Immer wieder verschwinden Menschen spurlos – auch aus Bremen und Bremerhaven. Schon seit 14 Jahren vermisst wird zum Beispiel Sybille Lars aus Bremen-Horn. Die 39-jährige Frau wurde zuletzt in der Nacht zum 9. April 2004 in der Vahr gesehen. Die Polizei geht davon aus, dass die Frau umgebracht wurde. Doch bis heute gibt es keine konkreten Hinweise, obwohl der Fall 2014 auch in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ aufgegriffen wurde.
Dass Personen so lange verschollen bleiben, ist bei den Vermisstenfällen der jüngeren Zeit allerdings die Ausnahme. Die Bremer Polizei führt zwar über die Zeitabstände zwischen der Vermisstenmeldung und dem Wiederauftauchen keine Statistik, doch nach bundesweiten Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) ist jeder zweite Vermisste nach spätestens einer Woche wieder zurück im gewohnten Lebensumfeld. 80 Prozent sind es nach einem Monat, und nur drei Prozent sind länger verschwunden.
Wie der Senat jetzt auf Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion mitteilte, waren auch im Land Bremen im Jahr 2017 bis auf rund drei Prozent ungeklärte Schicksale alle Vermissten wieder aufgetaucht. Zum Stichtag 30. November 2018 waren in den Städten Bremen und Bremerhaven insgesamt 69 Personen vermisst gemeldet – darunter zwei Erwachsene, 39 Jugendliche und 28 Kinder unter 14 Jahren. Bei den Jugendlichen handelt es sich überwiegend (28 Personen) um unbegleitete minderjährige Ausländer, die in Bremen registriert wurden, dann aber verschwunden sind.
Sorgerechtsstreit Hintergrund für hohe Anzahl der vermissten Kinder
Die hohe Anzahl der vermissten Kinder schockiert zunächst. Doch in den allermeisten Fällen, nämlich bei 27 der 28 vermissten Jungen und Mädchen, ist ein Sorgerechtsstreit oder ein ähnlicher Konflikt der Hintergrund. Werden Kinder dem erziehungsberechtigten Elternteil von einem anderen Erwachsenen entzogen, gilt es in der Regel als Straftat. Die betroffenen Kinder werden zunächst als Vermisste registriert, bis eine richterliche Verfügung zur Aufenthaltsermittlung vorliegt. Für den CDU-Abgeordneten Wilhelm Hinners war nach eigenen Angaben die große Anzahl der verschwundenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen seit 2015 einer der Hauptgründe, die Anfrage zu den Vermisstenfällen an den Senat zu stellen. Um nicht Flüchtlinge an den Pranger zu stellen, formulierte Hinners die Fragen jedoch recht allgemein.
Entsprechend fallen nun die Antworten des Senats aus, sodass keine weiteren Informationen speziell über die Fälle der verschwundenen unbegleiteten Minderjährigen enthalten sind. „Mir geht es darum, dass mehr getan wird, um den Verbleib der vermissten unbegleiteten Minderjährigen zu ermitteln“, sagt Hinners. Gerade bei diesen Jugendlichen sei die Gefahr groß, dass sie „in kriminelle Strukturen“ gerieten. Hinners: „Die Sozialbehörden müssen ihren elektronischen Informationsaustausch gegebenenfalls verbessern, um den Verbleib dieser Jugendlichen zu klären.“
Damit die Polizei einen Erwachsenen überhaupt als vermisst registriert, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Die Personen müssen ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, und ihr Aufenthaltsort muss unbekannt sein. Zusätzlich muss es außerdem Anhaltspunkte geben, dass Gefahr für ihr Leib oder Leben besteht. Dieser letzte Faktor fällt bei Minderjährigen weg. Hier müssen die Ermittler vorsorglich von vornherein davon ausgehen, dass sie in einer bedrohlichen Lage stecken.
„Wenn es um Gefahr für Leib oder Leben geht, muss die Polizei schnell handeln“, betont Wilhelm Hinners. Die Personalausstattung in Sachen Vermisstenfälle hält er für zu knapp, zumal es ein Gebiet sei, das Spezialwissen erfordere. Laut Senatsantwort sind bei der Bremer Polizei zwei Sachbearbeiter zuständig, wobei nach Hinners’ Informationen der zweite Beamte in der Regel nur als Vertreter einspringt. Bei der Polizei Bremerhaven gibt es überhaupt keinen Sachbearbeiter, dort kümmert sich der Kriminaldauerdienst auch um die Vermisstenfälle.