Ein gewaltiges Wummern dröhnt aus dem Flur. Vier arabische Trommler kündigen den Einzug des Brautpaares an, auf den die Gäste seit knapp zwei Stunden warten. Verärgert ist deshalb niemand, die Party läuft bereits ohne die Hauptpersonen. Als Leila Ibrahim und Omer Ajkunic dann endlich den Festsaal betreten, gibt es für ihre Familie und Freunde kein Halten mehr. Es wird gepfiffen, gejubelt und gefilmt. Diesen Moment will jeder für die Ewigkeit festhalten.
Man weiß gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll: Allein das perlenbestickte Kleid der Braut ist gigantisch. Drei Brautjungfern müssen die Schleppe tragen. Tanzend bewegt sich das Paar samt Entourage langsam in die Mitte des Raumes. Wer erwartet, dass der Einzug dort endet, liegt falsch. Nun geht es erst richtig los.

Als das Brautpaar den Saal betritt, will fast jeder Gast den Moment festhalten.
Die Trommler tanzen, springen durch die Luft und landen gekonnt vor dem Brautpaar. Alt, jung, traditionell oder modern gekleidet: Fast der ganze Saal ist jetzt auf den Beinen und wippt begeistert mit. Eine Sängerin namens Dragana Todorovic stimmt einen Song an, es wird romantisch. Sie und zwei weitere Künstler wurden extra vom Balkan eingeflogen, um an diesem Abend aufzutreten. "Dort sind sie sehr bekannt", sagt ein Gast. Als Trinkgeld hält die Frau nach kurzer Zeit mehrere 50- und 100-Euro-Scheine in der Hand, mit denen sie sich Luft zufächelt. Ein vom Brautpaar engagiertes Kamerateam fährt mit einer Art elektrischen Skateboard um die Festgesellschaft herum. Ja, an diesem Abend wird richtig aufgefahren.
Ibrahim und Ajkunic wiegen derweil Hand in Hand sanft zu den Klängen aus ihrer Heimat. Passend dazu bläst eine Nebelmaschine weißen Rauch auf die Tanzfläche, dann wird auch noch ein kleines Indoor-Feuerwerk gezündet. Funken sprühen durch die Luft. "Das war für mich der emotionalste Moment des Abends", wird Leila Ibrahim später sagen.
"So etwas habe ich noch nie erlebt"
Die Eröffnungstänze dauern etwa eine halbe Stunde. Als Gast, der solche Hochzeiten nicht gewohnt ist, fragt man sich, was danach eigentlich noch kommen soll. Doch es ist bloß der Auftakt einer typischen Balkan-Hochzeit, die noch bis zum nächsten Morgen dauern wird. Für die Verliebten ist es die Feier ihres Lebens. 500 Menschen sind gekommen, einige davon sind extra aus Bosnien und Montenegro angereist.
Mit der Hochzeit werden mehrere Nationen und Rituale miteinander vereint: Leila Ibrahim hat bosnische und palästinensische Wurzeln, Omer Ajkunics Familie stammt aus Montenegro. Als Zeichen ihrer Verbundenheit hat einer der Anwesenden die Fahnen der Länder aneinandergebunden und schwingt sie zur Musik. "So ein Fest habe ich noch nie erlebt", sagt ein deutscher Gast, der mit seiner Begleitung vor der Tür frische Luft schnappt. Drinnen fällt ihnen das Reden aufgrund der enormen Geräuschkulisse schwer. Doch lange bleiben sie nicht vor der Tür, im Saal gibt es zu viel zu verpassen.

Hier zählen die großen Scheine: Trinkgeld für die Sängerin.
Torte wird extra aus Essen angeliefert
Durch die Hintertür wird parallel die opulente Hochzeitstorte angeliefert - das mehrstöckige Kunstwerk hat ein bekannter Tortenkünstler aus Essen gebacken. Sie soll später nach dem deftigen Buffet als fulminantes Dessert präsentiert werden. Eine Hochzeit ohne viel und gutes Essen ist schließlich nichts wert, sagen die Familien. Seit Monaten planen die Angehörigen mit dem Brautpaar diesen Abend. Alles soll perfekt sein.
Und auch am Tag selbst gehen die Vorbereitungen früh los. "Ich war um 5 Uhr morgens beim Friseur", sagt Leila Ibrahim. Mehrere Stunden werden sie und auch die anderen Frauen aus ihrer Familie mit dem Styling zubringen. "An schlafen war eigentlich nicht zu denken", sagt Mutter Jasmina Ibrahim. Nach dieser Nacht müssen sie und ihr Mann ihre Tochter aus ihrem Zuhause in Verden verabschieden, sie zieht nun zu ihrem Gatten nach Bremen. Als die Braut am Nachmittag von der Familie ihres Mannes abgeholt wird, geht es standesgemäß per Autokorso zu ihrer neuen Wohnung in Bremen.

Ihre Familien sind nun miteinander verbunden: Die Eltern des Brautpaares tanzen zur traditionellen Musik.
Zwei Jahre ist das Paar zusammen, den Antrag machte Omer Ajkunic vergangenes Jahr im Bosnienurlaub. Bereits im Februar ließen sich die beiden Muslime im kleinen Kreis in einer Moschee trauen. Vor dem Gesetz ist das Paar jedoch noch nicht offiziell Mann und Frau. Ihren Termin beim Standesamt haben Sie voraussichtlich im Juli. "Wir haben die entsprechenden Papiere zu spät eingereicht. Für uns zählt aber die Feier", sagt Ajkunic.
Als Ort dafür haben sich die Frischvermählten das "White Plaza" in der Nähe des Bremer Flughafens ausgesucht. Neben Bürogebäuden und Lagerhallen haben die Veranstalter dort mehrere prunkvolle Festsäle eingerichtet. Die Nachfrage für Hochzeiten dieser Größenordnung sei groß, sagt Inhaber Osman Karabacak.















Seit Geburt für Hochzeit gespart
Der Mann, der diesen Abend bezahlen muss, heißt Saba Ajkunic und ist der Vater des Bräutigams. Es hat Tradition, dass er für die Feierlichkeiten aufkommt. Normalerweise würde eine solche Hochzeit etwa 80.000 Euro kosten, schätzt er. Er selbst zahle deutlich weniger. "Ich arbeite in der Restaurant- und Hotelbranche und habe über die Jahre einigen Menschen einen Gefallen getan. Davon profitiere ich jetzt", sagt Akjunic und schmunzelt. Teuer bleibt es dennoch. Er habe schon zur Geburt ein Konto für die Hochzeit seines Sohnes angelegt. "Ich freue mich, dass der Tag nun gekommen ist. Mein Herz ist heute so groß. Es fühlt sich an, als ob ich wieder Vater werden würde."
Eine stattliche Summe dürfte auch bei den Geschenken für das Brautpaar zusammenkommen. Zu ihrem Tisch führt ein roter Teppich, auf dem sich im Laufe des Abends die Gäste hintereinander einreihen, um ihre Geschenke und Glückwunsche zu überbringen. Aufwendig verpackte Gaben stehen hier nicht im Vordergrund – auf den Inhalt kommt es an. Ein Mann etwa zückt sein Portemonnaie und zieht drei 100-Euro-Scheine heraus, die er dem Paar mit den besten Wünschen in die Hand drückt.

An dem üppig geschmückten Tisch sitzen natürlich die Eheleute.
Goldkette für schlechte Zeiten
Von ihrer Familie bekommt Leila Ibrahim Goldschmuck überreicht, eine Tradition in vielen Kulturen. Ihr Bruder hängt ihr eine Kette um, an der mehrere Goldplatten baumeln. "Das ist quasi wie ein Sparbuch. Wenn es ihnen finanziell mal nicht so gut geht, können sie eine Platte verkaufen", erklärt Mutter Jasmina Ibrahim.
Von ihrer Tochter wird einiges abverlangt. Zwei Mal noch wird die 20-Jährige ihr Kleid tauschen. Einmal schlüpft sie in ein rotes palästinensisches Gewand, nach Mitternacht wechselt sie in ein hellblaues Partyoutfit. So schön der Tag für das Brautpaar und ihre Familien ist, so anstrengend ist er auch. Für einen kurzen Moment blitzen beim Eröffnungstanz pinke Badelatschen unter Ibrahims Kleid hervor. "Anders halte ich das nicht aus", sagt Ibrahim und lacht. Sie weiß, der Abend ist noch lange nicht vorbei.