außerdem waren ein Hotel und ein Bürgerrathaus, Wohnungen, Cafés, Kinos und andere Kultureinrichtungen geplant.
Im Zusammenhang mit den Überlegungen, das Siemenshochhaus am Hauptbahnhof um weitere sechs Stockwerke auf die Höhe von rund 100 Metern aufzustocken (aus dem ebenfalls nichts geworden ist), entbrannte in Bremen knapp zehn Jahre später eine hitzige Debatte um die Frage, ob, wo und wie viele Hochhäuser Bremen vertragen kann. Diverse Experten wurden zurate gezogen, unter anderem Christoph Helbich und Volkwin Marg, beide von der Technischen Hochschule Aachen, Fachbereich Stadtbereichsplanung.
Eine „Erektion des Kapitals“ (so Volkwin Marg) „darf nicht die gleiche Bedeutung beigemessen werden wie Rathaus oder Dom“, sagte damals Christoph Helbich. Doch was in Berlin der Potsdamer Platz sei, könne in Bremen die Westspitze des geplanten Promotion-Parks werden – mit einem Hochhaus-Ensemble im Gleisdreieck. Die damalige Bausenatorin Tine Wischer (SPD) kommentierte: „Die Überlegung, lieber an einem Platz kompakt eine ,Hochhaus-City‘ als in der Innenstadt beliebig in die Höhe zu bauen, ist mir sehr sympathisch“.
Es blieb bei Berechnungen und Animationen, mangels Investoren und weil der Standort mit dem Technologiepark und der Überseestadt konkurrieren musste.