Dass es beim Fliegen ab und an zu Turbulenzen kommen kann, daran haben sich Piloten, Passagiere und Airlines mittlerweile gewöhnt. Es holpert vielleicht ein bisschen, es geht rauf und runter, aber dann ist auch wieder alles in Ordnung. Wenn Großbritannien am 29. März die Europäische Union verlässt, dürfte es ebenfalls turbulent werden – vor allem für den Flugverkehr.
Dabei sind die genauen Folgen bislang noch gar nicht abzusehen. Dass es Probleme geben wird, davon gehen aber viele aus. „Die Risiken eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union sind offensichtlich: Es wird eine absolute Katastrophe werden“, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Dezember. Dabei sind gar nicht mal die Flugverbindungen zwischen Großbritannien und EU-Ländern in Gefahr. Die EU-Kommission hat schon vorsorglich bekannt gegeben, dass es für diese Strecken Sonderregelungen geben soll – selbst bei einem harten Brexit. Betroffen sind vielmehr innereuropäische Flüge, die von britischen Fluggesellschaften angeboten werden.
Konkret heißt das: Wer etwa mit Easyjet von Hamburg nach London fliegen will, kann das wahrscheinlich ohne Probleme machen. Wer aber mit Easyjet die Strecke Hamburg-Bordeaux gebucht hat, muss eventuell am Boden bleiben.
Bis in die 1990er-Jahre durften Airlines Verbindungen nur anbieten, wenn sie ihren Sitz im Start- oder Zielland hatten. Durch den gemeinsamen EU-Binnenmarkt fiel diese Regel, was das starke Wachstum der Billigflieger wie Easyjet und Ryanair erst ermöglicht hat. Sollte das Vereinigte Königreich nun ohne Vertrag aus der EU austreten, würde dieses Privileg für britische Airlines wegfallen. Die stellen sich schon auf so ein Szenario ein. „Easyjet ist gut auf den Brexit vorbereitet“, teilt das Unternehmen mit. Mittlerweile seien 130 der insgesamt 318 Flugzeuge bei einer Tochterfirma in Österreich registriert. Auch die Lizenzen der Crews sollen dorthin verschoben werden. Der Billigflieger hätte damit weiterhin einen Sitz in der Europäischen Union.
Airlines bereiten sich vor
Doch selbst das reicht wahrscheinlich nicht aus, um den reibungslosen Flugbetrieb künftig aufrechtzuerhalten. Denn dafür müssen Airline auch zu mehr als 50 Prozent Eigentümern aus der Europäischen Union gehören. Nach dem Brexit wäre das bei vielen nicht der Fall. So gehört Easyjet aktuell zu etwa 49 Prozent Eignern aus dem Rest der EU, bei Ryanair es waren im vergangenen Herbst 46 Prozent. Und auch Fluggesellschaften wie Condor und Tuifly sind davon betroffen. Condor ist ein Teil des britischen Reiseveranstalters Thomas Cook. Und das Unternehmen Tui – mit Sitz in Hannover – gehört einem russischen Ankeraktionär und vielen Anteilseigener in Großbritannien.
Easyjet und Ryanair denken deswegen darüber nach, ihre britischen Aktionäre loszuwerden, etwa indem ihnen die Stimmrechte entzogen oder die Anteilseigner zum Verkauf an EU-Eigentümer gezwungen werden. Condor betont laut „Welt“, seine „Hausaufgaben“ gemacht zu haben. Die Airline lässt allerdings offen, wie genau die Vorbereitungen auf einen harten Brexit aussehen. In Branchenkreisen wird jedoch spekuliert, das Unternehmen könne Zwischengesellschaften wie etwa Stiftungen nutzen, um sich den Status als EU-Airline weiterhin zu sicher. Tui-Chef Fritz Joussen wird mit den Worten zitiert: „Wenn man nicht weiß, was passieren wird, bereitet man sich auf alles vor.“
Der ungewisse Verlauf des Brexits ist auch in Bremen ein Thema. Welche Folgen er für den Flughafen der Hansestadt haben könnte, dazu möchte sich eine Sprecherin jedoch erst äußern, wenn genaueres über die Art des EU-Austritts bekannt wird. Aus der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion vom November geht allerdings hervor, dass vor allem ein harter Brexit spürbare Folgen für den Bremer Flughafen haben dürfte. So müssten britische Passagiere künftig als Nicht-EU-Fluggäste behandelt werden. Konkret heißt das: Sie und ihr Gepäck müssten bei der Einreise durch eine Zollkontrolle. „Dies wäre mit höherem personellen und organisatorischen Aufwand für den Flughafen verbunden“, heißt es in der Antwort des Senats.
Der rechnet zudem mit sinkenden Passagierzahlen: Denn die Entgeltordnung des Flughafens sieht vor, dass für Flüge in beziehungsweise aus Nicht-EU-Staaten höhere Gebühren fällig werden. Das dürfte zu steigenden Flugpreisen und weniger Reisenden aus dem Vereinigten Königreich führen. Zudem erwarten Experten, dass durch einen harten Brexit das britische Pfund gegenüber dem Euro verlieren würde. Reisen nach Deutschland würden für Briten also teurer werden. Die Folge laut Senat: Weniger britische Touristen in Bremen – zum Schaden nicht nur für den Flughafen, sondern die gesamte Tourismusbranche.