Eine zentrale Figur des Stadtmarketings in der Nachkriegszeit war Klein-Roland. Wie berichtet, begann sie als Zeichnung im WESER-KURIER und wurde Anfang der 50er-Jahre zur echten Person. Eines der Kinder, das die repräsentative Rolle im Rolandskostüm übernahm, war Gertrud Bartels, geborene Goldschmidt. Genaugenommen ist sie bis dato der letzte Klein-Roland.
Von 1954 bis 1958/59 war sie als Bremen-Botschafterin mit Puffärmeln und Perücke unterwegs. "Ich habe es leidenschaftlich gerne gemacht", sagt die heute 86-Jährige. Dass Klein-Roland nun wieder als Werbeträgerin für den Freimarkt aufgelegt werden soll, findet sie interessant, aber auch verwunderlich. "Es erstaunt mich, dass eine 70 Jahre alte Idee wieder hervorgeholt wird."
Als Model bei Karstadt-Modenschauen
Beworben hatte sie sich für die Rolle damals auch nicht. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe war vielmehr Bedingung dafür gewesen, eine Lehrstelle beim WESER-KURIER antreten zu können. Zuvor lief sie auf Modenschauen bei Karstadt über den Laufsteg, die das Kaufhaus damals viermal im Jahr veranstaltete. Eine emotionale Angelegenheit, wie sich Bartels erinnert: "Der Saal war proppenvoll und die Mütterchen saßen im Publikum und haben geweint."
Freie Ausbildungsplätze gab es bei Karstadt damals nicht, also vermittelte der damalige Werbechef die junge Frau an den Berufskollegen von der Zeitung. Als sogenannte Anfängerin war sie beim WESER-KURIER der Personalabteilung angegliedert und durchlief alle Abteilungen, die sie jeweils als Schreibkraft mit Steno und Schreibmaschine unterstützte.
Als Klein-Roland schlüpfte die damals 16-jährige Gertrud Bartels dann in eine völlig andere Rolle und war viel in der Öffentlichkeit präsent, stets begleitet von einem persönlichen Betreuer und diversen Fotografen. Zur Eröffnung des Freimarkts ritt sie einmal sogar Speckflagge schwenkend auf einem Elefanten, einer Leihgabe vom Zirkus Althoff. "Auf Höhe der Post ging der Elefant plötzlich für einen Moment auf die Hinterfüße. Weil ich keinen Sattel hatte, konnte ich mich nur schnell am Hals festhalten", erzählt Gertrud Bartels.
Neben der Werbung für den Freimarkt war Klein-Roland mit vielen weiteren Pflichten betraut. So begleitete sie Bürgermeister Wilhelm Kaisen bei Hochzeitsjubiläen und runden Geburtstagen. Wichtige Auftritte hatte Klein-Roland bei den Festen der Bremer Schützengilde oder wenn es galt, Unternehmen wie Acella am Bahnhof zu begrüßen. "Einer der ersten Kunststoffhersteller", erklärt sie. Wenn einmal im Jahr in Bremerhaven die Austauschstudenten aus den USA mit der "Seven Seas" ankamen, verlas Bartels eine Willkommensrede an der Kaje. Dadurch gelangte Klein-Roland auch in Übersee ganz kurz zur Bekanntheit: Als am 31. August 1956 der 1000. Austauschstudent ankam, erschien ein Foto, auf dem Bartels mit Kostüm und Schriftrolle zu sehen ist, im "Northern Valley Tribune".

So sieht Gertrud Bartels heute aus.
Das Kostüm, das aus der Schneiderei des Theaters stammte, übernahm sie weitgehend vom Vorgänger, sie bekam aber neue Schuhe und eine neue Perücke. Die Maskerade half ihr, privates und öffentliches Leben voneinander zu trennen: "Meine Klassenkameraden wussten nicht, dass ich Klein-Roland war. Privat sah ich ganz anders aus."
1959 war Gertrud Bartels zu erwachsen, um die Rolle weiter auszufüllen. "Ich glaube nicht, dass danach noch jemand Klein-Roland war", sagt sie. 1961 heiratete Gertrud Bartels und zog mit ihrem Mann nach Stuttgart, wo sie sich kurze Zeit darauf mit einem Juweliergeschäft selbstständig machten und eine Familie gründeten. 1977 zogen sie gemeinsam nach Ravensburg. Das Geschäft wird dort heute in dritter Generation weitergeführt.