Hochöfen, Schlote, Gasometer, dazwischen riesige Hallen für die Stahlkonverter und Walzstraßen – so sieht die Bremer Hütte heute aus. Windräder gehören bislang nicht zu ihrem Erscheinungsbild – doch das soll sich bald ändern. In den kommenden Jahren will der Bremer Windparkentwickler WPD zehn Anlagen auf dem Werksgelände von Arcelor-Mittal errichten – und zwar die leistungsstärksten, die es auf dem Markt gibt. Sie werden sogar die Hochöfen deutlich überragen und sollen für den „grünen Stahl“ der Zukunft den nötigen Öko-Strom liefern – zumindest einen kleinen Teil.
- Lesen Sie auch: Umrüstung der Stahlwerke: Senat beschließt Finanzierungsplan
Zurzeit drehen sich drei Windräder älterer Bauart auf dem Stahlwerksgelände. Zwei Drittel ihres Stroms produziert die Hütte selbst – aus dem Gichtgas ihrer beiden Hochöfen. Doch die alten Kohlefresser sollen in den kommenden Jahren abgeschaltet werden, weil sie viel zu viel CO2 in die Atmosphäre pusten – der klimaneutrale Stahl der Zukunft muss ohne die Hochöfen auskommen. Elektroöfen und eine Direktreduktionsanlage, die mit Wasserstoff arbeitet, sollen die Öfen und Konverter ersetzen. „Und das Wort ,Elektroöfen‘ sagt es ja schon: Wir brauchen in Zukunft mehr Strom“, sagt Thomas Bünger, Chef des Arcelor-Mittal-Werks in Bremen.
Schon jetzt verbraucht die Hütte so viel Strom wie eine Großstadt: 1500 Gigawattstunden im Jahr. Mit den neuen Elektrolichtbogenöfen, die Eisenschwamm und Schrott zu neuem Stahl einschmelzen sollen, wird der Stromverbrauch weiterwachsen: auf 2600 Gigawattstunden im Jahr – so viel wie 650.000 Durchschnittshaushalte verbrauchen. Und weil die Hochöfen als Gaslieferanten wegfallen, muss die Hütte sich diese gigantischen Mengen an Strom anderweitig besorgen – noch dazu aus erneuerbaren Energiequellen, weil sonst die Umrüstung auf die grüne Stahlproduktion für die Katz' wäre. "Und wir brauchen den Strom natürlich zu tragbaren Preisen, sonst sind wir wirtschaftlich nicht konkurrenzfähig" ergänzt Bünger.
Ältere Windräder werden ersetzt
Die zehn Windräder von WPD sollen den Anfang machen. "Für uns ist das ja sozusagen ein Heimspiel", sagt Björn Nullmeyer, Finanzchef des Bremer Windparkentwicklers. "Wir können die grüne Energie sehr kurzfristig liefern – aus Bremen für Bremen." In einem ersten Schritt sollen zwei der älteren Windräder auf dem Stahlwerksgelände durch moderne, größere Anlagen ersetzt werden – "Repowering" nennen das die Fachleute. Dazu kommen zwei bis drei Windräder an neuen Standorten. Die Anlagen sollen der neuesten Generation von Windrädern an Land angehören – in Größe XL: gut 7 Megawatt. So leistungsstark waren bislang nur Offshore-Windräder auf dem Meer. Wenn das Genehmigungsverfahren glatt läuft, soll der Bau nächstes Jahr beginnen.

Einigten sich auf die Lieferung von grünem Strom für die Bremer Hütte (von links): WPD-Finanzchef Björn Nullmeyer, Stahlwerks-Betriebsleiter Frank Hohlweg und der Bremer Arcelor-Mittal-Chef Thomas Bünger.
In einem zweiten Schritt könnten Anfang der 2030er-Jahre weitere Anlagen dazukommen – der Plan sieht insgesamt zehn Windräder auf dem Arcelor-Mittal-Gelände vor. Die Zahlen, mit denen Stahlwerks-Betriebschef Frank Hohlweg dabei jongliert, sind auf den ersten Blick beeindruckend: 50.000 Haushalte könnte der neue Windpark mit Strom versorgen; 20 Prozent des in Bremen produzierten Windstroms kämen dann vom Stahlwerksgelände.
Nicht einmal zehn Prozent des Strombedarfs
Aber der Strom soll ja direkt auf dem Hüttengelände verbraucht werden und dort die Elektro-Öfen heizen und die Motoren der Walzgerüste antreiben. Und dafür wird der Strom, den die zehn Windräder liefern, bei weitem nicht reichen: "Mit den 200 Gigawattstunden können wir nicht einmal zehn Prozent unseres künftigen Bedarfs decken", räumt Hohlweg ein.
Die Hütte braucht also mehr Strom. Liefern könnten den nach Lage der Dinge nur Offshore-Windparks, mit deren Betreibern Arcelor-Mittal feste Lieferverträge abschließen könnte, sogenannte Power Purchase Agreements (PPA). "Darauf wird es hinauslaufen", kündigt Hohlweg an.
Tatsächlich ist der Energiehunger des neuen, "grünen" Stahlwerks sogar noch deutlich größer. Denn die Direktreduktionsanlage, die die Hochöfen ersetzen soll, benötigt für den klimaneutralen Betrieb Wasserstoff, der ebenfalls mit Hilfe von Öko-Strom hergestellt wird. Rechnet man alles zusammen, bräuchte die Bremer Hütte zur Deckung ihres Energiebedarfs allein einen Nordsee-Windpark mit mehr als 200 Windrädern, in Offshore-Größe XXL.