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Arcelor Mittal Bremer Hüttenwerker: "Wir brauchen eine Perspektive"

Der Stahl aus Bremen soll "grün" werden. Doch der Arcelor-Mittal-Konzern zögert noch mit einer Entscheidung über die Investitionen. Was die Belegschaft jetzt fordert.
13.12.2024, 05:00 Uhr
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Bremer Hüttenwerker:
Von Christoph Barth

Ein paar Mal haben sie geübt, bevor die Liveschaltung nach Berlin steht. "Gebt mir ein E!", ruft Gewerkschafter Michael Gerdes von der Bühne. "E", schallt es aus der Menge zurück, am lautesten von den Azubis im ersten Lehrjahr, die sich direkt vor der Bühne aufgebaut haben. Auch ein A und ein F gibt die Menge bereitwillig heraus, womit ihre Forderung feststeht: Sie wollen einen EAF, was man allen, die nicht in einer Eisenhütte arbeiten, erst erklären muss. Aber beim Aufsichtsrat von Arcelor-Mittal Bremen, der zu dieser Stunde im Berliner Hilton-Hotel tagt, kommt die Videobotschaft an.

EAF – das steht für Electric Arc Furnace, auf Deutsch: Elektrolichtbogenofen. Man kann Roheisen und Schrott hineinfüllen, woraus der EAF dann unter infernalischem Geblitze und Geknatter Stahl kocht. Auf einem solchen schrottfressenden Ofen ruhen zurzeit die Hoffnungen der Hüttenwerker. Zum Beispiel die von Dantes Schwarz, der 2016 seine Ausbildung bei Arcelor-Mittal begonnen hatte und dort jetzt als Industriemechaniker arbeitet. Seinen Helm hat er aufbehalten für die Demo vor der Werksverwaltung, es geht gleich danach wieder zurück ins Hüttenwerk. "Ich arbeite gerne da", sagt er. "Aber wir brauchen eine Perspektive auf das, worauf wir hinarbeiten."

Die Perspektive – das ist der grüne Stahl: ohne Unmengen von Kohlendioxid-Abgasen gekocht – oder zumindest mit deutlich weniger als heute. Zurzeit ist die Hütte für die Hälfte der CO2-Emissionen Bremens verantwortlich. Dass das so nicht bleiben kann, ist auch den Hüttenwerkern klar. Seit Jahren bereiten sie die Umrüstung der Produktion auf grünen Stahl vor, damit ihr Werk eine Zukunft hat. Der Elektrolichtbogenofen wäre zumindest ein erster Schritt auf dem Weg dorthin, darum sind sie hier: "Gebt mir ein E, gebt mir ein A, gebt mir ein F."

Der Staat gibt eine Milliarde dazu

Zurzeit ist nicht ganz klar, ob der Konzern da mitmacht. Eigentlich lautet der Plan, den gesamten Produktionsweg vom Eisen zum Stahl zu dekarbonisieren, also von CO2-Emissionen zu befreien. Dazu bräuchte man für das Werk in Bremen eine Direktreduktionsanlage (DRI) als Ersatz für die Hochöfen plus zwei Elektroöfen – die lautstark geforderten EAFs. Für die Anlagen gäbe es sogar Geld vom Staat, der die Umrüstung auf den grünen Stahl unterstützen will – viel Geld sogar: rund eine Milliarde Euro allein für die Bremer Hütte.

Doch die Konzernspitze von Arcelor-Mittal zögert: Ihr ist die Versorgung mit bezahlbarem Wasserstoff für die DRI-Anlagen in Europa zu ungewiss, der Strom zu teuer, die Nachfrage nach grünem Stahl noch zu gering, der Schutz vor chinesischen Billigimporten zu löchrig. Deshalb scheinen die Baupläne für DRI-Anlagen in den europäischen Werken vorerst in der Schublade gelandet zu sein. Was bleibt, sind die EAFs. Ein erster Schritt zumindest, um nicht ganz zurückzufallen. Doch auf einer ersten Liste, von der der Bremer Betriebsrat erfahren haben will, stand die Hütte an der Weser angeblich nicht drauf.

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Und das treibt die Belegschaft vors Werkstor und vor die Kamera, die ihren Protest live in die Aufsichtsratssitzung nach Berlin überträgt. Zehn Minuten sind in der Tagesordnung dafür vorgesehen. "Wir haben immer für die Hütte gekämpft und immer gewonnen", sagt Thorsten König, der als Materialprüfer im Werk arbeitet und schon lange dabei ist. "Aber dazu brauchen wir auch einen Vorstand, der für uns kämpft, und daran fehlt mir im Moment der Glaube." Arcelor-Mittal ist ein internationaler Stahlkonzern – das Werk in Bremen konkurriert mit Standorten in Belgien, Frankreich, Polen und Spanien um die Investitionen. An der Aufsichtsratssitzung im Berliner Hilton nimmt auch Geert van Poelvoorde teil, der Europachef von Arcelor-Mittal – der Mann, der am Ende über die Investitionen in die europäischen Werke entscheidet.

Bremen bleibt im Rennen

Dietmar Ringel, der Aufsichtsratsvorsitzende, macht den Arbeitern ein wenig Hoffnung: Auch für das Werk in Bremen bleibe das Ziel die Dekarbonisierung, auch für Bremen werde deshalb über die Elektroöfen gesprochen, versichert er via Großbildschirm. "Das Werk hat sich im Konzern eine gute Position arbeitet – die dürfen wir nicht verlieren", mahnt er. "Wir brauchen keine pessimistische Stimmung." Lieber solle man gemeinsam dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen, um eine Produktion von grünem Stahl möglich zu machen.

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Was er damit meint, ist allen klar, die EAF lautstark buchstabieren können: Das E steht schließlich für "electric" – der Ofen braucht Strom, und zwar enorme Mengen davon. In dem Punkt sind sich Vorstand und Belegschaft einig: Der Strompreis für die Großindustrie muss runter, sonst wird es nichts mit ihrem EAF. Am 15. März will man das auf einem großen Aktionstag in Hannover deutlich machen – unüberhörbar für jeden, der dann in Berlin gerade über die Bildung einer neuen Bundesregierung verhandelt.

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