An diesem Donnerstag gab es nun Zahlen. Der Gesamtbetriebsrat für Deutschland von Airbus Defence and Space hat sie in einer Sitzung in München erfahren. Am Standort in Bremen sollen demnach im Zuge des Stellenabbaus im Konzern genau 305 Arbeitsplätze wegfallen. Zunächst sollten im Anschluss an die Runde die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter über die Pläne informieren. Das teilte Frank Axonoff, der Betriebsratsvorsitzende für den A400M in Bremen und zudem Mitglied des Gesamtbetriebsrats, mit.
Insgesamt will der Konzern in seiner Rüstungs- und Raumfahrtsparte Airbus Defence and Space bis Ende nächsten Jahres mehr als 2300 Arbeitsplätze streichen: davon 829 Stellen in Deutschland, 357 in Großbritannien, 630 in Spanien, 404 in Frankreich und 142 in anderen Ländern. Das hatte Airbus am Mittwochabend bekannt gegeben. Deutschland trifft der Abbau am stärksten: Hier sind gut 13 000 Menschen beschäftigt. Bremen verzeichnet derweil in Deutschland mit Abstand den größten Stellenabbau. Manching, Friedrichshafen und Ottobrunn sind deutlich größer als der Standort in der Hansestadt. Hier sollen jedoch weniger Arbeitsplätze wegfallen: 99 in Manching, 148 in Friedrichshafen und in Ottobrunn 165.
Fast 1500 Mitarbeiter gehören in Bremen zur Belegschaft von Airbus Defence and Space. Für den Militärtransporter A400M sind knapp 800 beschäftigt, für den Bereich Raumfahrt knapp 700. Wie die beiden Sparten jeweils betroffen sind, ist laut Frank Axonoff derzeit noch offen. Beim A400M läuft bereits ein Stellenabbau, weil die Produktion deutlich runtergefahren wurde auf acht Transporter. Ob dieser nun noch größer ausfällt? "Diese Frage konnte mir heute niemand beantworten", sagte der Betriebsratschef.
Tatsächlich sollen nach Auskunft von Florian Taitsch, Sprecher für Airbus Defence and Space, die nun geplanten Stellenstreichungen für den A400M zum größten Teil aus bereits angekündigten Abbaumaßnahmen bestehen. Am Standort sei der Militärtransporter die "Hauptlast", weil er hier eine große Bedeutung habe: "Wenn man in Deutschland über den A400M spricht, spricht man über Bremen." Die Auftragslage derzeit bedeute aber, dass in Zukunft weniger Ingenieurskapazitäten benötigt werden: Ende des nächsten Jahres sei die Entwicklung des Fliegers im Prinzip abgeschlossen. Und weil neue Aufträge fehlten, benötige man die Mitarbeiter dann nicht mehr für die Aufgabe. Fast habe es in der Vergangenheit noch einen Vertragsabschluss gegeben – allerdings mit Saudi-Arabien. Das Embargo kam zuvor. Und der Exportstopp von Waffen nach Saudi-Arabien hält bis heute an.
Betriebsrat kritisiert hohe Erwartungen
Frank Axonoff kritisierte derweil, dass es einst viel zu hohe Erwartungen an den Export des Militärtransporters gab: "Die Annahmen waren aus unserer Sicht nicht zu erreichen." Nun müssten die Arbeitnehmer dafür "bluten". Er frage sich auch, warum Deutschland überproportional vom Abbau betroffen sei mit 35 Prozent: "Das ist schon ordentlich."
Schon vor Bekanntwerden der Pläne für die einzelnen Standorte merkte Kirsten Brauer, die Bremer Betriebsratsvorsitzende von Airbus Defence and Space, am Donnerstag an, dass es selbst bei Nennung einer Zahl des Arbeitgebers erst in die Verhandlungen mit Betriebsrat und Gewerkschaft gehe. "Das wird noch nicht das letzte Wort sein. Wir schlucken das nicht kommentarlos." Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht zwangsläufig vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen worden. Derzeit gebe es in Bremen genug zu tun, die Arbeitszeitkonten seien voll.
Florian Taitsch erklärte, man könne betriebsbedingte Kündigungen derzeit noch nicht ausschließen. Zuvor versuche man aber, den "kompletten Baukasten an Möglichkeiten auszuschöpfen". In der Vergangenheit habe man bewiesen, dass man dazu in der Lage sei. "Wir haben immer wieder kreative Lösungen gefunden." Taitsch weist als weiteren Grund für den Stellenabbau auf die angespannte Situation im Bereich Raumfahrt hin. "Da hilft es nicht, wenn Sie Marktführer sind." Es gebe viele neue Konkurrenten. Und die seien bei Weitem agiler als die alteingesessenen Unternehmen. "Das spielt auch eine Rolle."
Der zuständige Gewerkschaftssekretär Ernesto Harder von der IG Metall Bremen sprach aber gerade mit Blick auf die Raumfahrt von "Arbeit ohne Ende". Es könne nicht funktionieren, wenn nun Stellen wegfielen. Sicher bereite der A400M dem Konzern Probleme, und das habe Auswirkungen für die Produktion: "Der A400M sitzt hier in Bremen. Wir bauen den Rumpf." Harder versprach: "Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen." Schließlich gehe es um Beschäftigung, die man in Bremen brauche. Der Betriebsrat machte seinen Widerstand auch in einem Schreiben an die Belegschaft deutlich: Man lehne den Stellenabbau „entschieden ab“ und setze sich „für jeden Arbeitsplatz ein“, betonten die Arbeitnehmervertreter. „Betriebsbedingte Kündigungen müssen ausgeschlossen werden. Jeder der bleiben will, muss bleiben dürfen!“
Airbus begründete die Stellenstreichungen mit einem zu geringen Neugeschäft. Seit drei Jahren schrumpfe der Auftragsbestand: „Dadurch ist man jetzt zum Handeln gezwungen.“ Hintergrund sind laut Airbus eine Stagnation im Raumfahrtmarkt, sowie „verzögerte Vertragsabschlüsse im Verteidigungsgeschäft“. Der Betriebsrat sieht die Verantwortung für den zu geringen Auftragseingang dagegen beim Management und betonte: „Das Unternehmen darf nicht auf Kosten der Belegschaft saniert werden.“ Die Rüstungs- und Raumfahrtsparte von Airbus steht unter Druck: Neben dem schrumpfenden Auftragsbestand gab auch der Umsatz nach. Unter dem Strich stand 2019 ein Verlust von 881 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern. Vorstandschef Dirk Hoke hatte bereits im Dezember Kostensenkungen, „robuste Maßnahmen“ und Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern angekündigt.