Eigentlich sollte es ein Kaufhaus werden, in dem Bedürftige kostengünstig Winterbekleidung erhalten sollen. Doch aus dem Plan wird nichts. Denn nun steht fest, dass Bremens Modehändler für ihre überschüssige Ware doch andere Verkaufskanäle oder Lagerorte gefunden haben. So wurde es der Wirtschaftsdeputation auf ihrer Sitzung am Mittwoch von der Behörde mitgeteilt.
Mitten im Pandemie-Lockdown im Februar sah die Situation noch so aus: Die Modegeschäfte hatten geschlossen, saßen auf ihrer Winterware, und angesichts einer Außentemperatur von 20 Grad sahen sie keine Perspektive, diese Kleidung noch loszuwerden. Die Corona-Sonderregelungen der Bundesregierung erlaubten den Händlern damals eine Abschreibung der Ware. Zudem gab es keine zusätzlichen steuerlichen Bürden, wenn sie die Kleidung an karitative Einrichtungen stifteten. Mitglieder der Bremer Regierungsfraktionen befürchteten allerdings, dass die überschüssige Ware eher geschreddert wird.
So beschloss die Bremische Bürgerschaft im gleichen Monat, das Wirtschaftsressort möge sich schlau machen, welche Händler in der Hansestadt Interesse daran haben, die Winterkleidung über ein spezielles Kaufhaus für Bedürftige zu verkaufen. Ein möglicher Standort dafür war auch schon gefunden: ein ehemaliger Supermarkt in Findorff an der Münchener Straße schräg gegenüber vom Armaturenhersteller Gestra. Die Organisation sollte mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) erfolgen.
Heute ist das Bild ein anderes, wie aus der Analyse des Wirtschaftsressorts hervorgeht: Die Einzelhändler haben sich längst andere Wege gesucht. Durch die Nichtbesteuerung von Kleiderspenden an karitative Einrichtungen hat eine ganze Reihe von ihnen ihre Ware bereits an solche übergeben. Inhabergeführte Einzelhändler haben ihre klassische Bekleidung eingelagert und werden sie ab Herbst wieder in die Auslage ihrer Geschäfte nehmen. Modische Stücke hätten sie nach Ende des Lockdowns mit Rabatten verkauft. Diese Erkenntnisse beruhen auch auf Umfragen seitens der City-Initiativen unter ihren Mitgliedern.
Bereits im Februar sagte Jens Ristedt, Inhaber des gleichnamigen Modegeschäfts in der Bremer Innenstadt: „Bekleidung wegwerfen, das kann ich nicht übers Herz bringen. Dafür ist unsere Ware auch viel zu hochwertig." Er verwies dabei aber auf die saisonalen Lagerverkäufe, die das Haus bereits vor der Pandemie zweimal pro Jahr veranstaltete. Für den Plan für ein solches wohltätiges Kaufhaus mahnte Ristedt, der Präsidiumsmitglied im Handelsverband Textil ist, damals eine zeitnahe Umsetzung an, da den Menschen im Sommer eben nicht nach Winterjacken sei.
Für die Kaufhaus-Idee sind bereits Gelder aus dem Bremen-Fonds bewilligt, um die Stadtteilzentren nach der Pandemie zu stärken. Allein für 2021 sind zur Unterstützung der Stadtteile insgesamt 1,2 Millionen Euro vorgesehen. Noch auf der Bürgerschaftssitzung im Februar sagte Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) im Hinblick auf das Winterwaren-Haus: „Vom Geld könnten beispielsweise Regale finanziert werden und auch das Personal bezahlt werden.“
Mittlerweile aber gilt das Kaufhaus für Winterkleidung in Findorff als so gut wie beerdigt. Stattdessen lautet der neue Plan: Nun soll es zu einem Pop-up-Kaufhaus werden. Das bedeutet, dass alle paar Wochen ein anderer Anbieter dort mit seinem Warenangebot einzieht, um sich auszuprobieren.
Dafür braucht es eine geeignete Ladenimmobilie oder eine ehemalige Lagerhalle, die nicht zu versteckt und gut erreichbar sein soll, heißt es im Behördenpapier. Denn in den ehemaligen Supermarkt in der Münchener Straße, den man für die Idee im Auge hatte, ist inzwischen der Lebensmittel-Lieferdienst Gorillas eingezogen. Der bei der Wirtschaftssenatorin zuständige Abteilungsleiter Dirk Kühling ging am Mittwoch auf der Sitzung der Wirtschaftsdeputation davon aus, dass wohl erst zum Herbst in Findorff etwas daraus werden könnte: "Es soll dabei auch ein Café entstehen."
Der Verein Findorffer Geschäftsleute unterstützt die Idee des Pop-up-Kaufhauses, um auf diese Weise den Stadtteil zusätzlich zu beleben. Er hatte für ein solches Projekt Mittel beim Wirtschaftsressort beantragt. Unter dem Titel „Ein Kaufhaus für Findorff“ sollen Online-Anbieter für einige Wochen in den Präsenzhandel gehen. Außerdem sollen Start-ups hier ihre Geschäftsidee über einige Wochen erproben, bevor sie dauerhaft selbst irgendwo einen Laden anmieten. Und am Ende könnten immer noch klassische stationäre Einzelhändler an dieser Stelle ihre überschüssige Ware verkaufen.
In der Vorlage für die Mitglieder der Wirtschaftsdeputation hieß es: „Den Einzelhändlern wird somit die Möglichkeit gegeben, neben dem eventuellen parallelen Betrieb eines Online-Shops mit dem Aufbau eines stationären Standbeines zu experimentieren, und zwar ohne das Eingehen eines hohen finanziellen Risikos.“ Nach Angaben von Abteilungsleiter Kühling haben die Findorffer Geschäftsleute inzwischen eine neue Immobilie im Auge. An welcher Ecke die im Stadtteil ist, sagte er noch nicht.