Viel heißer kann auch Wüstenwind nicht sein: Ein glühender Luftstoß kommt auf diejenigen zu, die da auf ihren Handtüchern in der Holzkabine sitzen. Der spontane Smalltalk zwischen den Saunagästen, der sich zuvor um Reiseabenteuer mit Giftschlangen und Skorpionen drehte, erstirbt. Einatmen, ausatmen, einatmen, für mehr bleibt gerade kein Raum. Saunameister Johannes Betzinger hat seinen Riesen-Fächer rausgeholt und zeigt, wie ein Aufguss bei ihm funktioniert. Jeder Saunagast wird der Reihe nach schwungvoll angewedelt. Und Betzinger setzt auf das große Programm: Nicht zwei Runden, nicht drei, nein, vier Runden macht er bei diesem Aufguss. Zuletzt setzt sich eine Frau eine Stufe tiefer, aber alle Saungäste bleiben und harren bis zum Ende aus.
Zweimal in die Woche in die Sauna, das empfiehlt Johannes Betzinger, der im Bremer Südbad in der Neustadt arbeitet. Er selbst ist fünf Tage pro Woche in den heißen Holzhütten unterwegs, vier bis acht Aufgüsse pro Tag sind sein Job. Der 55-Jährige ist seit 18 Jahren als hauptamtlicher Saunameister im Einsatz. Wenn er keinen Aufguss macht, ist der gelernte Rettungsschwimmer nebenan beim Schwimmbecken und passt auf, dass dort niemand ungewollt untergeht.

Auch ein Fußbad tut gut zum Runterkommen.
Der Job der Saunameister ist es, den letzten Funken Kälte aus den Knochen zu vertreiben: Sie sollen den Winter wegwedeln. Oder, wie Johannes Betzinger es ausdrückt: „Wir wollen, dass der Mensch noch mehr schwitzt, das ist der Sinn des Aufgusses.“ Wenn der Saunameister seinen großen Bambus-Fächer schwingt, wird der dünne Luftfilm, der sich zwischen den feinen Haaren auf der Haut bildet und vor allzu großer Hitze schützt, weg gefächert. Dadurch wird es noch einmal heißer als zuvor.
Durchglühen und Show
Saunameister sorgen fürs Durchglühen, viele setzen aber zugleich auch auf Show und lassen beim Wedeln die Muskeln spielen. Es gibt sogar Aufguss-Weltmeisterschaften, bei der ambitionierte Saunameister um Titel kämpfen. Manche treten dann als Ikarus auf und wedeln mit den Flügeln, andere verkleiden sich zum Aufguss als Indianer oder Stierkämpfer, der mit Licht, Musik und heißer Luft eine Geschichte erzählt. „Der deutsche Saunabund warnte schon vor zu viel Event-Charakter beim Aufguss, schließlich soll es ja auch um Entspannung gehen“, sagt Johannes Betzinger.
Er selbst setzt eher auf klassisches Programm beim Aufguss und sagt klar von sich: „Ich bin schon als Kind in einem Haus mit Sauna im Keller aufgewachsen, ich hab mein Hobby zum Beruf gemacht.“ Allerdings: Der Job bringt auch schon mal kleinere Blessuren mit sich. An manchen Tagen hat Betzinger sogar Brandblasen an den Fingern. Der Grund: Die heiße Luft, die jeden Saunagast nur ein paar Sekunden lang direkt trifft, sie strömt beim Wedeln mit dem Fächer die ganze Zeit an den Fingern des Saunameisters entlang. Nach dem Aufguss ist er deshalb wie alle anderen und ganz besonders auf Kühlung angewiesen.
Darüber, wie das Wechselspiel von heiß und kalt auf den Körper wirkt, kann Betzinger viel erzählen: „Der Saunagang steigert das Immunsystem, die Temperaturwechsel härten den Körper gegen Infekte ab. Auch für trockene Haut kann die Sauna gut sein, die Rückfettung funktioniert danach besser.“ Und sogar dann, wenn einem gar nicht nach noch mehr Hitze ist, kann der Saunagang guttun, sagt er – nämlich bei einem Sonnenbrand: „Nach dem Sonnenbad ab in die Sauna – das beschleunigt die Zellerneuerung und die Regeneration der Haut.“

Nach dem Saunagang kann man sich mit Eis kühlen.
Minzig-herbe Aromen gefragt
Wer zehn bis zwölf Wochen lang regelmäßig in die Sauna geht, bekommt seltener eine Erkältung als Nicht-Saunagänger, das zeigen Studien. Mediziner gehen davon aus, dass vor allem die Entspannung in der Sauna die Gesundheit fördern kann. Mit einer Grippe oder einer fiebrigen Erkältung dagegen sollte man sich nicht in die Sauna begeben, das kann sogar kontraproduktiv sein. Gut tun kann das Wärmebad mit abschließender Kühlung dagegen nach dem Sport und bei Muskelkater: „Die Muskulatur entspannt sich, der Sympatikus wird angeregt, man kann runterkommen vom Stresspegel.“
Rund 20 000 Gäste kommen pro Jahr in die Saunen des Südbads, im Hochsommer sind es nur 40 hart gesottene pro Tag, im Winter bis zu 140, sagt Mario Lawendel, Betriebsleiter des Südbads. Viele sind Stammgäste, die Betzinger und seine Kollegen zum Teil schon persönlich kennen. In Deutschland sind Saunawelten beliebt – und Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen man nackt in die Sauna geht, erzählt Betzinger: „In Spanien zum Beispiel darf man nur mit Badesachen hinein.“
Besonders gefragt sind in der Neustadt derzeit minzig-herbe Aromen beim Aufguss, erzählt der Saunameister. Er hat zuvor in den Saunen im Westbad in Walle gearbeitet und kann klar sagen, dass die Geschmäcker verschieden sind: „In Walle stehen die Leute eher auf Süßes, Papaya oder Orange – damit brauche ich hier in der Neustadt gar nicht ankommen, da ist eher Fichtenduft angesagt.“