Herr Gerber, Sie sind seit April neuer Tourismuschef in Bremerhaven. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen?
Michael Gerber: Momentan bin ich vor allem damit beschäftigt, das Unternehmen und die rund 80 Mitarbeiter kennenzulernen. Außerdem nutze ich derzeit Veranstaltungstermine in der Stadt, um frühere Kontakte aufzufrischen und neue Kontakte zu knüpfen.
Ihr Vorgänger war nur acht Monate im Amt. Worin bestehen die besonderen Herausforderungen Ihres Jobs?
Schon vor dem Wechsel gab es einige Interimslösungen in der Chefetage und Fluktuation im Team. Ich würde das Unternehmen deshalb gerne zunächst in ruhigeres Fahrwasser bringen und für mehr Kontinuität sorgen. Die ersten Schritte sind getan, indem wir in den vergangenen Wochen zwei Leitungspositionen und die des Pressereferenten besetzt haben.
Bevor Sie vor rund fünf Jahren nach Süddeutschland gegangen sind, haben Sie bereits mehr als 20 Jahre das Stadtmarketing in Bremerhaven verantwortet. Es ist nicht unbedingt die Regel, dass Leute in die Seestadt zurückkehren. Was hat Sie dazu bewogen?
Die Tatsache, dass man mich gerne haben wollte, hat eine große Rolle bei der Entscheidung gespielt. Es macht einen Unterschied, ob man sich bewirbt oder die Stadt aktiv auf einen zukommt. Das ist eine andere Art von Wertschätzung. Ich möchte mit meinen Mitteln dazu beitragen, dass sich Bremerhaven möglichst gut präsentiert. Die Stadt kann mehr, als sie manchmal zeigt.
Mit welchen Zielen haben Sie diese Position angetreten?
Es überrascht sicherlich nicht, dass ich nach wenigen Wochen noch keine umfangreichen Konzepte präsentieren kann. Ich muss mit einem Wirtschaftsplan arbeiten, den mein Vorgänger gemacht hat und der unter dem Vorbehalt der kommunalen Haushaltssituation steht. Ich komme also zunächst den Pflichtaufgaben nach. Einige Großveranstaltungen wie die Maritimen Tage im August oder die Sail im nächsten Jahr sind natürlich sicher und sind in Vorbereitung.
Trotzdem haben Sie doch sicherlich einige Ideen im Kopf.
Perspektivisch würde ich gerne die Digitalisierung in unserem Haus weiter vorantreiben und Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz nutzen. Mir ist es außerdem wichtig, dass die Erlebnis Bremerhaven GmbH keine reine Veranstaltungsagentur ist. Wir sind darüber hinaus für die Themen Tourismus und Stadtmarketing verantwortlich, was ich gerne stärker herausstellen würde. In Sachen Tourismus gibt es mittlerweile ein moderneres Verständnis: weg vom reinen Marketing hin zum sogenannten Destinationsmanagement.
Was bedeutet das?
Touristen fühlen sich nur dort wohl, wo es auch die Einheimischen tun. Es geht grundsätzlich darum, dass sich die Menschen mit der Stadt und ihren vielfältigen positiven Facetten identifizieren. Die Sail alle paar Jahre oder die Fischtown Pinguins sind Beispiele, bei denen das gut funktioniert. In anderen Bereichen ist dieses Gefühl dagegen ausbaufähig, etwa in der Wissenschaft, obwohl wir dort genauso punkten können. Auch die Bremerhavener Kulturszene wird noch wenig beachtet, wenn ich es mit meiner alten Wirkungsstätte Garmisch-Partenkirchen vergleiche.
Hat sich Bremerhaven verändert, seitdem Sie aus der Stadt weg sind?
Es gibt einige Veränderungen, über die ich mich freue. Dazu zählen Ergänzungen im Klimahaus mit der Extremwetterausstellung oder der Erweiterungsbau des Deutschen Auswandererhauses. Ich halte es zudem für eine gute Entscheidung, die Schulschiff Deutschland her gebracht zu haben. Ich hoffe sehr, dass die Museumsflotte rund um das Schifffahrtsmuseum nicht weiter dezimiert wird. Gespannt und froh bin ich, dass man sich nun intensiv der städtebaulichen Anbindung zwischen dem Alten und Neuen Hafen und der Innenstadt annehmen will.
Ähnlich wie in Bremen könnte die Bremerhavener Innenstadt Aufschwung gut gebrauchen.
Wie die meisten deutschen Städte braucht unsere Innenstadt und die Fußgängerzone eine aufmerksame Begleitung. Über attraktive Wegebeziehungen hinaus muss es mehr Angebote, Inhalte und Attraktionen geben, um zu einem Besuch zu motivieren.
Ein Projekt, an dem Ihr Team und Sie sicherlich gemessen werden, wird die Sail im August 2025 sein. Was wird die Besucher erwarten?
Es ist die erste Sail nach 2015, da aufgrund der Pandemie die letzte Ausgabe ausfallen musste. Entsprechend groß ist die Aufregung und wir hoffen an alte Erfolge anknüpfen zu können. Das Team sitzt schon seit Monaten an der Planung. Eine Mitarbeiterin kümmert sich praktisch um nichts anderes als um das Akquirieren von Schiffen. Einige Großsegler stehen bereits fest, genauso wie erste Musikacts. So wird unter anderem Johannes Oerding auf der Seebäderkaje spielen.
2023 ist die Zahl der Übernachtungen gegenüber dem Vorjahr um knapp acht Prozent gestiegen. Haben Sie sich zum Ziel gesetzt, dieses Ergebnis 2024 zu toppen?
Die Übernachtungszahlen im vergangenen Jahr waren gut und ich würde mich darüber freuen, wenn wir diese Zahl halten oder uns verbessern. Die Stadt hat noch Luft nach oben. Übernachtungszahlen sind allerdings eine schwierige Messgröße für unsere Arbeit.
Ist es nicht aber Teil Ihrer Aufgabe, möglichst viele Menschen in die Stadt zu holen?
Eine städtische Organisation kann nicht allein die touristische Qualität bestimmen. Das erste Erlebnis eines Gastes findet in der Regel an der Rezeption eines Hotels oder in der Gastronomie statt. Wir geben potenziell interessierten Gästen ein Produkt- und Leistungsversprechen der Destination. Eingelöst wird dieses Versprechen jedoch bei den Leistungspartnern, weshalb es ein gemeinsames Miteinander geben muss. Ich verstehe es vielmehr als unsere Aufgabe, diese Zusammenarbeit zu fördern und gemeinsam Ziele festzulegen.
Sie selbst leben gar nicht in Bremerhaven, sondern in Bremen. Wie kommt das?
Ich bin vor rund 30 Jahren der Liebe wegen von Schleswig-Holstein nach Bremen gezogen, meine Frau und ich haben dort unser Haus gebaut. Und es kann Vorteile haben, sich einen Blick von außen auf die Stadt zu bewahren.
Einen Lieblingsplatz in Bremerhaven haben Sie sicher trotzdem, oder?
Ja, und der liegt quasi direkt vor meinem Büro. Ich gehe nach all den Jahren immer noch unheimlich gerne mit meinem Hund am Deich entlang oder halte die Füße in den Weserstrand.
Das Gespräch führte Kristin Hermann.