Die Bremer Grünen haben einen neuen Landesvorstand für die kommenden zwei Jahre bestimmt. Bei einer Mitgliederversammlung der Partei wurden am Sonnabend Alexandra Werwath (24) und Ralph Saxe (58) als Landessprecher gewählt. Anders als in der Vergangenheit gab es diesmal für beide Spitzenplätze eine Kampfkandidatur – die über 150 Mitglieder, die zur Versammlung gekommen waren, hatten also tatsächlich eine Wahl. Die Soziologiestudentin Alexandra Werwath hielt eine energische Rede und setzte sich mit einer klaren Mehrheit gegen ihre Konkurrentin, die Anwältin Petra Fritsche-Ejemole (55), durch. Werwath erhielt 112 von 142 Stimmen (79 Prozent) und bekam damit auch mehr Zustimmung als ihre Vorgängerin Kai Wargalla (32), die vor zwei Jahren 67 Prozent der Stimmen erhielt.
Wargalla trat nicht mehr zur Wahl an. Ihre Begründung: Da sie vor einiger Zeit als Abgeordnete in die Stadtbürgerschaft nachgerückt sei, wolle sie nun die Parteiführung abgeben, damit die Trennung von Amt und Mandat gewahrt bleibe. In ihrer Abschiedsrede beschrieb Wargalla unter anderem Gegenwind, der ihr bei den Grünen von Anfang an entgegen geschlagen sei. Bereits am ersten Tag nach ihrer Wahl seien Parteimitglieder auf sie zugekommen und hätten angekündigt: „Ich bin jetzt deine innerparteiliche Opposition.“ Wargalla warb für einen besseren und fairen Umgang von Grünen untereinander.
Werwath: "Viele in Bremen denken, wir sind regierungsmüde"
Mit Wargalla hatten die Grünen eine junge Frau und eine grün-links orientierte Kandidatin an die Spitze gewählt, die aus der Occupy-Bewegung kommt. Sie wird nun von einer noch jüngeren Frau abgelöst, die aber zugleich schon viel Partei-Erfahrung hat: Werwath war Sprecherin der Grünen Jugend in Bremen und zwei Jahre lang Mitglied im Bundesvorstand der Grünen. Ihre Schwerpunkte sind Feminismus, soziale Gerechtigkeit und Wirtschaft. Sie übte am Sonnabend auch Kritik an der eigenen Partei: „Viele in Bremen denken, wir sind regierungsmüde, nicht mehr an der Lebensrealität der Menschen dran und zum Teil auch etwas arrogant – das wollen wir doch nicht auf uns sitzen lassen“, forderte sie. Die Linke verkörpere heute in vielen Bereichen das, was die Grünen vor zehn Jahren gewesen seien: „Dabei sind wir doch die Partei der Bürgerbeteiligung und der Bürgerinitiativen.“ Werwath will sich insbesondere dafür einsetzen, dass die Parteiführung wieder stärker ein Ohr in den Stadtteilen hat: „Wir wollen als Vorstand in die Stadtteile und zu den Beiräten kommen, so soll es sein, und nicht umgekehrt.“
Ein wichtiges Thema für die Grünen ist, wie die Partei ihre Basis besser erreichen, sich erneuern und für die Zukunft aufstellen kann. Am Sonnabend wurde auch kontrovers über die Verjüngung der Parteispitze diskutiert. So wurde trotz einiger Gegner in den eigenen Reihen beschlossen, dass ab sofort mindestens eine Person im Vorstand unter 30 sein muss. Die Grüne Jugend hatte sich dafür eingesetzt und ursprünglich sogar eine Altersgrenze von 28 Jahren für den Jugendplatz gefordert, konnte sich mit dieser Altersgrenze aber nicht durchsetzen.
Knappes Ergebnis - Saxe fühlt sich "trotzdem gestärkt"
Spannend wurde es noch einmal bei der Wahl des zweiten Landessprechers. Denn der langjährige Bremer Parteichef Ralph Saxe musste sich gegen einen erfahrenen Gegenkandidaten beweisen: Zuvor hatte der Europapolitiker und ehemalige Grünen-Landessprecher Hermann Kuhn seine Kandidatur bekannt gegeben. Tatsächlich konnte sich der Pädagoge und Weinhändler Saxe letztlich knapp gegen Kuhn durchsetzen – mit 75 zu 71 Stimmen. Kuhn hatte insbesondere eine klare Haltung der Parteiführung eingefordert und betonte auch in seiner Bewerbungsrede, Beschlüsse der Partei müssten auch wirklich umgesetzt werden. Dafür erhielt er kräftigen Applaus. Sichtbar wurde: Ein Teil der Grünen ist offenbar nicht zufrieden mit dem Führungsstil des bisherigen Vorstands, manche beschreiben das knappe Abstimmungsergebnis als einen „Warnschuss“ für Saxe.
Kuhn dagegen fand auch Zustimmung bei Grünen, die sich ein stärkeres Auftreten der Partei wünschen – durchaus auch gegenüber grünen Senatsvertretern. So findet mancher Grüne, dass Umweltthemen im Senat zu kurz kommen und der Fokus im Ressort von Joachim Lohse eher auf Bau denn auf Umwelt liege. Saxes Führungsstil gilt als offen und moderierend, der 72-jährige Kuhn dagegen als strukturierter Stratege mit einem Schwerpunkt auf Europa-, Finanz- und Friedenspolitik. Saxe ist ein Vertreter der Öko-Fraktion und setzt sich vor allem für Verkehrspolitik und Stadtentwicklung ein. Er brachte zuletzt zudem einen Vorstoß für jüngere grüne Kandidaten bei der Bürgerschaftswahl ein. Saxe sieht sich trotz des knappen Siegs nicht geschwächt: „Einen besseren Gegenkandidaten als Hermann Kuhn hätte ich nicht bekommen können, es war ein ganz knappes Ergebnis, aber ich fühle mich trotzdem gestärkt.“