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Bremer Firmen verärgert "Wesernetz verhindert die Energiewende"

Neben Hausbesitzern wartet auch so mancher Gewerbetreibende noch auf den Anschluss für seine Solaranlage. Der Ärger über den Netzbetreiber Wesernetz ist groß.
26.02.2024, 05:00 Uhr
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Von Christoph Barth

Im Technikraum auf dem Gewerbehof Oslebshausen ist eigentlich alles bereit für die Energiewende: Die dicken Kabel und die Wechselrichter für die 50-Kilowatt-Solaranlage auf dem Dach sind installiert – seit September vergangenen Jahres schon. Was fehlt, ist der Stromzähler. Und bis der Netzbetreiber den nicht installiert hat, kann die Anlage nicht in Betrieb gehen. Matthias Wachtendorf, Geschäftsführer der RCM Energie, ist genervt: "Wir werden hier von Wesernetz vollkommen ausgebremst", schimpft er. "Und wir sind nicht die einzigen."

Die RCM Energie GmbH wurde eigens gegründet, um den Gewerbehof im Gewerbegebiet Riedemannstraße an der A 281 in Oslebshausen mit Solarenergie zu versorgen. Die sechs Hallenkomplexe, in denen Existenzgründer und Kleinunternehmer Produktions- und Lagerflächen anmieten können, sollen flächendeckend mit Fotovoltaik-Anlagen auf den Dächern ausgestattet werden. "Wir hätten hier Platz für 800 Kilowatt Leistung", rechnet Wachtendorf vor. Das würde reichen für eine Stromproduktion von 800.000 Kilowattstunden im Jahr – so viel, wie 200 Einfamilienhäuser verbrauchen. "Aber der Monopolist Wesernetz verhindert hier die Energiewende", schimpft der Wirtschaftsingenieur.

Antrag gestellt – und dann passiert nichts

Das Problem: 800 Kilowatt lassen sich nicht ohne Weiteres ans Stromnetz anschließen – anders als eine normale Solaranlage auf dem Dach eines Einfamilienhauses. Nötig ist eine Netzverträglichkeitsprüfung, bei der der Netzbetreiber ermittelt, ob und wie sich eine neue Anlage in das Leitungsnetz integrieren lässt. Im Falle des Gewerbehofs mit seiner geplanten 800-kW-Anlage müsste ein Mittelspannungsanschluss gesetzt werden. Normalerweise hat der Netzbetreiber – in diesem Fall also die SWB-Tochter Wesernetz – acht Wochen Zeit für eine solche Prüfung, so sieht es das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) vor. "Wir haben den Antrag im Mai vergangenen Jahres gestellt", berichtet Wachtendorf. "Und dann ist erst mal nichts passiert." Es folgten Nachfragen per E-Mail und am Telefon, eine Klageandrohung, im November eine Fristsetzung – doch eine verbindliche Antwort habe man bis heute nicht bekommen.

Ähnlich im Stich gelassen fühlt man sich ein paar Ecken weiter in der Tucholskystraße. Hier will der Meeresgeologe Tobias Mörz eine Gewerbehalle, die er zuletzt mit seinem mittlerweile insolventen Geo-Engineering-Unternehmen nutzte, an andere Gewerbetreibende vermieten. Den Strom soll eine 300-kW-Solaranlage auf dem Dach liefern, das dafür bereits für 160.000 Euro verstärkt wurde. "Wesernetz muss uns drei Kabel von dem Trafokasten an der nächsten Straßenecke bis auf unser Grundstück legen", sagt er. Man sei darüber bereits im Gespräch gewesen, "aber im Mai vergangenen Jahres ist der Gesprächsfaden abgerissen", beklagt Mörz. Seitdem stockt sein Projekt.

In den Augen der beiden Mittelständler läuft in Bremen einiges schief in Sachen Energiewende. "Viele Investoren wollen eine PV-Anlage, kommen aber nicht in die  Planung – im Gegenteil: Planungsbüros winken bei Projekten in Bremen direkt ab", sagt Wachtendorf – zu schlecht seien die Erfahrungen, die man dort gemacht habe.

Ein Rückstau von 400 Anlagen

Neu ist das Problem nicht – und auch nicht auf gewerbliche Solaranlagen begrenzt: Im Dezember debattierte die Umweltdeputation bereits über die verspäteten Anschlüsse für fertige Solaranlagen. Damals lag der Rückstau bei 400 Anlagen. Und das sind nur die registrierten Fälle – Projekte wie die an der Riedemannstraße, die irgendwo im Planungsprozess steckengeblieben sind, tauchen in dieser Statistik gar nicht auf.

Klar ist: Die Anforderungen an den Netzbetreiber sind gestiegen, weil immer mehr Solaranlagen auf die Dächer montiert werden. Nach Angaben des Bremer Umweltressorts wurden im vergangenen Jahr 2851 Solaranlagen ans Netz angeschlossen, dreimal so viele wie im Jahr zuvor. "Dieser erfreuliche Anstieg war möglich, weil die Wesernetz GmbH auf die Welle des gestiegenen Interesses reagiert hat, indem sie mehr Personal in diesem Bereich einsetzt", sagt Ramona Schlee, Sprecherin der Umweltbehörde. Mit den Problemen stehe Bremen überdies nicht alleine da: Im gesamten Bundesgebiet stünden die lokalen Netzbetreiber vor großen Herausforderungen.

Auch bei Wesernetz verweist man auf den "erheblichen Anstieg" bei der Zahl der neuen Solaranlagen, die ans Netz angeschlossen werden müssen. "Es gibt immer wieder Vorgänge, deren Bearbeitung stockt", räumt Angela Dittmer ein, Sprecherin der Wesernetz-Mutter SWB. Die Gründe seien vielfältig: Die Art der Anlage, die vorhandene Elektroinstallation oder auch die erforderlichen Unterlagen seien Faktoren, die einen Vorgang teils über Wochen verlängern könnten.

Zur Verkürzung der Bearbeitungszeiten setzt man bei Wesernetz jetzt auf die Digitalisierung: Ende 2023 wurde das Netzportal www.wesernetz.de/netzportal freigeschaltet, wo seitdem alle Anträge für Hausanschlüsse online gestellt werden. Einige Hundert Installateursbetriebe hätten sich bereits in der Testphase im Herbst registriert, berichtet Dittmer: "Die Berichte aus dem Arbeitsalltag sind sehr positiv."

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