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Interview zum Polizeischutz für die jüdische Gemeinde "Wir werden von vielen angefeindet"

Im Zuge des Sicherheitsmaßnahmen wurden auch die Wachen vor der Bremer Synagoge verstärkt. Ben Zimmermann sprach mit Grigori Pantijelew, dem stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, über die Bedrohung.
01.03.2015, 19:00 Uhr
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Von Ben Zimmermann

Im Zuge des Sicherheitsmaßnahmen wurden auch die Wachen vor der Bremer Synagoge verstärkt. Ben Zimmermann sprach mit Grigori Pantijelew, dem stellvertretenden Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, über die Bedrohung.

Terroralarm in Bremen: Wie bedroht fühlt sich die jüdische Gemeinde?

Grigori Pantijelew: Das Gemeindehaus und die Synagoge stehen seit letztem Sommer rund um die Uhr unter Schutz. Dies war die Entscheidung des Polizeipräsidenten sofort nach der ersten Eskalation bei den judenfeindlichen Demos. Die aktuell erhöhte Präsenz der bewaffneten Beamten entspricht der uns bekannten Lagebewertung und beruhigt uns. Wir fühlen uns eher bedroht, wenn nur die Politik und die Polizei uns zur Seite stehen. Auch im Sommer fühlten wir uns bedroht – eigentlich viel mehr als jetzt, nur wollten die Medien und die sogenannten Experten es nicht wahrhaben. Wir fühlen uns erst recht bedroht, wenn unsere Sorgen nicht ernst genommen werden, wie neulich mit der Entscheidung der Stadtbibliothek, eine einseitige antiisraelische Ausstellung in ihren Räumen und mit ihrer eigenen Beteiligung unterzubringen.

Auch die Synagoge wird verstärkt bewacht: Sind die Sicherheitsmaßnahmen aus Ihrer Sicht angemessen und ausreichend?

Absolut. Unser Dank gilt dem Polizeipräsidenten Lutz Müller, den verantwortlichen Beamten und den zahlreichen überwiegend jungen Polizisten, die mit vollem Verständnis und freundlichem Engagement ihre Arbeit für den Frieden in der Stadt leisten.

In anderen Städten wird bereits davor gewarnt, in Problemvierteln die Kippa zu tragen. Hat der Antisemitismus in den vergangenen Jahren zugenommen?

Ja. Spätestens seit der unseligen Beschneidungsdebatte wissen wir, dass wir von vielen angefeindet werden. Das zeigt sich auch darin, dass die Antisemitismusforschung an den etablierten Institutionen in der Krise ist. Die mehrfach jahrzehntelang anerzogene Tabuhaltung in Bezug auf das Thema erzeugt mehr und mehr Gespenster und skurrile Formen wie die antisemitische Friedensbewegung, die den Schülern vom „Abschaumstaat“ Israel erzählt, oder pensionierte Pastoren, die von der „Geschwulst“ im Nahen Osten reden.

Wie äußern sich heute die Anfeindungen?

Jede Woche kommt etwas Neues, wo man denkt, das reicht aber schon längst aus. Zum Beispiel die „nette“ Gegenfrage der Tagesthemen-Moderatorin, ob die Juden nicht die Muslime „angreifen“ und „stigmatisieren“, wenn die – übrigens überflüssige – Warnung ausgesprochen wird, in Problemvierteln die Kippa zu tragen. Die Medien sind heute die wichtigsten Instrumente der Integration oder der Konfrontation. Ich frage mich immer öfter, ob sich die Kollegen ihrer Verantwortung bewusst sind.

Wegen der Terrorwarnung gab es ein Treffen mit muslimischen Verbänden. Was kam dabei heraus?

Tatsächlich sind wir seit Jahren im guten freundschaftlichen Kontakt mit den Vertretern der islamischen Verbände, die inzwischen auch durch den Staatsvertrag mit der Stadt Bremen näher in der gesellschaftlichen Mitte angekommen sind. Auch wenn wir nicht immer gleicher Meinung sind, lebt unsere Beziehung von Respekt. Am Sonntag verständigten wir uns, zwei neue Projekte vorzubereiten, die die Jugendarbeit und die gegengeistige Aufklärung über unsere Religionen voranbringen könnten. Wir boten unsere Unterstützung bei weiteren Gesprächen der Muslime mit dem Rathaus an. Wir durften von den Sorgen der Muslime in der Stadt erfahren, und wir wollen helfen. Wir waren gerührt von dem Angebot unserer muslimischer Freunde, uns sofort zu besuchen. Das ist ein gutes Zeichen – für die Muslime und für die Juden, aber auch für die bunte und offene Stadt Bremen.

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