Die Ansage klingt dramatisch: "Hier brennt die Hütte", soll der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nach Medienberichten an diesem Donnerstag bei der Bund-Länder-Runde gesagt haben. Im Osten und Süden der Republik sind die Corona-Inzidenzen besonders hoch und die Intensivstationen am Limit – weshalb schwer kranke Covid-19-Patienten seit gut einer Woche in andere Bundesländer verlegt werden müssen.
Bremen hat am vergangenen Wochenende vier Patienten aus Sachsen und Thüringen aufgenommen, sie wurden in Krankenhäuser in der Stadt Bremen und in Bremerhaven transportiert. "Für die Verlegung eines fünften Patienten in das Klinikum Links der Weser gibt es aktuell eine grobe Anfrage", sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitsbehörde, dem WESER-KURIER. An diesem Freitagabend wird außerdem ein Ambulanzflugzeug mit zwei Patienten auf dem Bremer Airport erwartet, die in Delmenhorst behandelt werden sollen.

Andreas Callies ist der zentrale Ansprechpartner im Land Bremen für die Patientenverlegungen im Zuge des Kleeblatt-Verfahrens. Der Notarzt ist außerdem Leiter des ärztlichen Rettungsdienstes in der Stadt Bremen.
"Wenn man die Berichte aus den besonders belasteten Regionen hört, ist nicht auszuschließen, dass in der nächsten Zeit weitere Anfragen an Bremen für Intensivtransporte folgen", sagt Andreas Callies. Der Leiter des Ärztlichen Rettungsdienstes in Bremen ist seit Kurzem auch "Single Point of Contact" – und damit Ansprechpartner des Landes Bremen für die Verlegung von Covid-19-Intensivpatienten in Kliniken der Hansestadt im Zuge des sogenannten Kleeblatt-Verfahrens. Fünf Kleeblätter gibt es: Bremen gehört mit Niedersachsen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein zum Kleeblatt Nord. Erstmals seit fast zwei Jahren Pandemie ist das Verfahren vor etwas mehr als einer Woche deutschlandweit scharf geschaltet worden.
Niedersachsen ist Koordinator für das Kleeblatt Nord. "Von dort werden die Anfragen an mich weitergeleitet. Über die Gesundheitsbehörde wird dann mit den Kliniken geklärt, ob es Intensivkapazitäten gibt", so Callies. "Das Headquarter in Niedersachsen entscheidet daraufhin, wie viele Patienten welches Kleeblatt-Nord-Land bekommt. Die Krankenhäuser erhalten Details zum Zustand der Patienten und es wird geklärt, wie der Transport abläuft." Das kann laut Callies per Flugzeug sein, oder auf dem Landweg mit speziellen Intensivtransportfahrzeugen.
So geschehen am vergangenen Wochenende: Zwei Patienten wurden mit einem Ambulanzflugzeug von Dresden nach Bremen geflogen, den Transport vom Airport Hans-Koschnick nach Bremerhaven hat die Feuerwehr Bremen übernommen. "Weil es vor Ort keine Kapazitäten gab, hat die Feuerwehr Bremerhaven parallel dazu die Verlegung des dritten Patienten übernommen und ein Intensivtransportfahrzeug ins Erzgebirge und wieder zurück nach Bremen geschickt", so der Arzt. Der vierte Patient wurde per Rettungswagen verlegt, diesen Transport hat das abgebende Kleeblatt Ost mit einem Rettungsfahrzeug organisiert.
Stabiler Allgemeinzustand nötig
Intensivtransporte sind laut Callies in jedem Fall eine große Herausforderung: "Die Patienten sind schwer krank, eine Verlegung ist deshalb immer mit Risiken verbunden", betont der Arzt. "Nicht jeder Patient ist transportfähig, weil etwa Kreislauf oder Lungenfunktion zu instabil sind. Die am Wochenende nach Bremen verlegten Patienten waren etwa ein bis zwei Wochen in Behandlung. Sie befanden sich in einem stabileren Allgemeinzustand, sodass ihnen die Herausforderung eines langen Transports zugetraut werden konnte." Patienten, die gerade erst als Notfall auf die Intensivstation verlegt wurden, kämen dafür in der Regel wegen des erhöhten Risikos nicht infrage. "Das wird nur in Erwägung gezogen, wenn es nicht anders machbar ist", betont der Arzt.
Das Team für einen Intensivtransport besteht laut Callies aus mindestens einem Notarzt oder einer Notärztin sowie zwei Notfallsanitätern oder -sanitäterinnen. "Jeder Transport, ob im Flugzeug oder auf der Straße, ist hochkomplex. Denn auch bei stabileren Patienten kann sich der Zustand jederzeit verschlechtern, auf solche Situationen muss man immer gefasst sein", betont Callies. Das setze ein sehr erfahrenes Team voraus. Die Notärzte und Notärztinnen für den stadtbremischen Rettungsdienst kommen laut Callies aus sechs Bremer Krankenhäusern, Hilfsorganisationen und die Feuerwehr stellen Notfallsanitäter.
Wie in den Krankenhäusern seien auch im Rettungsdienst die Personalkapazitäten der Dreh- und Angelpunkt. "In den Kliniken etwa hängt es nicht unbedingt an den Beatmungsgeräten für die Intensivversorgung, sondern am Personal, das wir noch weniger zur Verfügung haben als zu Beginn der Pandemie. Ärztinnen, Ärzte und die Pflegekräfte sind seit Mitte März vergangenen Jahres überdurchschnittlich belastet und gefordert", betont Callies. Bei der Versorgung von Covid-19-Patienten komme außerdem das erhöhte Risiko dazu, sich selbst zu infizieren.