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Pilotprojekt mit der SWB Alle Augen auf Abfall – Bremer Know how in der Müllwirtschaft

Tonnen von Müll landen im Kraftwerk der Bremer SWB. Waste Ant schaut dabei genau hin. Das Unternehmen bringt Künstliche Intelligenz in die Abfallwirtschaft, um mehr aus Müll zu machen. Wie funktioniert das?
25.10.2022, 13:55 Uhr
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Alle Augen auf Abfall – Bremer Know how in der Müllwirtschaft
Von Lisa Schröder

Die Müllverbrennungsanlage der SWB produziert Strom und Fernwärme. In kurzer Zeit landen hier Tonnen an Abfall. Doch wie steht es um die Qualität dieses Mülls? Bremer Gründer schauen seit einiger Zeit genau hin. Denn mithilfe ihrer Entwicklung lässt sich der Abfallstrom bei der Anlieferung im Kraftwerk untersuchen – mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI).

Ihr Unternehmen Waste Ant hat sein Büro auf dem Gelände der Jacobs University. Christian A. Müller, Szymon Krupinski, Arturo Gomez Chavez und Maximilian Storp arbeiten hier auf dem Campus an ihrer Idee. Auf einem Nebentisch liegt ein grüner Kasten voller Technik und mit Kameras – quasi das Herzstück der Gründung. Eine solche Sensorbox hängt auch bei der SWB. Dort schlägt das Herz schon.

Warum die Lösung wichtig ist? Die Software spuckt eine Analyse aus. Die Kameras erkennen zum Beispiel, ob in der Müllanlieferung etwas steckt, was nicht dorthin gehört – lange Rohre oder Seile. Die können in den Abläufen für Ärger sorgen. Die Eigenschaften des Abfalls zu kennen ist außerdem wichtig, um die Anlage besser steuern zu können. Wann soll welcher Müll verbrannt werden?

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Der Prozess sei ein bisschen mit einem Lagerfeuer vergleichbar, sagt Maximilian Storp. Wenn darauf versehentlich feuchtes Holz gelegt werde, brenne das Feuer schlechter. Im Müllkraftwerk ist es genauso ein Problem, wenn der falsche Abfall reinkommt. "Wenn ich nicht genau weiß, was im Müll überhaupt drinsteckt, dann habe ich eine starke Fluktuation im Verbrennungsprozess. Und die ist unwirtschaftlich." Die Technologie von Waste Ant helfe, Müll immer im optimalen Wirkungsgrad möglichst konstant zu verbrennen. Und es könne damit genau dokumentiert werden, welche Qualität ein Lieferant erbringe.

Die Gründer sehen für ihre Innovation viel Potenzial. Robotik sei in der Müllwirtschaft gerade erst im Kommen. "Im Alltag, zum Beispiel bei Müllverbrennungsanlagen, sieht man wenig KI", sagt Müller. Im Moment sei der Abfall, der in die Sortierung oder Verbrennung komme, unbekannt. Neue Gesetze in der EU forderten künftig allerdings mehr Transparenz von der Branche. In der Abfallwirtschaft engagierten sich zwar auch weitere Start-ups. Die fokussierten sich aber stärker auf die Förderbänder. "So, wie wir das hier machen, dass 15 Tonnen aus dem Lkw rausrutschen und wir Feedback geben, das ist etwas sehr Neues." Tief sind sie dafür ins Wissen um den Müll eingetaucht.

Die Analyse ist anspruchsvoll. In den Verbrennungsanlagen lande Restmüll. "Das ist fast schon Matsche in manchen Fällen", sagt der Gründer. Wenn die Verbrennung effizienter ausfalle, dann werde aber mehr Energie erzeugt. Und es gebe weniger Emissionen, weniger teure Betriebsmittel wie Rauchgasreiniger seien erforderlich.

Auch bei Hannover gibt es einen Partner. Schon heute sei der Mehrwert bei den Pilotprojekten sichtbar. "Das ist für uns eine Riesenbestätigung", sagt Müller. "Wir machen was Gutes." Das sei auch ein wichtiges Gefühl, wenn man hier jeden Tag ins "Office" komme.

Englisch ist die Sprache des internationalen Teams. Auf einer Tafel haben die Gründer Max, Chris, Szymon und Arturo gerade Bilanz fürs vergangene Jahr gezogen: Was hat sehr gut  – "very well" – funktioniert? Und welche Hoffnungen und Wünsche – "hopes, wishes, expectations" – gibt es?

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Müller, Krupinski und Gomez Chavez haben sich hier auf dem Campus der Jacobs University kennengelernt. Zusammen arbeiteten sie an Forschungsprojekten. Daneben verband sie eine Affinität fürs Gründen. Und so nahmen sie gemeinsam an Start-up-Wettbewerben teil. "Wir haben damals nicht gedacht, dass wir uns später mit Müll beschäftigen werden", sagt Müller. "Das war weit weg." Diese Sache kam erst mit dem Format "Project Pitch" ins Spiel. Die Wissenschaftler konnten sich beim Bremer Wettbewerb mit ihrer Idee zur Analyse von Abfall durchsetzen. Die SWB wurde zum Pilotpartner fürs Projekt – und ist es bis heute.

Die Zusammenarbeit mit dem Energieversorger sei wichtig. Schnell sei klar gewesen, sagt Müller, dass ihre Expertise – Robotik, KI und Machine Learning – in der Abfallwirtschaft gebraucht werde. "Wir haben gemerkt, das ist echt ein heißes Thema."

Maximilian Storp gehört seit Anfang des Jahres zu Waste Ant. "Max ist unser Businessmensch", sagt Krupinski. Storp lebt in München und arbeitete vorher in der Beratung. Der Kontakt zu den Gründern entstand digital – in einem Co-Founder-Matching-Event der Start-up-Szene München. Die Bremer stellten sich dort vor. "Es waren nur 60 Sekunden, aber ich fand das interessant, was die Jungs gezeigt haben", erinnert sich Storp. Er suchte das Gespräch mit Gomez Chavez. "Dann hat es gefunkt", witzelt Müller. Und Gomez Chavez bestätigt: "Love at first sight." Also Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte nicht lange, bis sich alle einig waren, zu viert weiterzumachen.

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Die Gründer haben mit ihrem Unternehmen noch mehr als die Müllbeobachtung vor: Die Künstliche Intelligenz bietet aus ihrer Sicht die Chance, mehr aus Müll zu machen, die Idee der Kreislaufwirtschaft zu realisieren. "Wir fangen mit der Müllverbrennung an, wollen da unsere Lösung trainieren und später auch in die Sortierung und Recycling gehen", sagt Storp.

Gerade hat ihr Unternehmen, das zunächst eine Gründungsförderung bekam, einen wichtigen Schritt genommen: Investoren unterstützen die Idee. Dazu gehören die BAB Beteiligungs- und Managementgesellschaft der Bremer Aufbaubank sowie weitere Businessangel aus Norddeutschland. Die Investoren machen es möglich, dass neben den Werksstudenten weitere Mitarbeiter eingestellt werden können.

Müller sieht einen guten Nährboden, dass das Start-up Waste Ant fliegen kann – wie es bei diesen Gründungen heißt. "Wir werden jetzt richtig Gas geben", sagt Storp. "Wir haben eine Tür gesehen, die steht halb offen, aber wir müssen jetzt Anlauf nehmen und dann da durch."

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