Gibt es Medien, die Kinder problemlos allein nutzen können?
Laura Hellerbach: Medienkompetenz hängt stark von Alter und Reifegrad des Kindes ab. Zwar können Kleinkinder ein Tablet schon leicht bedienen. Das heißt aber nicht, dass sie bestimmte Medieninhalte schon ausreichend erfassen können. Generell ist es besser, wenn Eltern aktiv Medienerziehung betreiben, anstatt die Verantwortung an die Kinder abzutreten. Es ist im Grunde vergleichbar mit dem Schulweg: Zunächst werden Eltern ihre Kinder auf dem Weg zur Schule begleiten. Erst wenn Eltern sich sicher sind, dass das Kind auf den Verkehr achtet und sich an Absprachen hält, werden sie ihm zutrauen, den Weg alleine zu gehen.
Und wie können Eltern herausfinden, welche Online-Serie oder App die richtige ist?
Eltern sollten die Medien, die ihre Kinder nutzen, möglichst selbst ausprobieren und gut kennen. Altersempfehlungen sind mit Vorsicht zu genießen – zum einen sagt das FSK-Label nichts darüber aus, ob es sich um ein wertvolles Kinder-Medium handelt, zum anderen ist es besser individuell zu schauen, wofür ein Kind reif ist und welche Motivation hinter der Mediennutzung steht. Jugendliche können viele Medien natürlich schon weitaus selbstbestimmter nutzen. Trotzdem ist es wichtig, mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Wenn Jugendliche merken, dass ihre Eltern ein authentisches Interesse an ihrem Medienkonsum haben, werden sie bei Schwierigkeiten auch eher auf sie zugehen.
Wie viele Stunden am Tag sollte ein Kind mit Smartphone oder Tablet verbringen?
Wichtiger als die Frage „Wieviel?“ ist dieser Tage „Was?“: Statt meinem Kind noch eine Folge seiner Lieblingsserie zu erlauben, kann ich mit ihm ein Bewegungslied bei Youtube anschauen, zu dem man gemeinsam singen und tanzen kann. Wenn die jugendliche Tochter schon zwei Stunden gezockt hat, können Eltern stattdessen eine Video-Verabredung mit Oma oder den Freunden vorschlagen. Medien lassen sich nicht nur passiv konsumieren, man kann sie auch kreativ nutzen. Wichtig ist natürlich, sich als Familie auch ausreichend medienfreie Zeit zu gönnen, etwa zum Basteln, Malen, Backen, Musizieren, Draußen-Sein oder Sport treiben.
Und wann ist der Medienkonsum zu viel?
Risikoreich ist er vor allem dann, wenn sich Kinder und Jugendliche vollständig in die digitale Welt zurückziehen, andere Hobbys gar keinen Spaß mehr machen und Schule gänzlich vernachlässigt wird. Dann ist es gut, wenn Eltern sich trauen, Unterstützung einzufordern – zum Beispiel in den Erziehungsberatungsstellen (aktuell per Telefonberatung) oder bei der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (www.eltern.bke-beratung.de).
Wie kann man ein Kind – möglichst ohne größeren Streit – dazu bringen, sich vom Bildschirm zu lösen?
Eltern haben einen enormen Vorbild-Charakter für ihre Kinder: Es ist daher besonders wichtig, auch den eigenen Medienkonsum bewusst zu reflektieren und seinen Kindern medienfreie Zeit, zum Beispiel bei den gemeinsamen Mahlzeiten, vorzuleben. Außerdem können Eltern mit ihren Kindern schon vor dem Schauen genau besprechen, wie viel Bildschirm-Zeit zur Verfügung steht. Eine Eieruhr kann dem Kind helfen, zu veranschaulichen, wieviel Zeit schon vergangen ist und wann die vereinbarte Zeit um ist. Hilfreich ist zudem eine feste Tagesstruktur, mit einer für das Kind verständlichen Übersicht, wann welche Medien erlaubt sind.
Und wie gelingt das mit Jugendlichen?
Eltern von Jugendlichen dürfen ein bisschen Druck rausnehmen: Gerade Jugendliche haben nun einen größeren Drang, online in Verbindung zu bleiben, wenn sie ihre Freunde gerade nicht real treffen können. Auch hier ist es ratsamer, bewusst medienfreie Zeit einzuplanen, statt ständig zu kontrollieren. Vielleicht machen Sie eine Familien-Challenge draus: Welches Familienmitglied hält es wohl am längsten aus, nicht zum Smartphone oder Tablet zu greifen?
Laura Hellerbach
ist Psychologin und Erziehungsberaterin in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien vom Amt für Soziale Dienste Bremen.
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Wie lässt sich Lagerkoller vermeiden, wie viel Medienkonsum ist gut für Kinder oder wie können Eltern in Zeiten der Kontaktsperre Regeln durchsetzen? In einer losen Reihe geben Erziehungsberater der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien vom Amt für Soziale Dienste Bremen Tipps, wie Familien die Zeit zu Hause miteinander verbringen können.