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85 Unternehmen abgemahnt Verbraucherzentrale Bremen geht gegen Abofallen vor

Ob Fitnessstudio oder Stromanbieter - seit eineinhalb Jahren können Verbraucher Verträge leichter kündigen. Doch laut Verbraucherzentrale scheren sich einige Unternehmen nicht darum, was längst Gesetz ist.
24.10.2023, 06:02 Uhr
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Verbraucherzentrale Bremen geht gegen Abofallen vor
Von Florian Schwiegershausen

Einmal nicht rechtzeitig gekündigt und schon ist man für längere Zeit in einem Abo gefangen: Diesen Methoden schiebt ein Gesetz eigentlich seit eineinhalb Jahren einen Riegel vor. Seither sollen Verbraucher nach der Mindestlaufzeit jeden Monat kündigen können. Doch die Verbraucherzentrale Bremen zusammen mit den anderen Verbraucherverbänden stellte bei 116 Unternehmen insgesamt 167 Verstöße fest. Das hat eine Stichprobe bei Firmen aus den unterschiedlichen Branchen ergeben.

Nicole Bahn, Rechtsexpertin bei der Bremer Verbraucherzentrale, sagte: „Das Gesetz für faire Verbraucherverträge verspricht mehr Flexibilität bei langfristigen Verträgen. Unser Marktcheck zeigt jedoch, dass viele Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben und ganz schnell einiges nachholen müssen.“ Bahn erläutert, dass die Wirtschaft mehr als ein Jahr Zeit hatte, ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen, kurz AGB, an die neuen Gesetze anzupassen: „Doch noch jeder Siebte nutzt immer noch unwirksame Klauseln.“ Die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen seien erheblich.

Die Reaktion der Verbraucherzentralen: 85 Firmen wurden seither abgemahnt. Bei 31 weiteren seien Verstöße gefunden worden, die rechtliche Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen oder es würden juristische Schritte geprüft. Eingelenkt hätten inzwischen 50 Unternehmen, berichten die Verbraucherschützer. Sie gaben demnach entweder eine Unterlassungserklärung ab oder änderten ihre AGB. In zwei Fällen sei bereits Klage erhoben worden, weitere Klagen sind angekündigt. In einigen Fällen hätten Unternehmen und Verbraucherschützer unterschiedliche Rechtsansichten. Sinn der Aktion sei auch, rechtliche Unklarheiten zu klären.

Verträge mit ungültigen AGB kündigen

Konkret ging es um ein im März 2022 in Kraft getretenes Gesetz. Demnach können Aboverträge, die nach diesem Datum abgeschlossen wurden, nach Ablauf der Mindestlaufzeit mit einem Monat Frist gekündigt werden. Für Handy-, Festnetz- oder Internetverträge gilt die Regel schon seit Ende 2021. Selbst wenn man anderslautenden AGB bei Vertragsabschluss zugestimmt habe, seien diese nicht gültig, erklärt Weinsheimer. Wenn man also nicht rechtzeitig gekündigt habe und laut Geschäftsbedingungen eigentlich weitere zwölf Monate in einem Vertrag gefangen sei, könne man diesen dennoch mit Monatsfrist kündigen.

Im Rahmen dieses sogenannten Gesetzes für faire Verträge wurde auch der telefonische Abschluss von Energieverträgen erschwert und Kündigungsbuttons im Internet eingeführt. Eine Analyse im Juli hatte ergeben, dass dieser auf etlichen Homepages noch nicht eingerichtet waren.

Fitness- und Tanzstudios sowie Energieversorger

Bei Fitness- und Tanzstudios stellten die Verbraucherschützer bei zehn von 37 untersuchten Einrichtungen Verstöße fest. Auch bei Abomodellen für Kleidung seien eher kleine Anbieter unterwegs, hier waren zwölf von 34 untersuchten Unternehmen betroffen. Auch bei 50 Gas- und Energielieferanten sah man Nachbesserungsbedarf. Bei kleineren Stadtwerken etwa könne die Gesetzesänderung auch einmal durchgerutscht sein. „Wir gehen davon aus, dass unsere Mitgliedsunternehmen die gesetzliche Regelung korrekt umgesetzt haben“, heißt es dazu vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Ihnen sei ein faires Vertragsverhältnis mit den Kundinnen und Kunden sehr wichtig.

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Auch bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen wurden die Verbraucherschützer bei zehn von 52 Unternehmen fündig. „AGB stehen im Endkundengeschäft nicht so sehr im Vordergrund. Entscheidend sind die Angebote in den Aboshops“, sagt dazu der Justiziar des Medienverbands der freien Presse, Dirk Platte. Dass sich Aboverträge nach der Mindestlaufzeit nicht automatisch um ein Jahr verlängerten, sei mittlerweile Branchenstandard. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger BDZV weiß von keinem Mitgliedsunternehmen, das seine Angebote nicht an das Gesetz angepasst hätte: „Nach unserer Kenntnis gibt es bei Zeitungen derzeit sogar den Trend, dass unbefristete, aber jederzeit kündbare Abonnements von den Verlagsunternehmen angeboten werden, weil diese Angebote bei unserem Publikum besonders stark nachgefragt werden.“

Bundesregierung sieht weiteren Regelungsbedarf

Die Bundesregierung bewertet das Gesetz grundsätzlich positiv. Es gebe aber weiteren Regelungsbedarf. Im Koalitionsvertrag habe sich die Regierung unter anderem vorgenommen, dass alle telefonisch abgeschlossene Verbraucherverträge generell schriftlich bestätigt werden sollen. Auch soll die mögliche Mindestlaufzeit von Abo-Verträgen von zwei auf ein Jahr begrenzt und ein Schutz vor unseriösen Haustürgeschäften eingeführt werden. Noch warten die Vorhaben aber auf ihre Umsetzung.

Nicole Bahn von der Bremer Verbraucherzentrale sagte abschließend: „Dass 60 Prozent der abgemahnten Unternehmen ihre Geschäftsbedingungen anpassen, ist ein erster Erfolg unseres gemeinsamen Marktchecks.“ Sie und alle Kollegen haben weiterhin ein Auge darauf – auch, ob alle Unterlassungserklärungen in Zukunft erfüllt werden.“

Zur Sache

Wie gegen zu lange Verträge vorgehen?

Unwirksame Regelungen zu Vertragsverlängerungen und Kündigungsfristen haben zwar keine Wirkung, führen aber oft dazu, dass sich Verbraucher einschüchtern lassen. Anbieter pochen oftmals recht erfolgreich auf ihre Geschäftsbedingungen. „Wer einen Vertrag nach dem 1. März 2022 abgeschlossen hat, kann diesen nach der Mindestlaufzeit jederzeit mit einer Monatsfrist kündigen. Dabei ist egal, was in den AGB steht“, sagt Nicole Bahn von der Verbraucherzentrale Bremen. Wer sich unsicher ist, wie das durchzusetzen ist, kann sich an eine Verbraucherzentrale in der Nähe wenden und dort unabhängigen Rat einholen.

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