Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Café Stecker Erich Boldt - ein halbes Jahrhundert als Konditor

Erich Boldt arbeitet in der Konditorei Stecker – seit 1972. In dieser Zeit hat der Konditor den Wandel der Geschmäcker und im Betrieb miterlebt.
16.02.2022, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Erich Boldt - ein halbes Jahrhundert als Konditor
Von Lucas Brüggemann

"Das muss doch wohl nicht sein!", sagt Erich Boldt. Die Überraschung ist ihm ins Gesicht geschrieben, als er die Präsente und den Kuchen sieht, die seine Kolleginnen und sein Chef Bernard Timphus für ihn organisiert haben. Es gibt schließlich was zu feiern: Erich Boldt arbeitet seit 50 Jahren als Konditor in der Konditorei Stecker. Das gebe es heute nur noch ganz selten, sagt Timphus.

Angefangen hat es für Erich Boldt mit einer Kochlehre bei Schmidt-Grashoff, danach kam noch eine Ausbildung in der Konditorei Bleeker in Schwachhausen. Von Boldts Ausbildung profitiert auch seine Frau. "Meine Frau freut sich. Sie hat zu Hause nur einmal gekocht", sagt er und lacht. Nach den Stationen als Koch und Konditor in Bremen ging es für Boldt auf große Fahrt. Mit der MS Europa fuhr er zwei Jahre lang um die Welt. "Wir haben alles abgeklappert: Mittelmeer, Karibik, Nordlandtouren", erzählt Boldt. Einmal sei sogar der Künstler Salvador Dalí an Bord gewesen. "Mit dem Namen konnte ich damals so noch gar nichts anfangen", sagt der Konditor.

Geschmäcker im Wandel

1972 kam er schließlich in die Konditorei Stecker und blieb dem Betrieb bis heute treu. Eigentlich ist der heute 72-Jährige in Rente, aber Erich Boldt steht immer noch gern in der Backstube. "Ich bin froh, wenn ich was um die Ohren habe", sagt er. Heute sei seine Arbeit in der Konditorei auch anders, weil er keine Verantwortung mehr trage und er nicht mehr darüber nachdenken muss, ob er nicht vielleicht doch etwas vergessen hat, das unbedingt noch hätte fertig werden müssen.

Der alte Rhythmus mit dem frühen Aufstehen sei allerdings auch heute noch drin. "Wenn ich abends ins Bett gehe, bin ich nach vier Stunden wieder wach", sagt Boldt. Die Arbeit in der Backstube, die sich über drei Etagen erstreckt, die durch enge Treppen miteinander verbunden sind, halten Boldt bis heute fit: "Da brauche ich kein Fitnessstudio."

Über die 50 Jahre, die er als Konditor gearbeitet hat, hat Erich Boldt auch den Wandel in den Geschmäckern der Kunden miterlebt. Früher seien Sahnetorten sehr gefragt gewesen und davon auch ordentliche Stücke. "Die Leute wollten was auf dem Teller haben, aber das Schwere und das Sattmachen, das ist nicht mehr so", meint der Konditormeister. Die großen Tortenstücke seien allerdings geblieben.

Boldt zieht den Vergleich mit der Schweiz, wo seine Schwester wohnt: "Da sind die Stücke viel kleiner, die genießen mehr." Früher sei auch die Weihnachtszeit, speziell Heiligabend, "der Horror" gewesen. Auf seiner Liste standen damals bis zu 120 Bleche Butterkuchen.

Bei 40 Blechen, die in der Backstube zur Verfügung standen, und der Zeit für das Backen und Abkühlen der fertigen Kuchen, bedeutete das auch schon mal die eine oder andere Nachtschicht. "Wir haben am Tag vor Heiligabend angefangen und manchmal durchgearbeitet", sagt Boldt rückblickend. Auch das sei heute anders. Früher hätten die Leute Schlange gestanden, heute halte sich der Ansturm an Heiligabend in Grenzen.

An den Umbruch im Unternehmen im Jahr 2000, als Bernard Timphus die Konditorei von der Familie Stecker übernahm, erinnert sich Boldt gut: "Da wusste man ja nicht, wie das wird, mit dem neuen Chef." Boldt und Timphus scheinen seitdem allerdings gut miteinander auszukommen. Timphus ist begeistert von der Perfektion, die Boldt an den Tag legt. Gerade beim Butterkuchen sei er sehr akribisch. "Da gilt es, die richtige Menge Zucker und Butter abzumessen und dann den richtigen Zeitpunkt abzupassen, den Ofen zu wechseln", erklärt Timphus.

Ungern Zwetschenkuchen

Er sei immer gern zur Arbeit gekommen, auch wenn er dafür früh aufstehen musste, sagt Boldt. "Da hatte ich nie ein Problem mit." Allerdings gab es auch Aufgaben, die er nicht so gern gemacht hat. Dazu gehörte das Backen von Zwetschenkuchen. "Das fängt mit dem Entsteinen an. Und dann waren die Zwetschen entweder so saftig, dass es aus dem Ofen lief oder so hart, dass man die mit einem Ball hätte weichklopfen müssen."

Was Boldt gern gebacken hat, sind "Schok-Ananas" gewesen, die Schokoladen-Ananas-Torte. "Das war so eine typische 60er-, 70er-Jahre-Torte", sagt Boldt. Die gebe es inzwischen allerdings nicht mehr. Von seinen Reisen habe er immer mal wieder neue Ideen mitgebracht. So zum Beispiel die "Kastanie": Eine Champagnertrüffel-Praline mit Marzipan, die es heute immer noch im Herbst in der Konditorei Stecker zu kaufen gibt. 

Mit Kuchen und Torten sei er inzwischen durch, sagt Erich Boldt. Heute isst er lieber salzig. Auch in der Backstube sei es ganz selten vorgekommen, dass er mal genascht habe. "Es sei denn, es ist was schief gegangen, da musste ich ja probieren." Den Kuchen schiebe er heute gern zu seiner Frau. Sie ist es auch, die beim Kaffeesieren Kuchen und Torten kritisch unter die Lupe nehme. "Ich sage dann immer, nu' sei mal nicht so kleinlich", erzählt Boldt und lacht. Kaffee und Kuchen gebe es inzwischen auch fast nur noch im Urlaub oder bei seiner Schwester in der Schweiz.

Zur Sache

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)