Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bremen, Hamburg und Niedersachsen Anbieter von Ballonfahrten soll Kunden betrogen haben

Eine Fahrt mit einem Heißluftballon ist für viele ein großer Traum. Einem Geschäftsmann aus Niedersachsen wird vorgeworfen, diesen Traum schamlos ausgenutzt zu haben. Nun steht er vor Gericht.
24.10.2017, 12:22 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Anbieter von Ballonfahrten soll Kunden betrogen haben
Von Alice Echtermann

Mit diversen Firmen verkaufte der Unternehmer Karsten F. Gutscheine für Ballonfahrten in Bremen, Niedersachsen und Hamburg. Eine Fahrt kostet etwa 200 Euro. Doch die Termine kamen oft jahrelang nicht zustande. Mindestens vier verschiedene Webseiten mit identischer Firmenadresse – Hanseballon, Heideballon, Phönix-Ballooning und Ballonfahrt.de – werben mit demselben Konzept: Der Kunde kauft einen Gutschein und muss sich telefonisch oder online einen Termin geben lassen. Doch was unkompliziert klingt, wird für viele zum endlosen Wartespiel. Entweder sind keine Termine verfügbar, der Anbieter ist nicht erreichbar, oder geplante Fahrten werden immer wieder abgesagt. Die Begründung ist stets die gleiche: das Wetter sei zu schlecht.

Im Internet machen die Kunden ihrem Frust Luft. „Das Geschenk ging voll nach hinten los“, schreibt ein Nutzer im Oktober 2017 im Forum von Hamburg-Web. Er habe seit Anfang 2015 zwei Gutscheine, und bis heute sei die Fahrt nicht zustande gekommen. Mit dieser Erfahrung ist er nicht allein: Zahlreiche Nutzer beschreiben, dass sie jahrelang versucht hätten, einen Termin zu bekommen. Ihr Geld bekommen die Kunden nicht zurück, denn sobald ein erster Termin vereinbart wurde, ist eine Stornierung nicht mehr möglich. „Hier wird nach Strich und Faden betrogen“, ist sich einer der Forenschreiber sicher.

Das sieht auch die Staatsanwaltschaft in Niedersachsen so. Sie hat Anklage gegen den Unternehmer Karsten F. gestellt. Im Juni 2017 war der erste Prozesstag vor dem Amtsgericht Tostedt. Der Angeklagte lehnte damals einen Deal ab. Der neue Termin für die Hauptverhandlung ist nach Angaben des Oberstaatsanwalts Kai Thomas Breas für den 6. Dezember angesetzt.

Unternehmer bestreitet die Vorwürfe

Die Anklage lautet Betrug in 60 Fällen und Ballonfahren ohne Lizenz in 30 Fällen. Karsten F. hat nach Ansicht der Staatsanwaltschaft massenhaft Gutscheine verkauft und nie die Absicht gehabt, alle Fahrten auch durchzuführen. F. selbst bestreitet die Vorwürfe: „Das ist völliger Unfug.“ Die Probleme seien alle in Folge eines Unfalls im Jahr 2010 entstanden, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden und über den viele Medien berichteten. Damals fuhr ein Pilot ohne deutsche Lizenz für ihn. In der Folge seien 2012 und 2013 zahlreiche Klagen eingegangen, sagt F. dem WESER-KURIER. Diese seien Gegenstand des Gerichtsverfahrens. „Die Situation ist aber lange behoben.“ Die Kläger hätten ihre Fahrten alle inzwischen bekommen. Zum Vorwurf des Fahrens ohne Erlaubnis sagt F., er habe selbstverständlich eine Lizenz.

F.s Firma ist eine Vermittlerfirma für Fahrten mit externen Piloten. „Wir machen Termine und die Piloten entscheiden, ob sie stattfinden“, sagt F.. Entscheidend dabei seien allein die Wetterbedingungen. Auf die Frage, wieso er dafür so viele Firmen brauche, erklärt er, diese hätten sich vor vielen Jahren zusammengeschlossen, weil ein gemeinsamer Vertrieb vorteilhaft sei.

Anderen Ballonfahrern ist der Fall Karsten F. gut bekannt. Die Kunden seien extrem verunsichert, sagt einer von ihnen, der Flüge in Bremen anbietet. Er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, da F. bereits in der Vergangenheit juristisch gegen ihn vorgegangen sei. Er warnt diejenigen, die vom Fliegen träumen, sich nur an seriöse Ballonfahrer-Firmen zu wenden. Seine eigene Genehmigungsurkunde habe er auf seiner Webseite veröffentlicht. „Bei uns zahlt man erst, wenn man einen Termin hat und diesen auch antritt, nicht im Voraus.“

Kompliziertes Netz aus Firmen

F. sei seit etwa 30 Jahren im Geschäft, sagt ein anderer Ballonfahrer aus Hamburg. „Er war mal einer von uns, ein Ballonpilot.“ Doch irgendwann habe er immer mehr gewollt und sei dann auf seine Masche gekommen. Dabei sei das Absagen von Fahrten an sich nichts Ungewöhnliches. „Wir haben selbst 2017 etwa 50 Prozent der Termine abgesagt. Wir hatten dieses Jahr schlechtes Wetter.“ Bei dem Prozess gehe es aber um Karsten F.s dubiose Finanzgeschäfte und seine vielen Firmen, die er, so der Verdacht des Konkurrenten, gezielt in die Insolvenz getrieben habe, um seinen Verbindlichkeiten zu entgehen

Im Impressum der Webseiten von Hanseballon, Heideballon, Phönix-Ballooning und Ballonfahrt.de ist stets dieselbe Telefonnummer und eine Adresse in Handeloh im Landkreis Harburg genannt. Als Betreiberfirmen werden die Aeolus Aviation GmbH mit Geschäftsführer Karsten F. und die Hanseballon Ballonfahrten UG eines gewissen Reinhard K. genannt. „Das ist ein kompliziertes Konstrukt von Firmen, teilweise mit Strohmännern als Geschäftsführer“, erklärt Bernhard Frosdorfer, Sprecher des Landkreises Harburg.

Die Aeolus Aviation GmbH ist nach Angaben des Amtsgerichts Tostedt seit Mitte September insolvent. Seit dem 12. Oktober läuft zudem ein Verfahren wegen Privatinsolvenz gegen Karsten F. Dieser bestätigt das auf Nachfrage. Die finanziellen Probleme seien Folgen des Unfalls 2010 und der hohen Kosten für Gerichtsverfahren und Anwälte. Es sei ein Misstrauen bei seinen Gästen gewachsen, dabei mache er nichts anders als andere Ballonfahrer. „Jeder grätscht uns mit Freude rein, und jedes Jahr gibt es wieder einen Bericht über diesen Vorfall, der sieben Jahre zurückliegt“, sagt F..

Verbindungen nach Bremen

Fest steht, dass F. schon viele Firmen hatte, die er verkaufte oder die in die Insolvenz gingen. Die Spur führt auch nach Bremen: So war die inzwischen gelöschte Firma Aeolus Aviation GmbH beim Amtsgericht Bremen registriert. Zudem war Karsten F. nach WESER-KURIER-Informationen bis 2013 auch Geschäftsführer der Bremer Firma Weser-Flugcenter UG, die inzwischen auch in Tostedt gemeldet ist. F. sagt, er habe in der Vergangenheit viele Flüge an Drittfirmen vergeben. Auch das Weser-Flugcenter war dabei, aber „diese Geschäftsbeziehung besteht nicht mehr“.

Der Landkreis Harburg sieht seit Anfang 2017 genug Beweise dafür, dass Karsten F. sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausführt. Er hat bereits im April ein Gewerbeverbot gegen ihn und seine Firma verfügt. Der Unternehmer ging gerichtlich dagegen vor, scheiterte jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg. „Wir haben diverse Zwangsmaßnahmen eingeleitet“, sagt Frosdorfer. „Er darf keine Gutscheine mehr verkaufen und muss seine Webseite vom Netz nehmen.“

Lange Zeit schienen diese Maßnahmen Karsten F. nicht zu beeindrucken. Am Dienstag jedoch waren seine Webseiten nicht mehr erreichbar. „Die Firma ist verkauft, das wird jetzt alles abgewickelt“, sagt F.. Er selbst werde ab jetzt etwas anderes machen, zwar auch im Ballonfahrt-Bereich, aber im Ausland. Die gebuchten Fahrten würden jedoch alle stattfinden, verspricht er. Es werde einen neuen Betreiber geben, der sie durchführt.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)