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100-jähriges Jubiläum Wie das Neue zum Alten Rathaus kam

Bremen. Der Neujahrsempfang des Senats am kommenden Mittwoch gilt diesmal nicht nur dem neuen Jahr, sondern auch dem Neuen Rathaus. Es wurde nämlich am 16. Januar 1913 – also vor 100 Jahren – eingeweiht.
13.01.2013, 05:00 Uhr
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Von Erika Thies

Bremen. Der Neujahrsempfang des Senats am kommenden Mittwoch gilt diesmal nicht nur dem neuen Jahr, sondern auch dem Neuen Rathaus. Es wurde nämlich am 16. Januar 1913 – also vor 100 Jahren – eingeweiht. Der stattliche Bau stieß von Anfang an auf allgemeine Zustimmung, zumal er das zwar sehr viel ältere, aber doch auch sehr viel kleinere Alte Rathaus nicht zu übertrumpfen versuchte.

"Der neue Bau, der innerlich dem alten so harmonisch verbunden ist, soll auch nach außen mit ihm denselben Namen führen", verkündete Bürgermeister Carl Barkhausen in seiner Einweihungsrede. "Das Gesamtwerk heißt nunmehr: Rathaus." Dass dieses Gesamtwerk inzwischen als Weltkulturerbe noch speziellen Denkmalschutz genießt, ist nicht zuletzt Gabriel von Seidl (1848-1913) und Franz Schütte (1836-1911) zu verdanken.

"Petroleumkönig" Franz Schütte war der wohl bis heute bedeutendste bremische Mäzen. Er hat die Fertigstellung des Neuen Rathauses nicht mehr erlebt. Gabriel von Seidl war seinerzeit einer der wichtigsten deutschen Architekten. Für einen ihm anlässlich der Einweihung nach München übersandten Lorbeerkranz bedankte er sich, fast schon vom Sterbebett aus, mit den begeisterten Worten: "Der Bau des Stadthauses in Bremen war vom ersten Striche an bis zum letzten für mich eine besondere Quelle der Freude." Eine interessantere Baustelle habe er sich gar nicht vorstellen können.

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Stadthaus – so hieß das Gebäude, das 1909 dem Neubau hatte weichen müssen. Das Stadthaus war zwischen 1816 und 1819 an der Stelle des einstigen erzbischöflichen Palatiums entstanden, nach dessen teilweisem Abriss. Über die Unzulänglichkeiten des baufälligen Palatiums, das sein Dienstsitz war, hat sich Ende des 18. Jahrhunderts der berühmte Freiherr Adolph von Knigge als hannoverscher Oberhauptmann bitter beklagt. Unter der Enge des Stadthauses litten Ende des 19. Jahrhunderts die dort untergebrachten Behörden, Gerichte und die Polizei.

Das neue Gerichtsgebäude an der Domsheide wurde 1895, das neue Polizeigebäude am Wall wurde 1908 bezogen. Indessen hatte Franz Schütte für die längst überfällige Rathauserweiterung goldene Brücken gebaut. Besaß die Stadt jenseits des Rembertitunnels nicht allerbestes Bauland? Eine von Schütte initiierte Baugesellschaft bot dafür 2,5 Millionen Mark – allerdings nur unter der Bedingung, dass davon ein neues Stadthaus zu finanzieren sei.

In der entscheidenden Bürgerschaftsversammlung im Juli 1899 stimmten von 115 Abgeordneten dann zwar 26 mit "Nein" und einer enthielt sich, aber 89 waren mit der zuständigen Deputation einer Meinung: "Schon seit langer Zeit ist nicht nur in kunstverständigen Kreisen, sondern wohl in der ganzen Bevölkerung unserer Stadt der Wunsch lebendig gewesen, daß das unschöne nüchterne Gebäude des Stadthauses durch einen würdigen Neubau ersetzt werden möge."

Man schrieb einen Architektenwettbewerb aus. Von den dazu eingereichten 105 Entwürfen konnte keiner die Jury überzeugen. Gabriel von Seidl gehörte dieser Jury an. Das Alte Rathaus zu erweitern, wurde für ihn zu einer immer verlockenderen Aufgabe. So nahm er 1907 am folgenden "eingeschränkten Wettbewerb" nicht mehr als Preisrichter teil, sondern als einer der 15 dazu eingeladenen Architekten. Von vornherein haushoher Favorit, erhielt er den Auftrag dann auch.

Der Bäckerssohn Gabriel Seidl, seit 1900 Ritter von Seidl, baute damals in München gerade das Deutsche Museum. Auch andere bedeutende Bauten in seiner Heimatstadt stammen von ihm, so das Bayrische Nationalmuseum, die Lenbachvilla, die Kaulbachvilla und das Künstlerhaus am Lenbachplatz. Gern wurden bei ihm auch repräsentative Adelssitze geordert: die Schlösser Ramholz, Schönau, Neubauern, Lerbach und Büdesheim. Für den Bremer Stadtwald entwarf er einen Aussichtsturm. Im Bürgerparkviertel heißt eine Straße nach ihm. Das Neue Rathaus – veranschlagte Kosten: 1,518 Millionen Mark – war sein letztes Werk und gilt als eines der gelungensten. Schon vom ersten Tage an hing dort sein von Leo Samberger gemaltes Porträt – "ein Geschenk des Herrn H. A. Wuppesahl", wie das "Hamburger Fremdenblatt" zu berichten wusste.

Dass sich gut situierte Bürger und florierende Unternehmen an den Kosten für die Innenausstattung beteiligen würden, war von Anfang an zu erwarten gewesen. Das "Hansazimmer" – jetzt Zimmer des Bürgermeisters – wurde damals auf Kosten der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft "Hansa" eingerichtet. Die von Carl Vinnen gemalte alte Bremer Hafenansicht – jetzt im Festsaal – war ein Geschenk der Baumwollbörse. Den "originellen Beleuchtungskörper aus zwei Walfischkiefern" stiftete die Bremer Wollkämmerei. Die Gemälde im Kaminsaal kamen vom Kunstverein. Die von Fritz Behn geschaffene Bronzefigur der "Weser" im Flur war ein Präsent des Norddeutschen Lloyd. Und bei seinem 22. und letzten Bremen-Besuch sollte sich Kaiser Wilhelm II. im März 1913 vom Festsaal aus in ein kostbar ausgestattetes und mit seinem Reliefporträt geschmücktes Turmzimmerchen zurückziehen können, das – laut "Hamburger Fremdenblatt" – "die Freigebigkeit des Herrn Herm. Melchers durch Professor von Hildebrand hat herrichten lassen".

Am Tag der Einweihung war auf den Festakt in der oberen Halle des Alten ein festliches Mahl im Festsaal des Neuen Rathauses gefolgt. Dabei durften dann keine Reden mehr gehalten werden. Wer die Grenze zwischen den beiden Gebäuden überschritt, bemerkte im Fußboden nur einen kleinen Höhenunterschied. Das den Festsaal beherrschende Riesengemälde, auf dem Gott Merkur eine schwerttragende Brema mit dem Meere vermählte, wurde später ausgetauscht.

Kritische Stimmen, wonach statt eines Architekten aus Bayern lieber einer aus Bremen hätte tätig werden sollen, waren bald verstummt. Aversionen gegen den für die Fassade verwendeten Klinker legten sich, weil sein matter Farbton mit den Backsteinen des Alten Rathauses gar nicht erst in Konkurrenz trat. Und der außen ebenfalls verwendete bayrische Muschelkalk alterte so schnell und so schön, dass das Neue Rathaus überraschend schnell so aussah, als stünde es schon sehr viel länger an seinem Platz.

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