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Mussten Tiere sterben? Abpumpen des Tietjensees zieht juristische Kreise

Eine Anwältin aus der Region Hannover zeigt Verantwortliche fürs Abpumpen des Tietjensees an, weil sie glaubt, dass Fische dabei sterben mussten - obwohl ein Fischer Silberkarpfen, Aale und Teichmuscheln umsetzte.
11.12.2018, 19:51 Uhr
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Abpumpen des Tietjensees zieht juristische Kreise
Von Justus Randt

In die Höhe gereckte armdicke Aale, Schlauchboot- und Keschereinsätze, mit denen auch die letzten Fische lebend aus dem Tietjensee geholt werden sollten – auch Ines-Maria Pfeiffer hat die Bilder gesehen. Allein: Die Anwältin aus der Region Hannover glaubt den Nachrichten nicht, die Anfang Oktober veröffentlicht wurden.

Beim Abpumpen den Tietjensees in Schwanewede und beim Umsetzen der Tiere habe es "keine toten Fische", hatte Berufsfischer Horst Gischewski, in Wathose und Trägerhemd, mit einigem Stolz verkündet. Ines-Maria Pfeiffer, die in Hemmingen-Arnum "die Tierkanzlei für Hannover und Umgebung sowie bundesweit" betreibt, hat jetzt Strafanzeige erstattet, weil "die Abpumpmaßnahme" dazu geführt habe, dass im See "eine Vielzahl an Tieren, zuvörderst Fische“, erstickt seien.

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Nein, sagt die Anwältin, Hinweise darauf, dass tatsächlich „Tiere jämmerlich im Schlamm“ des Seegrundes ersticken mussten, habe sie nicht. „Das stelle ich mir vor, ich bin selbst Besitzerin eines Teiches“, sagt sie. Ihre Anzeige, die der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Bremen am Dienstag noch nicht vorlag, erwähnt diesen Umstand.

Vage Vermutung reiche nicht aus um Tiere bewusst zu töten

Und auch das: Die „vage Vermutung“, im See könnten sich Hinweise auf die seit 25 Jahren vermisste Jutta Fuchs oder eine mögliche Mordwaffe finden, „reicht für meine Begriffe nicht dazu aus, Tiere bewusst zu töten“. Der Prozess gegen den ehemaligen Verlobten der Frau endete im November mit einem Freispruch vor dem Landgericht Bremen. Die Suche im See war ein letzter Versuch, neue Hinweise zu finden – und blieb ergebnislos.

Seither ruhte der See still, doch jetzt droht „den Verantwortlichen“ der Aktion Ungemach. Ines-Maria Pfeiffer wirft ihnen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz vor. Bereits kurz vor dem Abpumpen des Sees hatte sie juristische Schritte angekündigt, sollte nicht dafür gesorgt werden, die „zahlreichen darin lebenden Tiere in Sicherheit zu bringen“. Genau dafür war Fischer Gischewski verantwortlich. Nach seinen und den Angaben des See-Pächters, Mathias S., konnten rund 50 zehn Kilogramm schwere Silberkarpfen, einige stattliche Aale und kleine Barsche gefangen und in einen Teich des Fischers gebracht werden, ehe die rund 35 Millionen Liter Wasser des Sees komplett abgepumpt waren.

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Rechen vor den Rohren und Auffangbehälter, in denen sich der Schlamm setzte, sollten dafür sorgen, dass kein Fisch und natürlich auch kein mögliches Beweismittel in dem Kriminalfall versehentlich fortgespült wurde. „Der Fischer hat nach den Regeln der Kunst gehandelt. Aus meiner Sicht ist das strafrechtlich nicht relevant“, sagt Frank Schmitt, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Wie bereits in der Hauptverhandlung vorm Landgericht zur Sprache gekommen sei, „gab es keine menschlichen oder tierischen Leichen“.

Leerpumpen habe keine erheblichen Schäden für die Natur verursacht

Der Landkreis Osterholz als Untere Naturschutzbehörde hatte auf Nachfrage mitgeteilt, „dass das Leerpumpen aus naturschutzfachlicher Sicht keine erhebliche Beeinträchtigung“ des Gewässers verursacht habe. Nach eigenen Angaben hatte die Behörde bereits darauf hingewiesen, dass der frühere „Fischbesatz mit nicht heimischen Silberkarpfen“ eine „starke Dezimierung der Unterwasser- und Schwimmblattvegetation geführt“ habe. Pächter Mathias S. hatte es so formuliert: „Die Fische, die da vorher drin waren, die sind auch nicht mehr richtig satt geworden. Da waren kaum noch Pflanzen drin.“

Aus Sicht der Anwältin, der der Einsatz für Tierrechte „eine Herzensangelegenheit“ ist, könnten ein Gutachter des Naturschutzbundes Nabu oder der Fischer selbst beweiskräftige Aussagen beisteuern. Helmut Kellermann, Vorsitzender Richter am Landgericht, hatte sich Gischewskis Einsatz am Tietjensee nicht entgehen lassen. „Schließlich haben wir das ja angeordnet.“ Steht der Richter nun im Ruche, den Tierschutz verletzt zu haben? „Unter der Maßgabe der richterlichen Unabhängigkeit“ schließt Frank Schmitt das aus.

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Mögliche Verdächtige gibt es reihenweise. "Die Frage ist: Wer hat den Antrag, den See abzupumpen, bei Gericht gestellt, wer hat die Durchsuchung begleitet, wer hat vor Ort die Aktion begleitet und den Fischer kontrolliert?", sagt Schmitt. "In Betracht kämen Beteiligte der Staatsanwaltschaft und Beamte der Polizei, die die Arbeiten geplant und begleitet haben.

Unklar gegen wen zu ermitteln ist

Alle an Ort und Stelle Beteiligten.„ Damit wären auch die Ehrenamtlichen des Technischen Hilfswerks im Boot der potenziell Beschuldigten. “Der Personenkreis ist nicht von vornherein auf zwei oder drei Personen zu begrenzen„, sagt Schmitt. “Da können wir nicht aus der Hüfte schießen.„ Noch sei ohnehin unklar, ob sich ein sogenannter Anfangsverdacht erhärte, der weitere Ermittlungen erst möglich mache. „Wir hoffen, dass wir bis Weihnachten wissen, ob und gegen wen zu ermitteln sein könnte.“

Der Versuch, juristische Untiefen auszuloten, führt Ines-Maria Pfeiffer noch einmal zur See-Evakuierung: Ob die eingefangenen Fische "wieder in freie Gewässer umgesetzt wurden“, entziehe sich ihrer Kenntnis. Der Fischer hatte angekündigt, die Silberkarpfen würden zu Fischfrikadellen verarbeitet. Künftig sollen heimische Arten wie Karpfen, Schleie, Rotauge und Bitterling den Tietjensee bevölkern. So stellt es sich auch die Landkreisbehörde vor.

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